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Rechenzentren

Kleingedrucktes mit großen Folgen

Die Klauseln der Apothekenrechenzentren im Überblick

Forderungsabtretung, Factoring, Treuhandkonten und vieles mehr – durch die Insolvenz des privaten Rechenzentrums AvP sind viele zuvor wenig beachtete Aspekte der Rezeptabrechnung zu zentralen Themen für die Apotheker geworden. Doch wie hängen sie miteinander zusammen und wie gehen andere Rechenzentren damit um? Welche wirtschaftlichen Hintergründe haben die juristischen Fragen zu AvP und was lässt sich daraus für Verträge mit anderen Rechenzentren ableiten? Dieser Beitrag zeigt die Zusammenhänge und beschreibt die Rahmenbedingungen bei einigen großen Rechenzentren für Apotheken. | Von Thomas Müller-Bohn 

Als berichtenswerte Aspekte der Rezeptabrechnung galten vor der AvP-Insolvenz die vielen formalen Erfordernisse, die technischen Herausforderungen und die Inkassofunktion für die Herstellerrabatte. Die eigentliche Abrechnung und die Weiterleitung der Gelder schienen selbstverständlich zu sein. Dies erscheint verständlich, weil dabei bis vor einigen Wochen nie Probleme aufgetreten sind. Typische Fragen der Kunden von Rechenzentren richteten sich wohl eher auf die Höhe der Abrechnungsgebühren und die zeitliche Verteilung der Zahlungen an die Apotheken, also auf typische marktwirtschaftliche Maßstäbe. Doch mit dem Kleingedruckten der Verträge war bis vor Kurzem kaum Aufmerksamkeit zu erzielen. Das hat sich grundlegend verändert. Denn von diesem Kleingedruckten wird voraussichtlich abhängen, welche Apotheken wann wie viel Geld von AvP erhalten. Offenbar geht es bei den vermeintlichen Kleinigkeiten durchaus um große Themen. Darum vermittelt die Diskussion über diese Vertragsbedingungen auch den nicht betroffenen Apothekern Einblicke in die Bedeutung dieser Klauseln.

Aussonderungsrechte

Im Zusammenhang mit der AvP-Insolvenz wird viel diskutiert, inwieweit den Apotheken Aussonderungsrechte zustehen. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, wem die bei AvP vorhandenen Vermögenswerte gehören. Wenn Rezepte oder Kontoguthaben Eigentum einer Apotheke sind, müssen sie dieser übergeben werden und dürfen nicht in die Insolvenzmasse fließen. Dies würde der Apotheke zwei Vorteile bringen: Sie bekäme ihr Eigentum vor dem Insolvenzverfahren und müsste sich nicht die Insolvenzmasse mit anderen Gläubigern teilen. Doch ob und in welchen Fällen die Voraussetzungen dafür vorliegen, ist eine komplexe Frage, die möglicherweise erst von Gerichten entschieden wird. Dabei kommt es darauf an, was die Apotheker und das Rechenzentrum miteinander vereinbart haben.

Finanzierungsfunktion

Diese Vereinbarungen beziehen sich nicht nur auf die eigentliche Abrechnung, sondern häufig auch auf Vorschusszahlungen durch das Rechenzentrum. Damit erhält die Apotheke Geld, bevor die Krankenkassen an das Rechenzentrum zahlen, und kann ihrerseits früher ihre Verbindlichkeiten begleichen. Außerdem leisten die Rechenzentren eine Vorfinanzierung für den Herstellerabschlag, weil dabei längere Zahlungsfristen als bei der Rezeptabrechnung der Apotheken mit den Krankenkassen gelten. Beides zusammen ergibt einen erheblichen Finanzierungsbedarf für die Rechenzentren. Daher hängt deren Leistungsfähigkeit von ihren Vereinbarungen mit den Banken ab, insbesondere von der Kreditlinie. Doch welche Verträge ein Rechenzentrum mit den Banken schließen kann, hängt wiederum davon ab, was das Rechenzentrum mit den Apotheken vereinbart hat.

Forderungsabtretungen

Dies betrifft insbesondere die Frage, wer Eigentümer der Forderungen ist, die gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden. Im Zusammenhang mit der AvP-Insolvenz wird intensiv diskutiert, ob die Apotheke ihre Forderungen an AvP abgetreten hat und wann eine solche Forderungsabtretung wirksam ist. Bei einer Forderungsabtretung (auch Zession genannt) gemäß §§ 398 ff. BGB überträgt ein Gläubiger (Zedent, hier: die Apotheke) die Forderung auf einen neuen Gläubiger (Zessionar, hier: das Rechenzentrum). Doch auch wenn der neue Gläubiger gegenüber Dritten als Inhaber der Forderung auftritt, kann er im Innenverhältnis gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger gebunden sein. Das Rechenzentrum kann dann nicht frei über das Geld verfügen, das es für die Rezepte erhalten hat. Eine solche Konstruktion wird als Inkassozession bezeichnet. Einige Juristen interpretieren die AvP-Verträge als eine solche Inkassozession. Dabei gab es offenbar auch Vereinbarungen, nach denen Forderungen bereits in dem Moment abgetreten wurden, in dem das Rezept in der Apotheke eingelöst wurde. Dazu hat der (damals noch) vorläufige Insolvenzverwalter die betroffenen Apotheken jedoch bereits Anfang Oktober informiert, dass AvP keine Rechte mehr an Rezepten geltend machen werde, die sich am Tag der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung noch physisch in den Apotheken befanden.

Factoring

Außerdem wird im Zusammenhang mit AvP immer wieder das Factoring erwähnt. Gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 Kreditwesengesetz (KWG) ist dies „der laufende Ankauf von Forderungen auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff“. Durch dieses Gesetz wird das Factoring als Finanzdienstleistung eingestuft. Unternehmen, die Factoring betreiben, unterliegen daraufhin seit 2009 der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Wer Factoring betreibt, braucht dafür gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG eine schriftliche Erlaubnis der BaFin. Gemäß dem „Merkblatt Factoring“ der BaFin kauft der Factor (also das Unternehmen, das diese Finanzdienstleistung durchführt) beim „echten Factoring“ die Forderungen seines Kunden endgültig an. Damit übernehme er das Ausfallrisiko des Schuldners der angekauften Forderungen. Beim „unechten Factoring“ behalte sich der Factor dagegen vor, die Forderung dem Kunden zurückzubelasten, wenn der Schuldner zahlungsunfähig sei. Als begriffsnotwendige Inhalte des Factorings betont die BaFin die drei zentralen Aspekte der gesetzlichen Definition. Es müsse ein „Ankauf“ von Forderungen stattfinden, dies müsse „laufend“ auf der Grundlage von Rahmenverträgen erfolgen, und dies müsse eine Finanzierungsfunktion haben.

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Ob einzelnen Apotheken Aussonderungsrechte zustehen oder nicht, kann von den Einzelheiten der Vertragsgestaltung mit dem jeweiligen Rechenzentrum abhängen.

Funktion der BaFin

Die Arbeit der BaFin zielt jedoch auf die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems. Für die BaFin kommt es daher darauf an, wie bedeutend das beaufsichtigte Unternehmen für das Finanzsystem ist. Dies ergibt sich auch aus einer Antwort der BaFin auf eine Frage der DAZ, warum die BaFin die Systemrelevanz von AvP mit Blick auf Tausende abrechnende Apotheken nicht erkannt und AvP daraufhin nicht engmaschiger kontrolliert habe. Die BaFin antwortete darauf: „Die Beurteilung einer Systemrelevanz von Finanzdienstleistungsinstituten für Teilmärkte der ‚Realwirtschaft‘, etwa für Apotheken, ist, so bedeutsam diese für diesen Teil der Realwirtschaft auch sein mag, nicht Gegenstand der durch die BaFin ausgeübten Finanzdienstleistungsaufsicht. Maßgeblich ist die Systemrelevanz für den Finanzsektor. Das Finanzdienstleistungsinstitut AvP Deutschland GmbH besitzt keine Systemrelevanz für den deutschen oder gar internationalen Finanzsektor.“ – Das bedeutet offenbar: Die BaFin ist nicht zuständig für die Sicherung der finanziellen Grundlage der Arzneimittelversorgung.

Die AvP Deutschland GmbH ist in der Unternehmensdatenbank der BaFin als Finanzdienstleistungsinstitut verzeichnet, das seit Anfang 2014 die Genehmigung für das Factoring hat. Damit bleibt jedoch offen, welche Abrechnungsgeschäfte AvP tatsächlich als Factoring betrieben hat.

Treuhandverhältnis zwischen Apotheke und Rechenzentrum

Doch unabhängig davon, ob AvP stets oder zumindest in bestimmten Fällen die Abrechnung über Factoring vorgenommen hat, argumentieren einige Juristen, dass ein Treuhandverhältnis zwischen den Apotheken und AvP bestehe. Dazu hatte der (damals noch) vorläufige Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos allerdings im Livetalk bei DAZ.online erklärt, er habe keine offen als Treuhandkonten ausgewiesenen Konten vorgefunden. Außerdem haben mehrere Juristen argumentiert, der Treuhandcharakter von Konten gehe verloren, wenn die Treuhandgelder mit eigenen Vermögenswerten des Rechenzentrums vermischt werden. Dennoch ist die Natur des Treuhandverhältnisses zwischen den Apotheken und dem Rechenzentrum ein weiterer Gegenstand der juristischen Diskussion um AvP.

Forderungsabtretung: schlechter Tausch?

Vor diesem Hintergrund argumentieren Beobachter, eine Forderungsabtretung sei bei der Rezeptabrechnung für die Apotheke prinzipiell ein schlechter Tausch. Denn anstelle der sehr sicheren Forderung gegen eine Krankenkasse, also eine Körperschaft öffentlichen Rechts, erhalte die Apotheke eine Forderung gegen ein Rechenzentrum, das nun im Fall von AvP Insolvenz angemeldet hat. Dabei ist zu bedenken, dass ein Rechenzentrum kaum mit seinen eigenen Mitteln für die naturgemäß sehr viel größeren Abrechnungsbeträge haften kann. AvP hat jährlich Milliardenbeträge abgerechnet, aber die AvP Deutschland GmbH hatte Ende 2018 nur eine Bilanzsumme von knapp 14 Millionen Euro. Damit stellt sich die Frage, ob Rezepte auch ohne eine Forderungsabtretung praktikabel abgerechnet werden können.

Umfrage bei apothekereigenen Rechenzentren

Als Reaktion auf die vielen neuen Fragen zur Rezeptabrechnung hat die DAZ exemplarisch apothekereigene Rechenzentren nach deren Vertragsbedingungen gefragt, um zu ermitteln, welche Regeln praktisch relevant sind. Die Fragen gingen an die großen Rechenzentren, die sich im Eigentum von Apothekern oder von Organisationen befinden, in denen die Mitglieder Apotheker und damit Kunden des Rechenzentrums sind. Auf die Frage der DAZ erklärten das ARZ Darmstadt, das ARZ Haan und das Norddeutsche Apothekenrechenzentrum (NARZ), dass die Apotheken bei der Abrechnung von GKV-Rezepten in keinem Fall Forderungen an das Rechenzentrum abtreten. Außerdem erklärten diese drei Rechenzentren, dass sie Treuhandkonten für die Abrechnungsgelder führen, jedoch keine einzelnen Treuhandkonten für jede Apotheke. Einzelne Konten für jede Apotheke wären offenbar im Umgang mit den Krankenkassen nicht praktikabel, da für diese Sammelrechnungen erstellt werden. Ebenfalls übereinstimmend antworteten die drei Rechenzentren, dass ihre Tätigkeit kein Factoring ist. Diese Antworten stimmen mit den Eintragungen in der Unternehmensdatenbank der BaFin überein. Denn die drei Rechenzentren und ihre Tochtergesellschaften werden dort entweder gar nicht erwähnt oder als „freigestellte sonstige Institute“ geführt, weil sie keine genehmigungspflichtigen Geschäfte betreiben.

Foto: DAZ/A. Schelbert

Schlechter Tausch: Eine sehr sichere Forderung gegen eine Krankenkasse abzutreten und dafür eine Forderung gegen ein Rechenzentrum zu erhalten, sehen manche Beobachter kritisch.

Umfang des Factorings ungeklärt

Doch dies ist offenbar keine einheitliche Linie unter den Rechenzentren. Denn die Noventi HealthCare GmbH und die Apotheken- und Ärzte-Abrechnungszentrum Dr. Güldener GmbH sind in der Unternehmensdatenbank der BaFin als Finanzdienstleistungsinstitute verzeichnet und haben seit Ende 2008 eine Genehmigung für Factoring – also seit dies genehmigungspflichtig ist. Damit bleibt jedoch offen, inwieweit diese Rechenzentren tatsächlich Factoring betreiben und welche Vertragsbedingungen sie bieten. Die Noventi-Gruppe und das Apotheken- und Ärzteabrechnungszentrum Dr. Güldener haben innerhalb der gesetzten Frist keine Zeit gefunden, auf die Fragen der DAZ zu antworten.

Offenbar finden bei Noventi Forderungsabtretungen statt. Denn in den „FAQ zum Noventi-Hilfsprogramm für AvP-Kunden“ befindet sich die Frage „Warum ist es bei der Noventi trotz der Forderungsabtretung sicherer?“ Als Antwort verweist die Noventi-Gruppe auf ihr Merkblatt „Abrechnungssicherheit erklärt in 2 Minuten“. Dieses enthält zwar keine Auskunft, ob Noventi Factoring-Geschäfte durchführt, aber eine Aussage zu Treuhandkonten. Dort heißt es, die Abrechnung werde „über gesonderte, vom eigenen Vermögen der Noventi HealthCare GmbH separat geführte Konten“ – sogenannte Treuhandkonten oder Inkassokonten – umgesetzt. Weiter erklärt Noventi dazu: „Es findet keinerlei Vermischung von Vermögen statt, so dass jederzeit einwandfrei feststellbar ist, welche Gelder welchem Abrechnungskunden zuzuordnen sind – bis auf die Ebene eines jeden einzelnen zur Abrechnung eingereichten Rezeptes.“ Noventi erklärt weiter, im Fall einer Insolvenz könne der Kunde ein Aussonderungsrecht geltend machen.

Forderungsabtretungen zur Vorschussfinanzierung

Einen weiteren Hinweis auf Forderungsabtretungen gibt das Apotheken- und Ärzteabrechnungszentrum Dr. Güldener in seinem Merkblatt „Rede und Antwort: Unser FAQ zum Thema Sicherheit“: „Damit unsere Kunden schnell ihr Geld erhalten, leisten wir in der Regel Voraus- und Restzahlungen, obwohl die Begleichung der jeweiligen Rechnungen noch nicht durch die Kostenträger erfolgt ist. Um diese Vorleistung zu ermöglichen, treten unsere Kunden ihre Rezeptforderungen an uns und wir diese an die Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG (apoBank) als Kreditsicherheit für die uns von den uns finanzierenden Banken gewährten Kredite ab.“ Zugleich bekräftigt das Apotheken- und Ärzteabrechnungszentrum Dr. Güldener dort, es führe seit Jahrzehnten separate Konten für den Zahlungsverkehr mit Kunden und Kostenträgern, die von den Verwaltungskonten getrennt seien. „So stellen wir sicher, dass sich die Zahlungsströme nicht vermischen“, heißt es dazu.

Es geht auch ohne Forderungsabtretung

Damit lässt sich als Zwischenergebnis feststellen, dass Abrechnungsmöglichkeiten mit und ohne Forderungsabtretung angeboten werden. Zugleich wird als Zweck von Forderungsabtretungen deutlich, die Vorschusszahlungen zu finanzieren. Doch auch die Rechenzentren, bei denen keine Forderungsabtretungen stattfinden, bieten Vorauszahlungen, möglicherweise zu etwas anderen Terminen und mit anderen Gebühren. Für Apotheken wirft dies auch die betriebswirtschaftliche Frage auf, wie eine alternative längere Vorfinanzierung über eine Bank zu bewerten ist. Möglicherweise wäre diese teurer, aber die Abläufe bei der Rezeptabrechnung könnten überschaubarer werden. Als weiteres Zwischenfazit zeigt sich, dass auch bei Forderungsabtretungen Maßnahmen zur Trennung der Zahlungsströme getroffen werden können.

Sicherheit durch verteilte Zuständigkeiten

Entscheidend ist letztlich, die Vermögenssphären der Apotheken und des Rechenzentrums wirksam voneinander zu trennen, damit im Insolvenzfall die Aussonderung des Apothekenvermögens klar vollzogen werden kann und rechtlich nicht angreifbar ist. Dabei geht es nicht nur um die Eigentumsrechte an den Forderungen und um Treuhandkonten. Darum hat die DAZ auch gefragt, welche weiteren Maßnahmen die Rechenzentren für diese Trennung getroffen haben. Das NARZ beschreibt daraufhin eine bemerkenswerte Konstruktion. Das NARZ und die AVN, die Vertragspartner der Apotheker sind, beauftragen demnach einen eigenen Dienstleister, die GfI GmbH, mit der eigentlichen Abrechnung. Ein Schaden bei der GfI würde demnach nicht das NARZ treffen. Das NARZ wiederum ist ein Verein, dem die abrechnenden Apotheker angehören. Beim ARZ Darmstadt gibt es eine etwas andere Gestaltung, die offenbar eine ähnliche Idee verfolgt. Vertragspartner der Apotheken ist dort die Apotheken-Rechenzentrum GmbH, aber diese ist nicht Inhaberin des Treuhandkontos. Dies sind die Gesellschafter, nämlich die Vermögensverwaltungsgesellschaften der Landesapothekerverbände Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen. Auf dieselbe Frage verweist das ARZ Haan auf den separaten Buchhaltungskreis. Die Apotheke bleibe Forderungsinhaber, und daher finde keine Aktivierung der Abrechnungsgelder im Betriebsvermögen statt.

Auf einen Blick

  • Bei einer Forderungsabtretung geht die Forderung auf einen neuen Gläubiger über, der aber im Innenverhältnis weiter an den ursprünglichen Gläubiger gebunden sein kann.
  • Es werden Abrechnungsmöglichkeiten für Rezepte mit und ohne Forderungsabtretung angeboten.
  • Factoring ist gesetzlich als „der laufende Ankauf von Forderungen auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit oder ohne Rückgriff“ definiert.
  • Unabhängig von einer Forderungsabtretung sind Maßnahmen zur Trennung der Vermögenssphären von Apotheken und Rechenzentren möglich, insbesondere die Einrichtung von Treuhandkonten.
  • Die Trennung der Vermögenssphären soll insbesondere dazu dienen, im Insolvenzfall die Aussonderung des Apothekenvermögens sicherzustellen.

Weitere Maßnahmen für die Sicherheit

Außerdem hat die DAZ nach weiteren Maßnahmen zur Absicherung der Forderungen der Apotheker gefragt. Das ARZ Haan verweist dazu auf das „umfangreiche interne Kontrollsystem“ mit Innenrevision und Risikomanagement, „regelmäßige Zessionsprüfungen der refinanzierenden Hausbank“, die Jahresabschlussprüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die Mitteilungspflichten gegenüber der BaFin, die Einbindung in eine Konzernstruktur mit der Überwachung durch die Gesellschafter, den „umfassenden Versicherungsschutz (Sach- und Transportversicherungen, Cyberversicherung)“ und die nach ISO 27001 zertifizierte IT-Sicherheit. Das ARZ Darmstadt nennt zu dieser Frage „die ständige Beaufsichtigung des Treuhandkontos und die Einhaltung der Treuhandprinzipien durch einen Wirtschaftsprüfer“. Das NARZ verweist auf die „strikte Trennung der offenen Treuhandkonten von den Verwaltungskonten und die regelmäßige Prüfung auch der Treuhandkonten durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft“. Noventi erklärt in dem bereits erwähnten Merkblatt, das Unternehmen unterliege als einziges Apothekenrechenzentrum in Deutschland der Aufsicht durch die BaFin. Außerdem verweist Noventi dort auf die „ökonomische Sicherheit“ durch „Eigenkapital, Liquidität und sichere Prozesse“. Die Noventi-Gruppe habe ein Eigenkapitalpolster von über 80 Millionen Euro. Die Risikodeckungsmasse betrage 45 Millionen Euro, aber mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent würden maximal etwa 30 Millionen Euro benötigt. Zur Liquidität verweist Noventi auf einen Kreditrahmen von fast 1,5 Milliarden Euro. Außerdem würden die Prozesse akribisch dokumentiert, und ein nach ISO 27001 zertifiziertes Informationssicherheits-Management schütze die Rezeptdaten.

Vertragslaufzeit

Schließlich hat die DAZ nach der Kündigungsfrist für die Abrechnungsverträge gefragt. Denn je kürzer diese Frist ist, umso flexibler kann die Apotheke reagieren. Die Kündigungsfrist beträgt beim ARZ Haan und beim NARZ sechs Monate und beim ARZ Darmstadt standardmäßig 12 Monate. Beim NARZ gebe es „praktisch keine“ Mindestvertragslaufzeit.

Fokussierung oder Diversifizierung?

Unterschiede zwischen den Rechenzentren ergeben sich teilweise auch aus den verschiedenen Kundengruppen. Beim NARZ macht das Abrechnungsgeschäft für Apotheken etwa 90 Prozent des Geschäftsumfangs aus, der Rest betrifft die Apothekensoftware. Das ARZ Darmstadt beschäftigt sich zu etwa 60 Prozent mit der Abrechnung für Apotheken, beim ARZ Haan macht dies etwa ein Drittel des Umsatzes aus. Die Noventi-Gruppe hat ihre Wurzeln ebenfalls in der Abrechnung für Apotheken, aber sie ist heute eine Dachmarke spezialisierter Einzelgesellschaften. Es geht dort um viel mehr als Abrechnung, für Apotheken insbesondere um Software und künftig voraussichtlich um eine gemeinsame digitale Plattform. Die Noventi-Gruppe verweist vielfach auf ihre breite Aufstellung und die Position als „Europas größtes Abrechnungsunternehmen im Gesundheitswesen“. Je nach Perspektive kann dies als risikomindernde Diversifizierung oder als Einfallstor für Gefahren aus ganz anderen Bereichen betrachtet werden.

Anregung für neue Fragen

Insgesamt ergeben sich für die Rezeptabrechnung weit mehr beachtenswerte Bedingungen als die Gebühr und die Termine der Auszahlungen. Nach diesen beiden Aspekten hat die DAZ hier nicht gefragt, weil sie typische individuelle Wettbewerbsparameter sind. Außerdem muss betont werden, dass noch viele weitere Rechenzentren bestehen, die hier nicht befragt wurden. Denn dieser Beitrag ist nicht als Marktübersicht gedacht, sondern er soll Anregungen geben, welche Fragen bei Verhandlungen mit einem Rechenzentrum im Licht der jüngsten Ereignisse gestellt werden können. Voraussichtlich wird das Kleingedruckte dabei künftig viel größere Bedeutung als bisher erlangen. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn

Apotheker und Dipl.-Kaufmann, auswärtiges Mitglied der ­Redaktion der Deutschen ­Apotheker Zeitung

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