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Liquidität der eigenen Apotheke sichern

Nach AvP-Pleite: Was gilt es zu beachten bei Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer?

Von Theo Clotten und Niko Hümmer | Die von der AvP-Insolvenz betroffenen Apothekerinnen und Apotheker müssen schnellstmöglich Maßnahmen zur Sicherung und Erhalt der notwendigen Liquidität ergreifen. Hierfür kann neben den Bankinstituten auch der Großhandel als Bestandteil einer Gesamtlösung eine Rolle spielen. Nicht weniger bedeutend ist zu überprüfen, ob Konsequenzen bereits jetzt gegenüber der Finanzverwaltung geltend gemacht werden können, damit die finanzielle Situation entlastet wird. Diese Frage betrifft vor allem die Umsatzsteuer mit ihrer bereits am 10. Oktober 2020 fälligen Umsatzsteuervoranmeldung. Im weiteren Verlauf sind dann auch entsprechende Möglichkeiten zur Anpassung bzw. Herabsetzung der Einkommensteuer- bzw. Gewerbesteuer-Vorauszahlung zu prüfen.
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Die AvP-Insolvenz hat zu bedrohlichen Liquiditätsengpässen in Tausenden von Apotheken geführt. Nun müssen sich die betroffenen Betriebe darum kümmern, die Schäden kurzfristig zu begrenzen und sie langfristig zu beheben.

Das Jahr 2020 entwickelt sich immer mehr zum „Schicksalsjahr“ für Apotheken. Nach den Corona-bedingten Herausforderungen im Frühjahr folgt nun mit der Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP ein Ereignis, das für Tausende Betriebe existenzbedrohend ist.

All diesen Herausforderungen ist gemein, dass ihnen Sachverhalte zugrunde liegen, die kurzfristig, unvorhersehbar und insbesondere ohne ­eigenes vorwerfbares Verhalten über die Unternehmen hereinbrechen.

Nun gilt es, ähnlich der mit sehr hohem Engagement und Leistungsbe­reitschaft erfolgten Bewältigung der „Corona-Krise“ auch die anstehenden Anforderungen aus der Insolvenz der AvP zu meistern.

Hierfür bedarf es einer möglichst belastbaren Beurteilung und Prüfung der gegebenen Rechtslage unter Berücksichtigung der bis dato keineswegs abschließend feststehenden Ausgangssituation.

Bankinstitute und Großhandel: Die von der AvP-Insolvenz betroffenen Apothekerinnen und Apotheker sind nun gefordert und müssen schnellstmöglich Maßnahmen zur Sicherung und zum Erhalt der notwendigen Liquidität ergreifen. Hierfür kann neben den Bankinstituten auch der Großhandel als Bestandteil einer Gesamtlösung eine Rolle spielen. Eine entsprechende Liquiditätsplanung muss hierbei unter Berücksichtigung aller denkbaren Risiken (weitere Ansprüche vonseiten AvP) aufgestellt werden. Ziel muss es sein, die sich aufgrund einer Nichtzahlung der Rezeptabrechnung ergebenden finanziellen Lücken sowohl der Höhe als auch der Dauer nach vollumfänglich abzudecken. Aufgrund der ­aktuellen Entwicklungen und der bisherigen Äußerungen des vorläufigen Insolvenzverwalters ist nicht mit einer kurzfristigen Auszahlung von Abrechnungsgeldern zu rechnen. Vor diesem Hintergrund ist von einer kurzfristig terminierten Zwischenfinanzierung abzuraten und eine längerfristige Finanzierung mit möglichen Sondertilgungsoptionen in Erwägung zu ziehen.

Finanzverwaltung: Des Weiteren stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus der AvP-Insolvenz bereits jetzt gegenüber der Finanzverwaltung zur Entlastung der finanziellen Situation geltend gemacht werden können. Bei dieser Frage bedarf es einer strikten Trennung zwischen den Steuerarten. Die Umsatzsteuer mit ihrer am 10. Oktober 2020 (unter der Annahme einer bestehenden Dauerfristverlängerung) zur Abgabe fälligen Umsatzsteuervoranmeldung August 2020 stellt hierbei im zeitlichen Ablauf die erste Herausforderung dar. Im weiteren Verlauf sind dann auch entsprechende Möglichkeiten zur Anpassung bzw. Herabsetzung der Einkommensteuer- bzw. Gewerbesteuer-Vorauszahlung IV./2020 zu prüfen.

Maßnahmen zum Erhalt der Liquidität

Umsatzsteuer: Im Zeitpunkt der Abgabe der Arzneimittel an gesetzlich Krankenversicherte liegt umsatzsteuerlich eine Medikamentenlieferung vor. Gemäß § 2 Abs. 2 SGB V gilt für gesetzliche Krankenkassen das Sach- und Dienstleistungsprinzip, weshalb nicht der jeweilige Versicherte, sondern die gesetzliche Krankenkasse als umsatzsteuerlicher Leistungsempfänger für die von den Apotheken gelieferten Arzneimittel anzusehen ist.

Bei der Versteuerung nach vereinbarten Entgelten entsteht die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ­Sätze 1 – 3 UStG), ohne dass es danach auf die Vereinnahmung der Gegenleistung ankommt. Die entstandene Steuer ist nach dem Gesetzeswortlaut auch sogleich beim Finanzamt anzumelden und an dieses abzuführen (§ 18 Abs. 1 i. V. m. § 16 Abs. 1 Satz 3 UStG). Dies bedeutet, dass für im August ausgeführte Umsätze aus den Lieferungen von Arzneimitteln die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums August anzumelden und zu entrichten ist.

Diesbezüglich stellt sich für die betroffenen Apotheker die Frage, wie an die notwendigen Informationen zu kommen ist. Im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung sind sämtliche Umsätze des jeweiligen Monats zu erfassen. ­Üblicherweise erteilt der Apothekenabrechnungsdienstleister den Apotheken eine monatliche Gutschrift über die abgerechneten Medikamente. In diesen Abrechnungen sind alle für die Umsatzsteuervoranmeldung notwendigen Informationen enthalten. Für den Monat August sind vonseiten AvP bisher keine solche Abrechnungen erstellt worden. Die notwendigen Informationen hat der Apotheker daher auf anderem Wege zu ermitteln. Hierbei bietet z. B. die Online über ApoFAKT abrufbare Rezept-Statistik notwendige Informationen bezüglich der im August erzielten Umsätze, der vereinnahmten Zuzahlungen, Herstellerabschläge und Apotheken-Rabatte. Ferner lassen sich aus den jeweiligen Warenwirtschaftssystemen der Apotheken Auswertungen bezüglich der GKV-Umsätze erstellen. Hierbei ist anzumerken, dass sich sicherlich nicht der 100-prozentige GKV-Umsatz ermitteln lässt, sodass zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls eine korrigierte Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat August 2020 einzureichen ist.

Fraglich ist, welche Rechtsstellung der Apothekenabrechnungsdienstleister AvP in diesem Zusammenhang hat. Liegen lediglich Dienstleistungen seitens AvP gegenüber den Apothekern vor und sind die Abrechnungsgelder als Fremdgelder zu erfassen oder handelt es sich aufgrund etwaiger Abtretungen um eigene Forderungen gegenüber der AvP. Es lässt sich allerdings bereits jetzt feststellen, dass innerhalb der in Rede stehenden Apothekenansprüche vonseiten AvP verschiedene AGBs verwandt wurden und in Einzelfällen sogar von den AGBs abweichende individualvertragliche Regelungen existieren.

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Welche Rezeptumsätze ausstehen, können die Apotheken anhand der Online-Abrechnungsstatistiken ihres Rechenzentrums oder anhand der eigenen Kassensoftware bzw. Warenwirtschaft näherungsweise feststellen.

Dies hat für die Beurteilung der mög­lichen umsatzsteuerlichen Behandlung der offenen Forderungen erhebliche Bedeutung.

Sofern es sich um Forderungen gegenüber dem Apothekenabrechnungsdienstleister AvP handelt, kommt durch den Insolvenzantrag eine Korrektur der Bemessungsgrundlage in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine Forderung spätestens mit Eröffnung des ­Insolvenzverfahrens – bei Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt i. S. d. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO – unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote in voller Höhe uneinbringlich geworden. Dies bedeutet, dass mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters am 16. September 2020 die Voraussetzung für eine Berichtigung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage gegeben ist, mithin eine Korrektur im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung September erfolgen kann.

Im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung August sind in einem ersten Schritt die offenen Forderungen als steuerpflichtige Arzneimittellieferungen zu erfassen und die darin enthaltene Umsatzsteuerzahllast entsprechend an die Finanzverwaltung zu melden. Mithin besteht eine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Finanzverwaltung. Die Bestellung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters am 16. September 2020 führt im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 17 UStG. Die nunmehr uneinbringliche Forderung mindert die Umsatzsteuerzahllast für den Monat September 2020 in Höhe der nicht eingegangenen Umsatzsteuer. Zur Überbrückung der Zahlungsverpflichtung aus der Umsatzsteuervoranmeldung August kann die Möglichkeit einer einmonatigen Stundung infrage kommen, sodass eine Verrechnung der Umsatzsteuer August und September 2020 vonseiten der Finanzverwaltung vor­genommen werden kann. Dies würde zu einer erheblichen Liquiditätsschonung führen.

Sofern es sich lediglich um Fremdgelder handelt, die ggfs. auf gesonderten Treuhandkonten geführt wurden, stellt sich die Frage, ob ein Ausfall bzw. eine Uneinbringlichkeit der Forderung gegeben sein kann. Nach § 10 Abs. 1 UStG bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach dem Aufwand des Leistungsempfängers, mithin der gesetzlichen Krankenkassen. Sofern die Krankenkassen ihrerseits die Gegenleistung erbracht haben und die Gelder bei AvP nicht ordnungsgemäß abgerechnet und weitergeleitet wurden, stellt die Veruntreuung bzw. die bisher nicht erfolgte Auszahlung der Abrechnungsgelder keine Uneinbringlichkeit der offenen Forderungen dar.

Auch hier stellt sich die Frage der Stundung der offenen Steuerforderungen. Wie der Europäische Gerichtshof in einem Urteil von 1993 bereits festgestellt hat, fungieren Unternehmer lediglich als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates. Sie werden durch die Mehrwertsteuer nicht be­lastet sondern sind nur verpflichtet die Steuer für Rechnung der Finanzverwaltung einzuziehen und sodann diese abzuführen.

Da für die bisher offenen Zahlungen jedoch keine Vereinnahmung der Umsatzsteuer erfolgte, kommt eine Stundung der offenen Beträge infrage. Die Ermessensentscheidung hinsichtlich der Stundungswürdigkeit dürfte aufgrund der Tatsache, dass die Umsatzsteuerbeträge bisher nicht vereinnahmt wurden, erheblich reduziert sein. Ferner könnte bei einem dauerhaften Fortgang des Verfahrens und Ausfall der Forderung die Frage eines Erlasses der Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen in Gestalt der abweichenden Steuerfestsetzung nach § 163 Abgabenordnung (AO) in Betracht kommen.

Eine, wie in diversen Medien, vorgeschlagene Fristverlängerung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung wird hingegen nicht zielführend sein, da die Fristverlängerung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung lediglich kurzfristig die Abgabe hinausschiebt und die eigentlichen Probleme hinsichtlich der Feststellung der Höhe der Umsätze und der Liquiditätssicherung unbehandelt lässt.

Aufgrund der Unklarheit der rechtlichen Einordnung der Forderung empfiehlt es sich diesbezüglich offen mit der Finanzverwaltung zu kommunizieren. Über die jeweiligen Stundungsmodalitäten ist individuell für den jeweils betroffenen Apotheker eine Lösung zu finden. Insbesondere die Liquiditätslage, sowie die Höhe der offenen Forderungen werden hier eine wesentliche Rolle spielen.

Einkommensteuer und Gewerbesteuer: Zum 15. November 2020 ist die nächste Gewerbesteuervorauszahlung und zum 10. Dezember 2020 die nächste Einkommensteuervorauszahlung fällig. Es stellt sich somit die Frage, ob unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse (Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vom 15. September 2020) bereits ausreichende Tatsachen zur Herabsetzung dieser fälligen Beträge anzunehmen sind.

Dies kann in bestimmten Fällen, z. B. im Falle eines abweichenden Wirtschaftsjahres, welches nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. August 2020 endet, bereits ohne weitere Prüfung kategorisch ausgeschlossen werden, da die entsprechende ertragsteuerliche Auswirkung der im September 2020 für August 2020 zutage getretenen Erkenntnisse zwingend erst im Veranlagungszeitraum 2021 und somit in den Vorauszahlungen I – IV/2021 ihren Niederschlag finden werden.

Auch aus diesem Aspekt wird nachvollziehbar, dass pauschale Aussagen, wie sie nun teilweise propagiert werden, keinesfalls zutreffend sein können.

Grundsätzlich sind Forderungen aus Lieferungen und Leistungen mit dem Nennwert in der Bilanz anzusetzen. Aus dem handelsrechtlichen Niederstwertprinzip ergibt sich die Verpflichtung, etwaige Wertminderungen von Forderungen gewinnmindernd zu erfassen. Entscheidend für eine gewinnwirksame Teilwertabschreibung der Forderung ist demnach alleinig die Annahme einer dauerhaften Wertminderung der in Rede stehenden Forderung.

Eine dauerhafte Wertminderung liegt insbesondere bei der Uneinbringlichkeit einer Forderung vor. Uneinbringlich ist eine Forderung, wenn erkennbar davon auszugehen ist, dass die Forderung nicht mehr beglichen wird. Dies kann sich insbesondere aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergeben.

Ob dies im Fall der Insolvenz von AvP der Fall ist, kann ebenfalls nicht pauschal beantwortet werden, da die hier vorliegenden AGBs sowie vereinzelte von den AGBs abweichende Individualvereinbarungen zu unterschiedlichen Ergebnissen in der rechtlichen Beurteilung der zu bewertenden Forderungen führen können. Sofern Aussonderungsrechte gegeben sind, ist eine vollständige Uneinbringlichkeit der Forderung sicherlich nicht annehmbar. Aus den bisherigen Äußerungen des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es jedoch unklar, ob solche Aussonderungsrechte tatsächlich vorliegen.

Auf eine möglicherweise ausgesonderte Forderung könnte jedoch zur Berücksichtigung des teilweisen Ausfallrisikos eine Teilwertabschreibung infrage kommen. Die mögliche Höhe einer solchen Teilwertabschreibung ist im Einzelfall individuell zu entscheiden. Sofern es sich um Massenforderungen handelt, spricht einiges dafür, dass eine Abschreibung der Forderung auf die üblichen Insolvenzquoten von drei bis fünf Prozent aufgrund von Uneinbringlichkeit vorgenommen werden kann. Es bleibt demnach auch hier festzuhalten, dass eine Entlastung der finanziellen Belastung durch Anpassung bzw. Herabsetzung von Steuervorauszahlungen in der Einkommensteuer und Gewerbesteuer nur nach Betrachtung und Beurteilung des jeweiligen Einzelfalles erfolgversprechend beantragt werden kann. |

Autoren

Theo Clotten, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht

 


 

Niko Hümmer, Steuerberater und Dipl.-Finanzwirt (FH)

Dr. Schmidt und Partner, Koblenz/Dresden

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