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Arzneimittel und Therapie
Überflüssige Thrombosestrümpfe?
Nach operativen Eingriffen könnte eine Prophylaxe mit niedermolekularen Heparinen reichen
Tiefe Venenthrombosen und ihre möglichen Folgen stellen global gesehen ein großes Problem für die Gesundheit chirurgischer Patienten dar. Aktuell empfehlen viele Leitlinien eine kombinierte Prophylaxe. Die klinische Praxis und die Pharmakotherapie haben sich deutlich weiterentwickelt, die Häufigkeit von TVT ist gesunken. Es stellt sich die Frage, ob Daten, die deutlich älter als 20 Jahre sind, wirklich noch Grundlage für heutige Empfehlungen sein können. Daher ist ein Team um Joseph Shalhoub der Frage nachgegangen, ob eine alleinige Gabe von NMH bei Patienten, die ein mittleres bis hohes Risiko für TVT nach geplanten Operationen hatten, zu gleichen Ergebnissen kommt wie die Kombination mit Thrombosestrümpfen [1].
Die Studie wurde an sieben Kliniken des National Health Service durchgeführt. Sie war als offene, randomisierte, kontrollierte Nichtunterlegenheitsstudie angelegt. 937 Patienten erhielten nur NMH, 921 NMH plus Thrombosestrümpfe (18 mmHg am Knöchel). Es wurden nur Patienten mit mittlerem (16%) und hohem (84%) Risiko für TVT eingeschlossen. Primäre Endpunkte waren asymptomatische und symptomatische TVT sowie Lungenembolien. Außerdem wurden Endpunkte wie die Compliance und Komplikationen durch NMH oder Strümpfe beobachtet. Die Nachbeobachtung erfolgte initial, 7 bis 14 Tage und 90 Tage nach der Operation, außerdem bei Bedarf. TVT traten in der NMH-Gruppe bei 16 / 937 Patienten (1,7%) und bei 13 / 921 Patienten (1,4%) der Gruppe mit NMH und Strümpfen auf. Der Risiko-Unterschied lag bei 0,3% (KI 95%). Um die Nicht-Unterlegenheit festzustellen, war zuvor ein Wert von 3,5% (p < 0,001) festgelegt worden, der unterschritten wurde. Subgruppenanalysen für < 65 Jahre und ≥ 65 Jahre, differenziert nach TVT-Risiko, deuten in die gleiche Richtung. Danach ist eine Thromboseprophylaxe nur mit NMH einer kombinierten Prophylaxe mit Stützstrümpfen nicht unterlegen.
Die Autoren sprechen zwei Schwachpunkte an. Zum einen wurden bei 15,1% der Teilnehmer keine Doppler-Ultraschall-Untersuchungen durchgeführt. Allerdings würde hier nur ein Fehler von einem nicht detektierten asymptomatischen TVT-Fall pro Gruppe resultieren. Zum anderen sind gerade in der Subpopulation der ≥ 65-Jährigen 84% nach britischem Risikoscore bzw. 66% nach internationalem Caprini-Score Hochrisikopatienten für venöse Thrombosen. Die Patienten dieser Altersgruppe mit nur mittlerem Risikoscore erscheinen daher in der Studie unterrepräsentiert. Für die letzten 14 Monate der Studie wurden die Einschlusskriterien geändert, da die Fallzahl an venösen Ereignissen so niedrig war, dass anderenfalls keine Auswertung möglich gewesen wäre. Ab diesem Zeitpunkt wurden in Abstimmung mit dem Studien-Komitee in der angesprochenen Subgruppe nur noch Patienten mit hohem Risiko rekrutiert.
Es gibt weitere Studien, z. B. bei Schlaganfall-Patienten [2], deren Ergebnisse ebenfalls dafür sprechen, dass Strümpfe verzichtbar sein könnten. Die Autoren empfehlen, weitere Studien z. B. nach Operationen mit Gelenkersatz oder Notfalleingriffen durchzuführen und die aktuellen Leitlinien kritisch zu betrachten und zu überarbeiten. |
Literatur
[1] Shalhoub J et al. Graduated compression stockings as adjuvant to pharmaco-thromboprophylaxis in elective surgical patients (GAPS study): randomized controlled trial. BMJ 2020;369:m1309
[2] Sanderock D M et al. Effectiveness of thigh-length graduated compression stockings to reduce the risk of deep vein thrombosis after stroke (CLOTS trial 1): a multicenter, randomized controlled trial. Lancet2009;373:1958-1965
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