Pandemie Spezial

„Gurgeln und spülen - jeden dritten Tag!“

Prophylaktische Schleimhautdesinfektion soll gegen COVID-19 helfen

du | Im Kampf gegen COVID-19 spielen Hygienemaßnahmen wie die Händedesinfektion eine wichtige Rolle. Doch zunehmend rücken Mund- und Nasenpräparate in den Fokus, die SARS-CoV-2 abtöten und/oder am Eindringen in die Zellen hindern sollen. Ist eine solche Prophylaxe sinnvoll? Und wenn ja, wie und womit sollte sie sinnvollerweise durchgeführt werden? Darüber haben wir mit dem Berliner Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, Prof. Dr. Klaus-Dieter Zastrow gesprochen. Zu seinen Schwerpunkten zählt unter anderem die Beratung des Personals in Kliniken in Fragen der Krankenhaushygiene und der persönlichen Infektions­prophylaxe.
Foto: privat
Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Zastrow leitet zurzeit die Krankenhaushygiene des Klinikums Ernst von Bergmann in Potsdam. Zuvor war er Chefarzt am Hygiene-Institut der Regiomed-Kliniken, davor hat er das Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Vivantes-Kliniken Berlin geleitet. Von 1987 bis 1995 war er am Bundesgesundheitsamt/Robert Koch-Institut unter anderem Vorsitzender der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention sowie Geschäftsführer der ständigen Impfkommission des Bundesgesundheitsamtes.

DAZ: Herr Professor Zastrow, gibt es Mund- und/oder Nasenspüllösungen, die prinzipiell geeignet sind, das Eindringen von SARS-CoV-2 über die Mund- und Nasenschleimhaut zu verhindern oder zu reduzieren? Wenn ja, welche sind das?

Zastrow: Die Erreger von COVID-19 werden unter anderem über die Mund- und Nasenschleimhaut aufgenommen und gelangen in den Rachen. Dort verbleiben sie zunächst, um sich zu vermehren. Wenn sie eine bestimmte Menge (die auch die Virologen nicht kennen) erreicht haben, verlagern sie sich schlagartig in die Lunge. Die mittlere Inkubationszeit wird in den meisten Studien mit ca. fünf bis sechs Tagen angegeben. Das Robert Koch-Institut schätzt das serielle Intervall für SARS-CoV-2 im Median auf vier Tage (Interquartilsabstand: 3 – 5 Tage). Bis dahin sind die Viren auf der Rachenschleimhaut noch gut erreichbar, was auch durch die Erfassung der ­Viren per Rachen-abstrich für die PCR nachgewiesen ist. Das Eindringen von SARS-CoV-2 über die Mund- und Rachenschleimhaut lässt sich mit Schleimhautdesinfektionsmitteln verhindern oder reduzieren. Deshalb empfehle ich als Corona-Prophylaxe eine Spülung mit einem Schleimhautdesinfektionsmittel jeden 3. Tag für ca. 1 Minute. Ungeeignet sind Mundwässer.

DAZ: Welche Schleimhautdesinfizienzien sind denn geeignet?

Zastrow: Geeignet sind PVP-Iod (z. B. Betaisodona®, Braunol®): Haut-, Schleimhaut- und Wundantiseptikum oder Universelle PVP-Iod-Lösung zur Haut-, Schleimhaut- und Wundanti­septik. Der Wirkstoff Povidon-Iod wirkt bakterizid, fungizid, tuberkulozid, protozid und virusinaktivierend. Er ist sowohl unverdünnt als auch verdünnt für Mundspülungen geeignet. Auch eine Spülung der Mund­höhle mit Octenidin (Octenident®) ist möglich. Sie sollte aber nur erfolgen, wenn die gesamte Mundhöhle behandelt werden muss. Dann sind 20 ml über 20 Sekunden zu verwenden. ­Dequaliniumchlorid (Dequonal®, ­Gurgellösung ratiopharm®) wirkt auch, ist aber schlechter verträglich.

DAZ: Wie effektiv sind diese Desinfizienzien?

Zastrow: Es handelt sich um Desinfektionsmittel, die seit Jahren im Einsatz sind und sich als hocheffektiv erwiesen haben! Ich bin überzeugt: Wer gespült und gegurgelt hat, ist praktisch nicht mehr ansteckungs­fähig und wird auch nur mild er­kranken!

DAZ: Gibt es klinische Studien zu dieser Fragestellung?

Zastrow: Zum Teil werden sie durchgeführt, allerdings liegen noch keine Ergebnisse vor, dazu ist die bisherige Zeit zu knapp. Aber meiner Meinung nach sind sie völlig überflüssig, denn die Zulassungskriterien als Schleimhautdesinfektionsmittel sind erfüllt und das schon seit einigen Jahrzehnten (Octenidin 30 Jahre / Povidon-Iod 40 Jahre). Bei Flächen- und Haut­desinfektionsmitteln verlangen wir auch nicht nach klinischen Studien.

DAZ: Ist die prophylaktische Mund­spülung jeden dritten Tag vor dem Hintergrund der bestehenden Datenlage wirklich für alle empfehlenswert?

Zastrow: Ja, die Empfehlung ist ein Muss! Gerade bei der bestehenden Datenlage. Wenn die Politik dies nicht begreift, dann ist das absolut töricht.

Das Virus muss an der Quelle aus­geschaltet werden, und das ist der Mund-Rachen-Raum. Zuzulassen, dass das Virus den Mund-Rachen-Raum verlässt und Millionen Menschen ansteckt, ist dämlich.

DAZ: Was ist bei der Präparateempfehlung zu beachten?

Zastrow: Ich empfehle eine Minute Gurgeln und Mundspülen mit 1 ml Betaisodona plus 1 ml Wasser, und das, wie erwähnt, jeden dritten Tag abends nach dem Zähneputzen.

DAZ: Welche Risiken birgt eine solche Daueranwendung?

Zastrow: Da es sich um eine äußerst geringe Menge handelt und da PVP-Iod nicht resorbiert wird: keine!

DAZ: Sprühen, gurgeln oder sprayen? Was ist vorzuziehen?

Zastrow: Spülen und gurgeln, denn dadurch gelangt das Mittel an schwer zugängliche Stellen.

DAZ: Ihre Empfehlungen beziehen sich auf Mundspülungen. Was ist mit der Nasenschleimhaut? Muss sie auch desinfiziert werden?

Zastrow: Nein, das regelmäßige Desinfizieren der Rachenschleimhaut muss das Ziel sein. Denn da sind die Viren.

DAZ: Neben Schleimhautdesinfektionsmitteln werden derzeit unterschiedliche Nasensprays angepriesen, die die Viren am Eindringen hindern sollen.

Zastrow: Für solche Sprays wird oft damit geworben, dass sie eine Schutzbarriere vor Viren bieten. Aber es wird keine Schutzbarriere gebraucht, sondern eine Inaktivierung. Die wird in den Werbetexten in der Regel nur mit „könnte“ in Aussicht gestellt. Solche Formulierungen versprechen eine Sicherheit, wie „zu Weihnachten könnte es schneien!“.

DAZ: Herr Professor Zastrow, wir danken Ihnen für das Gespräch! |

Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Zastrow

4 Kommentare

Mundspüllösung gegen Corona

von Claudia Bruhn am 04.11.2020 um 9:24 Uhr

"Ich empfehle eine Minute Gurgeln und Mundspülen mit 1 ml Betaisodona plus 1 ml Wasser..." Reicht diese geringe Menge wirklich aus?

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AW: Mundspüllösung gegen Corona

von Susanne Krause am 12.11.2020 um 12:51 Uhr

Ja, das reicht aus.
Es müssen nicht genau 1 + 1 ml sein.
Ich hatte so einige fragen und habe länger mit Prof. Zastrow telefoniert. Er sagt, mit wenig Lösung kann man effektiver gurgeln als wenn man "die Backen voll" hätte.
Er empfiehlt, Spritzer Betaisodona z.B. in ein Schnapsglas, und Schuss Wasser dazu.

Gegensprüchlich

von IJ am 03.11.2020 um 12:14 Uhr

In "Gegen Corona: Besser Sprühen als Gurgeln" hieß es dass Sprühen besser sei als Gurgeln und man mit Gurgeln den Rachen gar nicht ausreichend benetzen kann...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Gegensprüchlich

von Susanne Krause am 12.11.2020 um 12:54 Uhr

Ja genau das frage ich mich auch und werde mich mal schlau machen.

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