Arzneimittel und Therapie

Antibiotika oder Operation?

Eine unkomplizierte Blinddarmentzündung muss nicht zwingend ein Fall für den Chirurgen sein

Eine initiale konservative Therapie der unkomplizierten Blinddarmentzündung mit Antibiotika führte bei einer großen Zahl der behandelten Kinder in einer amerikanischen Studie zur Heilung. Im Vergleich zum chirurgischen Eingriff verursachte die nichtoperative Intervention signifikant weniger Krankheitstage und eine erhöhte Lebensqualität. Trotzdem fiel die Studie negativ aus. Wie kann das sein?

Eine Blinddarmentzündung stellt die häufigste Indikation für einen chirurgischen Eingriff im Bauchraum dar, sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen [1]. Trotz sehr guter Heilungsaussichten geht die operative Blinddarmentfernung mit Risiken einher. Vergangene Untersuchungen zeigten, dass eine Antibiotikatherapie bei unkomplizierten Fällen eine mögliche Alternative zum chirurgischen Eingriff darstellen könnte [2, 3]. In einer nichtrandomisierten Studie an mehreren Kinderkrankenhäusern im Mittleren Westen der USA wurde dieser Frage nun nachgegangen [4]. 1068 junge Patienten im Alter von zehn bis 17 Jahren und deren Familien konnten sich für eine der beiden Maßnahmen entscheiden: Konservative Antibiotikatherapie oder chirurgische Appendektomie. Teilnehmer der nichtoperativen Intervention bekamen intravenös für mindestens 24 Stunden Piperacillin/Tazobactam, 2 g/0,25 g (300 mg Piperacillin/kg/d und höchstens 13,5 g/d) oder im Falle einer Penicillin-Allergie Ciprofloxacin (30 mg/kg/d und höchstens 1200 mg/d) und Metronidazol (30 mg/kg/d und höchstens 500 mg pro Dosis) verabreicht. Verbesserte sich die Symptomatik, so begannen die Patienten nach zwölf Stunden wieder, Nahrung zu sich zu nehmen. Nach einem Tag wurden sie auf orale Antibiotika umgestellt und nach Hause entlassen, wo sie die Behandlung für eine Woche fortsetzten. Im Falle, dass sich der Zustand der Patienten nach parenteraler Antibiotikagabe nicht änderte oder gar verschlechterte, wurde unverzüglich eine Appendektomie eingeleitet. Betroffene wurden dann der chirurgischen Interventionsgruppe zugeführt. Rezidive während des einjährigen Studienzeitraums wurden generell chirurgisch versorgt. Die Blinddarmentfernung erfolgte standardmäßig minimalinvasiv.

Foto: Yevhenii – stock.adobe.com

Diagnose Blinddarmentzündung. Operieren oder abwarten und erst einmal eine antibiotische Therapie einleiten? In unkomplizierten Fällen kann Abwarten eine Option sein.

Zwei Drittel benötigen keine OP

Bei Untersuchung nach einem Jahr waren 67,1% der konservativ behandelten Patienten erfolgreich geheilt und benötigten keine chirurgische Appendektomie. Im Vergleich mit operierten Studienteilnehmern waren sie weniger Tage krankgeschrieben (6,6 statt 10,9 Tage, p < 0,001) und punkteten einen Monat nach Therapiebeginn höher auf dem erhobenen Quality-of-Life-Score (p = 0,002). Die Behandlung führte zudem nicht zu einer höheren Rate an komplizierten Appendizitiden und verhinderte die Entfernung eines gesunden Blinddarms im Rahmen der chirurgischen Intervention. Die Quote solcher Negativ-Appendektomien war mit 7,5% nicht unerheblich. Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse verfehlten die Autoren ihr selbst gestecktes Ziel. Anlehnend an die Empfehlungen der Chirurgen legten sie vor Studienbeginn eine Erfolgsrate von 70% fest, um die Zustimmung und Teilnahme aller Zentren sicherzustellen. Die Patienten und deren Familien sowie Hausärzte akzeptierten hingegen schon eine 50-prozentige Erfolgsaussicht als ausreichend. Berücksichtigte man diesen patientennahen Schwellenwert, wäre die Studie erfolgreich ausgegangen. Welche Sichtweise zählt nun? Um die Sicherheit und Wirksamkeit der nichtchirurgischen Therapie zu gewährleisten, definierten die Wissenschaftler sehr enge Einschlusskriterien. Nur 19,3% aller Appendizitis-Patienten kamen demnach überhaupt für diese Studie infrage. ­Zudem erschienen nur gut drei Viertel aller Teilnehmer zur Nachuntersuchung. Trotz der dadurch eingeschränkten ­Generalisierbarkeit und dem negativen Ausgang demonstriert diese Studie das Potenzial einer konservativen Therapie der unkomplizierten Blinddarmentzündung. Es fehlen gewiss noch weitere Untersuchungen. Der Nutzen der Antibiotikatherapie könnte durch eine ambulante Behandlung noch erhöht werden. |

Literatur

[1] Owing MF. Ambulatory and Inpatient Procedures in the United States. National Center for Health Statistic 1998.

[2] Salminen P et al. Antibiotic therapy vs appendectomy for treatment of uncomplicated acute appendicitis: the APPAC randomized clinical trial. JAMA 2015;313:2340-2348

[3] Salminen P et al. Five-Year Follow-up of Antibiotic Therapy for Uncomplicated Acute Appendicitis in the APPAC Randomized Clinical Trial. 2018;320:1259-1265

[4] Minneci PC et al. Association of nonoperative management using antibiotic therapy vs laparoscopic appendectomy with treatment success and disability Days in children with uncomplicated appendicitis. JAMA. 2020;324:581-593

Apotheker Tony Daubitz

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