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VOASG im Bundestag – Juristen sehen gefährliche Mängel
Analyse der Rechtsexperten Mand und Meyer
Mit dem VOASG reagiert der Gesetzgeber auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Oktober 2016, nach dem die deutsche Preisbindung für Rx-Arzneimittel nicht für ausländische Versender gilt. Die Inhalte des VOASG gehen auf ein Eckpunktepapier zurück, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Dezember 2018 präsentiert hatte. Der Kabinettsentwurf vom 17. Juli 2019 enthält insbesondere eine sozialrechtliche Preisbindung für Rx-Arzneimittel, die auch für ausländische Anbieter gelten soll. Außerdem soll der Zuschlag auf Rx-Arzneimittel um 20 Cent pro Packung steigen, um damit neue pharmazeutische Dienstleistungen zu finanzieren. Welche Leistungen zu welchem Honorar erbracht werden können, lässt der Entwurf offen. Die weitere Beratung des Entwurfs verzögerte sich, weil Spahn die Reaktion der EU-Kommission abwarten wollte. Inzwischen berichtete das Bundesgesundheitsministerium (BMG), es habe dazu neun Gespräche gegeben. Ergebnisse sind jedoch nicht bekannt (siehe AZ 2020, Nr. 34/35, S. 1). Nun soll das Gesetz im Bundestag beraten werden.
Da mittlerweile einige Inhalte des Kabinettsentwurfs in anderen Gesetzen umgesetzt wurden, schlägt das BMG dazu selbst einige Änderungen vor (siehe Seite 12).
Viel Interpretationsspielraum
Zu den zentralen Inhalten des geplanten VOASG präsentieren die Apothekenrechtsexperten Dr. Elmar Mand, Marburg, und Prof. Dr. Hilko Meyer, Frankfurt, in der jüngsten Ausgabe von „Arzneimittel&Recht“ eine kritische Analyse (Geben Sie den Webcode E3RS5 in das Suchfeld auf DAZ.online ein und gelangen Sie direkt zum Artikel). Besonders problematisch bewerten sie die geplante Streichung von § 78 Absatz 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz (AMG), mit dem die deutsche Preisbindung für Rx-Arzneimittel auf ausländische Anbieter übertragen wird. Ursprünglich wurde dieser Satz als Klarstellung ins Gesetz aufgenommen, aber eine Streichung würde so interpretiert, dass der Gesetzgeber nun eine andere Regelung wolle. Dies werde insbesondere deshalb zum Problem, weil Mand und Meyer in der geplanten Formulierung der sozialrechtlichen Preisbindung viel Interpretationsspielraum sehen. Die Gesetzesbegründung räumt ihre Zweifel nicht aus. Sie kritisieren, dass die gewählte Formulierung auf die Preisbindung im AMG verweist und dort zugleich die Übertragung auf das Ausland gestrichen werden soll. Daraufhin könne argumentiert werden, dass die neue sozialrechtliche Preisbindung gerade nicht für ausländische Versender gelte. Neue Rechtsstreitigkeiten seien daher zu erwarten. Der Gesetzgeber könnte seinen Willen dagegen klar mit einer einseitigen Kollisionsnorm ausdrücken, die die neue Regelung zweifelsfrei auf das Ausland überträgt. Doch vermutlich sei der Verzicht auf eine solche Regel taktisch motiviert, um das diesbezügliche EU-Vertragsverletzungsverfahren zu beenden.
Doch selbst wenn die geplante sozialrechtliche Preisbindung rechtssicher formuliert wäre, sehen Mand und Meyer Probleme in ihrer unvollständigen Geltung nur für Sachleistungen. Einzelvertragliche Regelungen mit Krankenkassen über abweichende Preise seien in früheren Eckpunktepapieren noch ausgeschlossen worden, später sei dies noch in der Begründung erwähnt worden, aber der jüngste Regierungsentwurf enthalte auch diesen Hinweis nicht mehr, warnen Mand und Meyer.
Wertungswiderspruch schwächt Argumente
Die Experten sehen in der Gesetzesbegründung starke Argumente, weshalb feste Preise für Rx-Arzneimittel nötig sind, um ein flächendeckendes Apothekennetz zu erhalten. Dies betreffe die allgemeine Daseinsvorsorge und die verfassungsrechtlich gebotenen möglichst gleichen Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Dass der Gesetzgeber diese bedeutsamen Argumente aber nicht für die gesamte Versorgung anwende, sondern künftig nur noch für das Sachleistungsprinzip gelten lassen wolle, ist für Mand und Meyer ein Wertungswiderspruch, der die Argumente schwäche. Dagegen böten diese Argumente schon längst gute Aussichten, die bestehende Preisbindung in einem neuen Verfahren vor dem EuGH zu verteidigen.
Letztlich erwarten Mand und Meyer durch das VOASG weitere langwierige Auseinandersetzungen und auf absehbare Zeit kein Ende der Inländerdiskriminierung zulasten der deutschen Apotheken. Außerdem verweisen sie auf das ablehnende Votum des Bundesrates zum Regierungsentwurf. Das mache deutlich, dass die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Patientenversorgung in Deutschland der Maßstab für die Beurteilung der Maßnahmen sei. Wenn die Regierungskoalition nicht bereit sei, den „tatsächlich zielführenden Weg“ des Rx-Versandverbotes zu gehen, sollte sie doch „für die unionsrechtliche Anerkennung des bestehenden Preisbildungssystems eintreten, anstatt den eingetretenen Stand der Wettbewerbsungleichheit und Rechtsunsicherheit weitgehend zu perpetuieren und durch die Einführung eines inkohärenten Regelungskonzepts weitere Sollbruchstellen im deutschen Preisrecht zu schaffen“, fordern Mand und Meyer.
Makelverbot auch für E-Rezept-Token nötig
Außerdem haben die Rechtsexperten die geplanten Makel- und Zuweisungsverbote analysiert. Diese sind im Patiententendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) geregelt, das am 18. September im Bundesrat behandelt werden soll. Mand und Meyer begrüßen diese wichtige Rechtsgrundlage für das E-Rezept, sehen aber auch dort eine Lücke. Wegen der Trennung zwischen dem E-Rezept und dem Zugriffscode für das Rezept, den E-Rezept-Token, könnten die Regeln ausgehebelt werden. Denn die gesetzlichen Sicherheitsregeln für die Speicherung und den Transport würden sich nur auf das E-Rezept beziehen, das sich nur innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) befindet, nicht jedoch für den Token gelten, den der Patient außerhalb der TI nach Belieben weiterleiten könne. Die Gematik habe dazu erklärt: „E-Rezept-Token, die außerhalb der TI transportiert werden, können durch die TI nicht geschützt werden.“ Doch der Token sei faktisch das Zugriffsrecht auf das Rezept. Daher fordern Mand und Meyer, diese tatsächliche Funktion des Tokens rechtlich zu berücksichtigen. Insbesondere müsse klargestellt werden, dass die Zuweisungs- und Makelverbote den Token einbeziehen. |
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