Interpharm online 2020

Sinnvoll kombiniert

Evidenzbasierte Beratung bei Kopfschmerzen

gc | Mit 86 Prozent sind Spannungskopfschmerzen und Migräne die häufigsten Kopfschmerzarten in Deutschland. Auf diese beiden Arten fokussierte sich daher auch Dr. habil. Thomas Weiser, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, in seinem Vortrag auf der Interpharm online. Beide Kopfschmerzformen sollte der Apotheker unterscheiden können, um in der Beratung die richtigen Präparate auszuwählen.
Foto: Sanofi-Aventis

Dr. habil. Thomas Weiser

Dabei betonte Weiser, dass besonders die Unterscheidung in chronisch und nicht chronisch bei Spannungskopfschmerzen und Migräne wichtig sei, da chronische Formen kein Fall für die Selbstmedikation in der Apotheke sind. Die Grenzen der Selbstmedikation (Red Flags) gelte es zu beachten. So sei unter anderem immer ein Arztbesuch notwendig bei Kopfschmerzen mit täglichem oder fast täglichem Auftreten (Schmerzen >10 Tage pro Monat länger als > 3 Monate). Fehlten Krite­rien, die gegen eine Selbstmedikation sprechen, sei diese im Umkehrschluss sinnvoll und angemessen, hob Weiser hervor.

Unterschiedliche Wirkstoffe ausprobieren

Eine Vielzahl von Schmerzmitteln unterschiedlicher Wirkstoffklassen sind bei Kopfschmerzen und Migräne wirksam. Eingesetzt werden in der Selbstmedikation vor allem Triptane (bei Migräne), Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Paracetamol, teilweise in Kombination mit Coffein. So komplex die Schmerzentstehung ist, so verschieden sind die Wirkmechanismen dieser eingesetzten Substanzen. Acetylsalicylsäure und Ibuprofen hemmen die Cyclooxygenase, Paracetamol greift in das dopaminerge, noradrenerge und serotonerge System sowie in das Endo-Cannabinoid-System ein, Coffein fungiert als Antagonist von Adenosin-Rezeptoren des schmerzsensorischen Systems und Triptane (bei Migräne) stellen Serotonin-Rezeptor-Agonisten dar. „Ob ein Mittel wirklich hilft, kann niemand vorhersagen. Man muss es ausprobieren, denn das Ansprechen auf unterschiedliche Wirkstoffe ist höchst individuell“, so Weiser.

ASS + Paracetamol + Coffein

Daher ist es nach Weiser auch sinnvoll, mehrere Wirkstoffe und Wirkprinzipien zu kombinieren. Seiner Meinung nach lässt sich dadurch eine bessere Wirkung erzielen. Dass Kombinationsmittel nachgewiesen gut wirksam und verträglich sind, zeigt auch die evidenzbasierte Empfehlung für die Behandlung akuter Spannungskopfschmerzen und Migräne der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG).

Sie führt in ihrer S3-Leitlinie als Mittel der ersten Wahl die Kombination aus ASS, Paracetamol und Coffein mit hervorgehobener Empfehlung auf Basis analysierter Vergleichsstudien auf. Zudem betonte Weiser, dass die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Behandlung von (Migräne-)Kopfschmerzen mit der Dreierkombi am höchsten sei und bezog sich dabei auf Daten einer Metaanalyse aus dem Jahre 2017. Demnach stünde eine Behandlungsmöglichkeit mit einem OTC-Schmerzmittel zur Ver­fügung, das ähnlich gut wirke als das verschreibungspflichtige Sumatriptan (100 mg), aber bei besserer Verträglichkeit.

Coffein als Co-Analgetikum

Zum Ende seines Vortrags ging Weiser ausführlich auf den Kombinationspartner Coffein ein. Er erwähnte mehrere Studien, in denen Coffein-Kombis eine stärkere Wirkung und höhere Responderrate aufwiesen als Analgetika ohne Coffein. So auch beispielhaft in einer Akutschmerzstudie aus dem Jahre 2018, in der Coffein als Co-Analgetikum bei einem höheren Anteil der Patienten zu einer schnelleren und stärkeren Schmerzlinderung als Ibuprofen alleine führte. Die erforderliche Dosis lag bei 100 mg bis 130 mg Coffein. Eine Ibuprofen-Coffein-Kombi bewies ihre Überlegenheit auch im Vergleich mit schnell-frei­setzendem Ibuprofen-Lysinat. Zwar konnte Ibuprofen-Lysinat auf nüchternen Magen (>10 Stunden nichts gegessen) schneller im Blut anfluten als die Ibuprofen-Coffein-Kombination. Allerdings erreicht die Kombination nach einem Frühstück – und damit bei realistischeren Bedingungen – höhere maximale Plasmaspiegel als das Ibuprofen-Lysinat.

Fazit: Nach Weiser sind OTC-Analgetika bei bestimmungsgemäßem Gebrauch sehr gut verträglich. Das Risiko für einen Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz ist bei Coffein-haltigen Analgetika nicht höher als bei solchen ohne Coffein. Eine Coffein-Abhängigkeit existiert nicht und somit machen auch Analgetika-Coffein-Kombis nicht abhängig. Damit stehen dem Apotheker mit diesen Kombipräparaten bei seiner Beratung Schmerzmittel zur Verfügung, die die höchste Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Behandlung bieten. |

 

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