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Das Geschäft mit dem Abrechnen

Ein Überblick über die Apothekenrechenzentren in Deutschland

yd/eda | Die komplexe Aufgabe der Rezeptabrechnung mit den gesetz­lichen Krankenkassen wurde in Deutschland bisher von 18 Rechenzentren übernommen. Seit der Insolvenz der AvP Deutschland GmbH am 15. September 2020 machen sich die rund 3500 bisherigen Kunden auf die Suche nach Alternativen. Diese sind vorhanden, denn die Verrechnung der Kassenrezepte schultern neben AvP fünf standes­eigene sowie weitere zwölf privat geführte Unternehmen.
Foto: DAZ/Sket

Abrechnungszentren fungieren als finanzielle Vermittler zwischen Apotheken und den gesetzlichen Krankenkassen. Für den hochkomplexen Vorgang der Rezeptabrechnung über­führen die Apothekenrechenzentren zunächst die analogen Daten des Muster-16-Kassenrezepts in eine elektronische Datenbank. Die digitalisierten Patienten- und Verordnungsangaben werden dann, samt Rechnung, an die jeweilige Krankenkasse übermittelt. Im Rückverfahren bekommen die Apotheken und sonstige Leistungsbringer dann die gewährten Zahlungen weitergeleitet. Des Weiteren verrechnen die Abrechnungszentren Herstellerrabatte und leiten Daten an die Nacht- und Notdienstfonds weiter um später die entsprechenden Zahlungen an die Apotheken zu vermitteln. In den letzten Jahren haben die Apothekenrechenzentren auch weitere Geschäftsfelder erschlossen. Zum einen bieten sie den Apothekenbetrieben (aber auch weiteren Leistungserbringern) Hilfestellungen an, wenn es um bürokratische Prozesse geht. Hier sei vor allem auf den Bereich der Hilfsmittelversorgung verwiesen. Zum anderen lässt sich durch die Bereitstellung und Auswertung von Daten – sowohl für die eigenen Kunden als auch externen Stellen – ein Mehrwert schaffen.

Durchschnittlich alle zwei Wochen werden die Rezepte unter äußerst strikten Sicherheitsmaßnahmen aus der Apotheke abgeholt und an die Abrechnungszentren vermittelt. Das hohe Maß an Sicherheit ist unumgänglich und ein Grundsatz nach dem jedes Rechenzentrum verfahren muss, denn zum einen handelt es um den Transport von sensiblen Patienten­daten, zum anderen sind die Rezepte eine Art Geldscheck, den es auf diesem Wege bei der GKV einzulösen gilt. Später – im Rechenzentrum selbst – werden die Daten dann maschinell eingelesen und fehlende Informationen, die beim Einlesen gegebenenfalls übergangen wurden, von geschulten Fachkräften manuell nachgetragen. Nach der Abrechnung werden die Rezepte wieder an die Krankenkassen übermittelt, wo sie sieben Jahre lang aufbewahrt werden.

Keine Frage: Aktuell ist es für die Rechenzentren eine Zeit des Wandels. Mit dem immer näher rückenden E-Rezept scheint sich die Hauptaufgabe der Branche – das Handling und die Abrechnung des physischen Kassen­rezeptes – zu erübrigen. Um die zunehmende Digitalisierung gemeinsam in Angriff zu nehmen, gründeten 14 der damals noch 18 Rechenzentren im Frühjahr 2018 den Bundesverband Deutscher Apothekenrechenzentren e. V. (VDARZ). Durch die Kooperation des VDARZ mit der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) sowie dem Bundesverband Deutscher Apothekensoftware­häuser e. V. (ADAS) wird auf eine stärkere intra- und interstrukturelle Zusammenarbeit gesetzt. Zukünftig sollen, laut VDARZ-Vorstand, weitere Dienstleistungen für Apotheken, wie die Beratung in Retaxfragen und die Bereitstellung von „schnellem Geld“, gestärkt werden. „Schnelles Geld“ ist für die Apotheken vor allem nötig, um höherpreisige Arzneimittel (vor-)finanzieren zu können. Aber auch bei der regelmäßigen Tilgung von Großhandelsrechnungen kann die günstige und unmittelbare Bereitstellung der Liquidität durch die Rechenzentren wichtig sein. Doch auch die Abrechnung des Papierrezeptes bleibt weiterhin eine nicht unwesentliche Aufgabe der Rechenzentren, denn nicht alle Rezepte werden auf einen Schlag digital vorliegen.

Foto: VSA

Die Branche

Marktführer der Branche bleiben die standeseigenen Unternehmen. Dazu zählen Noventi, NARZ (Norddeutsches Apothekenrechenzentrum), ARZ Haan, ARZ Darmstadt und die Rezeptabrechnungsstelle Berliner Apotheker (RBA).

Die Noventi Group ist mit den Marken VSA, ALG und SARZ nach eigenen Angaben der Vorreiter der Rechnungszentren in Europa. In Deutschland sollen 7000 Apotheken Kunden der Group mit einem Rezeptabrechnungsvolumen von mehr als 14 Milliarden Euro im Jahr sein.

Mit 7,5 Milliarden Euro Jahresapothekenumsatz und 96 Millionen Rezepten pro Jahr stehen auf dem zweiten Platz die Vertragspartner Norddeutsches Apotheken-Rechenzentrum (NARZ) und die Apotheken-Verrechnungsstelle Dr. Carl Carstens GmbH & Co. KG (AVN). Zu Zeit rechnen knapp 3200 Apotheken ihre Rezepte über die beiden Rechenzentren ab. Die typische Kundenklientel bilden nach eigenen Angaben etwa drei Viertel der norddeutschen Apotheken.

Der Marktführer in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg, das Apothekenrechenzentrum Haan, rechnet jährlich 90 Millionen Rezepte mit einem Volumen von 8,5 Milliarden Euro ab. Das Unternehmen bietet neben Rezeptabrechnung für Apotheker auch die Abrechnungen für sonstige Leistungsbringer, sowie Software­lösungen für Zahnärzte im Gesundheitswesen an.

Die Liga der apothekereigenen Unternehmen schließt das 1969 gegründete ARZ Darmstadt mit rund 2500 Firmenkunden, um die sich über 100 Mitarbeiter kümmern. Mit bis zu 5 Millionen Rezepten pro Jahr, kommt das Unternehmen auf ein Gesamtvolumen von über 4,2 Milliarden Jahresumsatz. Mit dem Hauptstandort in Darmstadt und weiteren Standorten in Gera und Oldenburg ist das Rechenzentrum führend in dem eigenen Kerngebiet, welches die Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Saarland einschließt.

Gemeinsam mit den apothekereigenen Abrechnungszentren halten einige mehr oder weniger große private Unternehmen den Markt. Darunter war bis vor Kurzem der bisherige Marktführer unter den Privaten Unternehmen AvP mit rund 3500 Kunden.

Momentaner Spitzenreiter ist das Apotheken- und Ärzte-Abrechnungszentrum der Dr. Güldner GmbH. Die Gruppe, zu der auch das Deutsche Zahnärztliche Rechenzentrum und Optica zählen, bedient 35.000 Kunden in zahlreichen Bereichen der Gesundheitsversorgung. Darunter neben Apotheken, Ärzten und Zahnärzten auch Heil- und Hilfsmittelerbringer. Das Privatunternehmen beschäftigt ins­gesamt an die 1300 Mitarbeiter. Das jährliche Abrechnungsvolumen für alle Bereiche beträgt über 8 Milliarden Euro.

Auch das Apothekenrechenzentrum Wünsch bietet seit 1995 seinen Abrechnungsservice neben Apotheken auch anderen Leistungsbringern an. Darunter sind Sanitätshäuser, Direktlieferanten, Heilmittelerbringer, Optiker und Hörakustiker. Zusammen kommt die variable Klientel auf ca. 2000 Kunden aus allen Bundesländern, um die sich 50 Mitarbeiter kümmern.

Im Jahr 1959 von Apothekern gegründet und seit 1968 in Familienbesitz ist das Privatunternehmen AVC Dick GmbH und Co. KG, ein Gründungsmitglied des VDARZ e. V. Heute zählen neben öffentlichen und Krankenhausapotheken auch sonstige Leistungsbringer wie Sanitätshäuser und Ärzte (Sprechstundenbedarf) zum Kundenstamm.

Seit über 30 Jahren bietet das Rechenzentrum für Apotheken Hildegard Schröter GmbH die Abrechnung für Offizin-, Krankenhaus- und Versandapotheken, sowie für Sanitätshäuser, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten an.

Rechenzentrum für Berliner Apotheken Stein und Reichwald GmbH betreuen als Familienunternehmen mit sieben Mitarbeitern und zwei Fahrern Apotheken- und seit 2004 auch Leistungsbringer-Kunden aus Berlin und Brandenburg. Die Co-Gründerin Katharina Stein steht aktuell hinter dem Apothekenrechenzentrum Stein mit Sitz in Berlin und einem Apo­thekenkundenstamm in Berlin und Brandenburg.

Ebenfalls familiengeschichtlich ist das 1996 von Helmut Schrader in ­Brakel gegründete mittelständische Unternehmen HSB. Die sieben Mitarbeiter versorgen neben Apotheken auch sonstige Leistungserbringer wie Masseure, Logopäden, Optiker und Physiotherapeuten.

Als neuestes Unternehmen besteht seit 2010 Digitales Rezept Zentrum GmbH, welches sich auf die Abrechnung von Kassenrezepten für Apo­theken spezialisiert. |

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