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Praxis

Legal und erstrebenswert?

Suchtmittelanalysen in den Apotheken als bezahlte pharmazeutische Dienstleistung

Dealer verteilen keine Beipack­zettel, daher müssen Drogenkonsumenten auf derartige Verbraucherinformationen verzichten, wenn sie illegal hergestellte und auf dem Schwarzmarkt gehandelte Substanzen erwerben. Doch Konsumenten illegaler Drogen sind an möglichst gleichbleibender Drogenqualität interessiert, um unerwünschte Wirkungen auszuschließen. Kommen öffentliche Apotheken infrage, um an sogenannten Drug-Checking-Projekten teilzunehmen oder machen sich Apotheker dabei sogar strafbar? | Von Gabriele Manheller

Bei der Strategie des Drug-Checkings geht es darum, durch chemische Analyse illegal erworbener psychotroper Substanzen Informationen über Qualität und bestenfalls Quantität der Inhaltsstoffe zu gewinnen. Die Analysenergebnisse werden dann an die potenziellen Konsumenten weitergegeben, damit diese über die Zusammensetzung der Droge informiert sind. Sie können dann die Droge einschätzen und bei der Einnahme die Dosierung besser steuern. Drug-Checking wird als Instrument der Prävention eingesetzt und hat die Verhinderung bzw. Minimierung der Gefahren, die in Zusammenhang mit Drogengebrauch stehen, als Ziel [1].

Ziel: risikofreier Konsum?

In falscher Sicherheit wägen können sich Konsumentinnen und Konsumenten allerdings nicht. Denn ein Drogenkonsum ist in vielerlei Hinsicht schädlich. Ein risikofreier Konsum kann somit nicht das Ziel des Drug-Checkings sein, lediglich eine Risikominimierung (Harm Reduction), wenn die Analyse mit einem guten Beratungsangebot gekoppelt ist [2]. Natürlich wird Drogenkonsum trotz Substanzanalyse weiterhin stattfinden. Doch sinnvollerweise geschieht dies mit einer größtmöglichen Information für die Konsumenten. Ferner bietet Drug-Checking zusätzlich die Chance, das Konsumprofil, das Abhängigkeitsrisiko und den Gesundheitszustand der Konsumenten zu erörtern. Der Verdacht, dass Drug-Checking zu einem höheren Konsum führt, konnte bislang nicht belegt werden.

Projekte umstritten und nicht unkompliziert

Trotzdem ist Drug-Checking in Deutschland umstritten, da politische und gesellschaftliche Vorbehalte existieren. Häufig müssen rechtliche Ausnahmeregelungen getroffen werden, bevor ein Drug-Checking-Projekt beginnen kann. Denn der Erwerb, der Besitz und die Abgabe von Betäubungsmitteln und weiteren Substanzen ist hierzulande und in vielen europäischen Ländern strafbar. Ein Konsument oder ein Beauftragter, der unbekannte Stoffe zu einer Drogenberatungsstelle zur Untersuchung bringt, könnte im Verdacht stehen, Betäubungsmittel ohne eine nach § 3 BtMG erforderliche Erlaubnis erworben zu haben und abzugeben. Ferner stellt die Entgegennahme, die Aufbewahrung, Untersuchung und Weiterleitung von Betäubungsmitteln durch Drogenberater einen Verstoß gegen § 29 Abs.1 BtMG dar, da diese in der Regel keine Erlaubnis nach § 3 BtMG erteilt bekommen haben [3].

In Deutschland führte in den 1990er-Jahren der Suchthilfeverein Eve & Rave in Berlin das erste Drug-Checking auf Partys durch. Dieses musste nach polizeilichen Ermittlungen wieder eingestellt werden. Die Angeklagten wurden zwar freigesprochen. Damals gab das Bundesgesundheitsministerium jedoch an alle staatlichen Labore die Weisung, keine Proben mehr von zivilen Organisationen anzu­nehmen.

Aktuell scheint sich die Stimmung im Bundesgesundheitsministerium zu ändern. Die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) hatte sich offen dafür gezeigt, Checks von Partydrogen als mögliches Instrument der Suchtpolitik deutschlandweit zu prüfen. „Drug-Checking ist eine Möglichkeit der Schadensminimierung und des Gesundheitsschutzes, die wir genauer in den Fokus nehmen müssen“, sagte die CSU-Politikerin nach dem Besuch bei einem Drug-Checking-Projekt im österreichischen Innsbruck [4]. Darauf habe sie sich mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verständigt. Sie regte an, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Drug-Checking-Projekte grundsätzlich genehmigen soll. Dr. phil. Bernd Werse vom Centre for Drugs Research an der Goethe-Universität Frankfurt am Main erklärt gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt: „Drug-Checking ist gerade in den letzten Jahren nötiger denn je geworden: Die Wirkstoffgehalte in Ecstasy-Tabletten haben sich deutlich erhöht und schwanken stark. Zudem tauchen immer wieder Drogen auf, die toxische Syntheseprodukte oder unerwartete Wirksubstanzen enthalten“ [4]. Bereits offiziell angeboten und etabliert sind Drogenanalysen in vielen europäischen Nachbarländern wie in Österreich, Spanien, Frankreich, Belgien, der Schweiz und den Niederlanden. Sie haben dort gute Ergebnisse gezeigt in der Form, dass fast keine Todesfälle mehr auftraten im Zusammenhang mit verunreinigten Drogen.

Die Rolle der Apotheken

Und wie ist die aktuelle Rechtslage bei Apotheken in Deutschland? Als niedrigschwellige Anlaufstelle werden sie möglicherweise von potenziellen Drogenkonsumenten als Annahmestelle von Drogen zu Analysezwecken wahrgenommen! Dürfen Apotheken überhaupt Betäubungsmittel und sogar Rauschmittel wie Kokain, Lysergsäurediethyl­amid (LSD), Metamphetamin (Crystal Meth) annehmen ohne sich strafbar zu machen? Ja, sie dürfen: Die verwaltungsrechtlichen Regelungen des BtMG erlauben nach § 4 Abs. 1 Satz 1e im Rahmen des Betriebs einer Apotheke die Annahme von den in den Anlagen I bis III bezeichneten Betäubungsmitteln, wenn diese zur Untersuchung bzw. zur Weiterleitung an eine zur Untersuchung von Betäubungsmitteln berechtigte Stelle oder zur Vernichtung im Rahmen des Apothekenbetriebs entgegengenommen werden. Im Rahmen des Betriebes einer Apotheke bedarf es also keiner weiteren Erlaubnis, da für Apotheken bereits die Durchführung von Substanzanalysen gesetzlich erlaubt ist.

Diese gesetzliche Befreiung von der Erlaubnispflicht bezieht sich nur auf den Betrieb einer öffentlichen Apotheke oder einer Krankenhausapotheke. Sie bezieht sich nicht auf die Person des Apothekers. Außerdem gilt: Ambulante Betäubungsmitteluntersuchungen, die von Apothekern oder Apothekerinnen außerhalb der Apothekenbetriebsräume durchgeführt werden, wie beispielsweise auf Festivals, in Clubs oder Diskotheken, bedürfen ebenfalls einer Erlaubnis des BfArM. Für sie gilt aus zulassungsrechtlicher Sicht die allgemeine Apothekenerlaubnis nicht. Damit entfällt zugleich der Ausnahmetatbestand des BtMG. Eine solche Erlaubnis kann vom BfArM erteilt werden, wenn die Substanzanalysen im öffentlichen Interesse liegen oder ein Forschungsprojekt durchgeführt wird [5].

Wie könnten Apotheken nun weiter vorgehen, wenn sie Substanzen zur Drogenanalyse entgegennehmen? Eine zur Asservatuntersuchung berechtigte Stelle, an die Proben mit primär unbekannten Substanzen von der öffentlichen Apotheke weitergeleitet werden können, ist das analytische Speziallabor in der Apotheke der LVR-Klinik in Viersen. Es ist apparativ sehr gut ausgestattet, u. a. mit hochwertigen chromatographischen und massenspektrometrischen Geräten (HPLC und GC-MS bzw. LC-MS-Anlagen). Jürgen Sawatzki, Leiter der Krankenhausapotheke Viersen und Fachapotheker für Toxikologie und Ökologie, erklärt im Interview mit der DAZ, dass das Labor seit ca. 1995 seine Dienstleistungen über die Apothekerkammern anbietet. Mit seinem Team hat er über viele Jahre umfangreiche Kenntnisse auf dem Gebiet der instrumentellen Analytik zum Nachweis von Arznei- und Suchtstoffen erworben und verfügt über einen großen Erfahrungsschatz in der Asservatanalytik. „Die Zahl der Untersuchungen hängt stark davon ab, ob die Drogenproblematik in den Medien angesprochen wurde. In der Bevölkerung gibt es immer Nachfragen zur Drogenanalyse und oft wissen die Interessierten nicht, wo sie die Analytik beauftragen können. Wir machen keinerlei Werbung dafür,“ so Jürgen Sawatzki. Kapazitätsprobleme sieht er jedenfalls nicht, sollten öffentliche Apotheken verstärkt das Spezial­labor zur Asservatanalyse in Anspruch nehmen.

Serviceleistung Asservatanalyse

Angaben zur Reinheit und zum Gehalt der Proben werden dort in der Regel allerdings nicht gemacht. Apotheken erhalten nach ungefähr einer Woche per Post das Ergebnis. Die Apothekenmitarbeiter unterliegen dabei gegenüber ihren Kunden der Schweigepflicht und müssen „positive“ Ergebnisse nicht der Polizei melden. Für weitere Rückfragen der Apotheke kann jederzeit das Speziallabor kontaktiert werden. Die Kosten belaufen sich auf 25 Euro pro Analyse. Die Rechnungsstellung an die Apotheke erfolgt zusammen mit dem Analysenergebnis. Zwar können auch Privatpersonen Proben einsenden, allerdings nur gegen Vorkasse. Aus Sicht der Labormitarbeiter empfiehlt es sich, die Proben über die öffentliche Apotheke zu versenden, damit die Ergebnisse dem Konsumenten auch erklärt werden können. Nach der Untersuchung werden die Proben mit konzentrierter Schwefelsäure und anschließender Neutralisation sachgerecht vernichtet.

Die Serviceleistung Asservatanalyse sollte laut Sawatzki den Fachapothekern für Toxikologie und Ökologie vorbehalten bleiben, da diese über umfangreiches Fachwissen und analytische Kenntnisse verfügen. „Es wäre schön, wenn mehr Apothekerinnen und Apotheker diese Fachweiterbildung machen würden, aber das geht nicht in der öffentlichen Apotheke“, denn dort gibt es seines Wissens keine einzige Weiterbildungsstätte.

Hinzu kommt, dass es für öffentliche Apotheken mit ihren nur begrenzten analytischen Methoden schwierig ist, Drogenanalysen selbst zu erstellen. Für aussagekräftige Ergebnisse bedarf es einer hochwertigen instrumentellen Analytik, die öffentliche Apotheken nun einmal nicht vorweisen können. Viele Apotheken verfügen zwar mittlerweile über ein Nahinfrarot (NIR)-Gerät, das zum Identitätsnachweis von Ausgangsstoffen genutzt wird. Der Nachweis erfolgt durch Abgleich mit validierten Referenzspektren, die gerätespezifisch vom Hersteller in einer Datenbank hinterlegt wurden. Sicherlich enthalten diese Datenbanken jedoch keine Spektren von illegalen Substanzen, so dass ein NIR-Spektrometer nur unzureichend in der Drogenanalyse eingesetzt werden könnte. Nachweise mit nasschemischen Methoden, beispielsweise mit der sog. „Marquis-Reagenz“ (enthält Schwefelsäure und Formaldehyd) mit der man gruppenspezifische Reaktionen aufzeigen kann, sind höchstens zum „Vorscreening“ geeignet, lassen jedoch eindeutige Stoffaussagen nicht zu. Der öffentlichen Apotheke fehlen also Möglichkeiten, reproduzierbare Ergebnisse durch Anwendung valider Methoden darzustellen.

Foto: imago images/Klaus Martin Höfer

Drug-Checking-Projekte mit Apotheken – nach Ansicht des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) sollen Drogenanalysen und Beratungs­gespräche honoriert werden.

Reinheitsprüfungen – die Zukunft für Apotheken?

Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V. (BPhD) möchte dennoch einen Schritt weitergehen. Er fordert Reinheitsprüfungen von Suchtmitteln als bezahlte pharmazeutische Dienstleistung in öffentlichen Apotheken anzubieten, die von den gesetzlichen Krankenkassen mit­finanziert werden sollen. „Durch geringere Kosten für das Gesundheitssystem, die sich aus einem verantwortungsvolleren Umgang mit Drogen und einem sicheren Konsum bedingt durch Drug-Checking ergeben, halten wir es für sinnvoll, dass der Spitzenverband der Krankenkassen die Kosten für solche Projekte übernimmt. Auch die privaten Krankenversicherungen sollen an solchen Projekten beteiligt werden.“ Es soll sowohl die Drogenanalyse als auch das Beratungsgespräch honoriert werden. Dazu sei es erforderlich, öffentliche Apotheken in Drug-Checking-Projekte mit einzubinden. Zusammen mit psychologischem Fachpersonal, Sozialarbeiterinnen und -arbeitern, Ärztinnen und Ärzten könnten Apothekerinnen und Apotheker ihre analytischen und pharmakologischen Kenntnisse sowie die Kompetenzen der qualifizierten Beratung einbringen. Sie erhielten die Chance auf eine interprofessionelle Zusammenarbeit und könnten ihre gesellschaftliche Position stärken. Die flächendeckend hohe Zahl an Apotheken stelle eine niedrige Hürde für Konsumenten und Konsumentinnen dar, Drug-Checking-Angebote über die öffentliche Apotheke anzunehmen. Damit Pharmazeuten qualitativ hochwertige und fachgerechte Drogenberatungen durchführen können, sei eine Ausweitung der Weiterbildung zum Fachapotheker für Toxikologie und Ökologie oder eine zusätzliche Spezialisierungsmöglichkeit für pharmazeutisches Personal sinnvoll. Um den Beratungsbedarf flächendeckend und vor Ort anbieten zu können, z. B. auch um bei Großveranstaltungen oder Festivals präsent zu sein, hält der BPhD die Einrichtung mobiler Analysestationen für angebracht. Im Zuge dessen wäre vom Gesetzgeber eine gesetzliche und ordnungsrechtliche Anpassung notwendig, dass Apothekerinnen und Apotheker Drug-Checking auch außerhalb der Apothekenbetriebsräume durchführen können, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen [6].

Die Forderung des BPhD zeigt, dass sich Apotheken zukünftig sehr vielfältig weiterentwickeln sollten. Mit Blick auf die heutige Apothekendichte erscheint eine weitere Zunahme der Apothekenanzahl als unwahrscheinlich und die wirtschaftliche Situation der Apotheken wird voraussichtlich schwieriger werden. Um sich im Apothekenmarkt behaupten zu können, sind daher kreative Lösungen und innovative Ideen der einzelnen Apotheken gefragt. Es gibt schon heute Apotheken mit unterschiedlichen Ausprägungen je nach Standort, die nebeneinander existieren können. Die Palette der am Markt anzutreffenden Apothekentypen wird sich wohl erweitern und Apotheken mit Schwerpunkten werden sich etablieren. Ein individuelles Serviceangebot z. B. in Form von besonderen Dienstleistungen wie Drogenanalysen oder -beratungen kann je nach Standort eine gute Entscheidung sein. Daher ist der Vorschlag des BPhD grundsätzlich innovativ und richtig. Es wird von den Apothekerinnen und Apothekern zu Recht erwartet, dass sie sich auch außerhalb der Apotheke einsetzen und sozialpharmazeutisch wichtige Projekte unterstützen. Dabei wird die Kooperation mit anderen Heilberufen zukünftig sicher noch eine große Rolle spielen. Der Berufsstand der Apothekerinnen und Apotheker muss sich seiner Stärken wieder bewusst werden. Der Gesellschaft sollte vermittelt werden, dass die Aufgaben der Pharmazeuten im Gesundheitssystem nicht ersetzbar sind und deren Arzneimittelkompetenzen anerkannt und angemessen honoriert werden müssen. |

Literatur

[1] Drogenanalysen (Drug-Checking) im Rahmen von Monitoring – Neue Wege der Prävention und Drogentrendforschung im Bereich „neuer synthetischer Drogen“. Wiener Zeitschrift für Suchtforschung 2001;(24)Nr. 1:30

[2] Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V. (BPhD) Positionspapier Reinheitsprüfungen von Suchtmitteln 2020: 4

[3] Körner H. Die Zulässigkeit von Drug-Checking. http://eve-rave.net/download 1997:4,6

[4] Bühring P. Drug-Checking: Im Zweifel lebensrettend. aerzteblatt.de 2020;5:201

[5] Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V. (BPhD) Positionspapier Reinheitsprüfungen von Suchtmitteln 2020:4

[6] Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V. (BPhD) Positionspapier Reinheitsprüfungen von Suchtmitteln 2020:5-6

Autorin

Gabriele Manheller, Apothekerin, Amtsapothekerin im Kreis Düren (NRW), regelmäßige Vertretungstätigkeiten inkl. Notdienste in Apotheken

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