Foto: Lighthfield Studios – stock.adobe.com

Alzheimer-Demenz

Wie war das noch gleich …

… mit der Alzheimer-Therapie? Halten Arzneimittel den geistigen Abbau auf?

Morbus Alzheimer ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung und die häufigste Ursache für Demenz. Heutige Antidementiva setzen erst an den Folgen des Nervenzelluntergangs an. Ihr Effekt auf die Neurotransmission ist dosisabhängig, durch Nebenwirkungen limitiert und erfordert vorsichtiges Aufdosieren. Bei alledem bleibt ihre Wirkkraft begrenzt. Antidementiva bremsen den geistigen Abbau für eine Zeitspanne, die sich im Verhältnis zum jahrelangen, zunächst stummen Verlauf der Erkrankung gering ausnimmt. Eine konkrete Hoffnung besteht in Antikörpern, die früher in das pathologische Geschehen eingreifen. | Von Ralf Schlenger

Die Symptome der Alzheimer-Krankheit werden durch einen allmählich fortschreitenden Untergang von Nervenzellen und Synapsen hervorgerufen. Dieser Prozess beginnt in der Tiefe des Schläfenlappens und bleibt viele Jahre lang klinisch stumm. Erreicht er für den für Gedächtnisleistungen wichtigen Hippocampus, entstehen erste Symptome, etwa zunehmende Vergesslichkeit. Das Stadium wird als leichte kognitive Störung (mild cognitive impairment, MCI) bezeichnet. Greift die Neurodegeneration auf die angrenzende Hirnrinde über, kommt es zu Behinderungen bei den Tätigkeiten des täglichen Lebens. Erst dieses Zustandsbild heißt Demenz (s. Kasten „Nicht jede Demenz ist ein ‚Alzheimer‘“). Im weiteren Verlauf leiden die Betroffenen häufig unter Unruhe oder Wesensveränderungen, Stimmungsschwankungen, neigen zu übertriebenem Misstrauen, es kann zu Depressionen kommen. Zur Alzheimer-Basis­behandlung gehören daher auch Neuroleptika und Antidepressiva, angepasst an die wechselnde Symptomatik, des Weiteren psychosoziale Interventionen, die nicht Gegenstand ­dieses Artikels sind.

Nicht jede Demenz ist ein „Alzheimer“

Demenz ist nach ICD-10-Definition (F00-F03) ein Syndrom als Folge einer chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen im Sinne der Fähigkeit zur Entscheidung. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Für die Diagnose einer Demenz müssen die Symptome über mindestens sechs Monate bestanden haben. Demenzen treten als Alzheimer-Demenz (50 bis 70%), vaskuläre Demenz (15 bis 25%), frontotemporale Demenz (20% der Patienten < 65 Jahre), Lewy-Körperchen-Demenz, außerdem bei 20 bis 40% der Parkinson-Patienten auf.

Die Alzheimer-Krankheit ist nach der ICD-10-Definition eine primär degenerative zerebrale Krankheit mit charakteristischen neuropathologischen und neurochemischen Merkmalen, die schleichend beginnt und sich langsam aber stetig über einen Zeitraum von mehreren Jahren entwickelt [1].

Bei jedem Patienten mit Demenz oder Demenzverdacht sollte bereits bei der Erstdiagnose eine Quantifizierung der kognitiven Leistungseinbuße erfolgen. In der ärztlichen Praxis werden einfache Tests wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST) eingesetzt, um das Vorhandensein und den ungefähren Schweregrad einer Demenz zu bestimmen:

  • MMST 20 bis 26 Punkte: leichte Alzheimer-Demenz
  • MMST 10 bis 19 Punkte: moderate/mittelschwere Alzheimer-Demenz
  • MMST weniger als 10 Punkte: schwere Alzheimer-Demenz

Die Sensitivität der kognitiven Kurztests bei leichtgradiger und fraglicher Demenz ist begrenzt und zur Differenzial­diagnostik verschiedener Demenzen sind sie nicht geeignet.

Heutige Arzneimittel kurieren an Symptomen

Auf die Pathogenese und den Progress der Alzheimer-Erkrankung haben die derzeit zur Behandlung der Krankheit eingesetzten Arzneimittel keinen Einfluss. Die zugelassenen Antidementiva sind Acetylcholinesterase-Hemmer und der nichtkompetitive N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor(NMDA)-­Antagonist Memantin. Vom pharmakologischen Ansatz her gleichen sie lediglich Veränderungen der Neurotransmission im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium aus. Die Wirksamkeit auf die Kernsymptomatik, also auf kognitive Störungen und Beeinträchtigung der Alltagstätigkeiten, wurde nur für Betroffene im Stadium der Demenz nachgewiesen; die Therapie setzt also erst ein, wenn im Bereich des Hippocampus über 70% der Nervenzellen untergegangen sind und die Betroffenen einen Großteil ihrer erworbenen intellektuellen Fähigkeiten verloren haben. Zulassungsvoraussetzungen für die Medikamente sind der Nachweis der Überlegenheit gegenüber Placebo über einen Zeitraum von 24 Wochen in mindestens zwei unabhängigen Studien in den Bereichen der kognitiven Leistungsfähigkeit und der Fähigkeit, Alltagsdinge durchzuführen (activities of daily living, ADL) und der Verbesserung des klinischen Gesamteindrucks [1]. Erfahrungsgemäß kann die Behandlung mit Antidementiva die Zunahme der Kernsymptomatik im Stadium der Demenz um mehrere Monate bis etwa zwei Jahre verzögern – eine Zeitspanne, die sich im Verhältnis zum jahrelangen Progress und Verlauf der Erkrankung recht gering ausnimmt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bestätigt in Nutzenbewertungen dennoch einen positiven Einfluss der Cholinesterase-Hemmer auf die geistige Leitungsfähigkeit, aber nicht auf die krankheitsbezogene Lebensqualität oder die Verzögerung einer Pflegeheimeinweisung. Am Beispiel Galantamin bedeute dies konkret: Bei etwa 14 von 100 Menschen, die Galantamin einnehmen, habe der Wirkstoff einen positiven Einfluss auf die Denk- und Merkfähigkeit [2] .

Acetylcholinesterase-Hemmer langsam aufdosieren

Donepezil, Galantamin und Rivastigmin sind zur Therapie der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz (MMST 10 bis 26 Punkte) zugelassen und laut der aktuellen Leitlinie empfohlen [1]. Ihre Wirkung ist dosisabhängig, es sollte stufenweise die höchste verträgliche Dosis angestrebt werden.

Donepezil: Zu Beginn der Behandlung sollte eine Tablette Donepezil-HCl 5 mg abends, kurz vor dem Schlafengehen, gegeben werden. Nach einer einmonatigen klinischen Beobachtung kann die Dosis auf die Tagesmaximaldosis von 10 mg Donepezil (als Einmaldosis) erhöht werden.

Galantamin: Galantamin retard sollte einmal täglich morgens vorzugsweise mit dem Essen eingenommen werden. Die initiale Dosierung beträgt 8 mg. Frühestens nach vier Wochen kann auf 16 mg, nach weiteren vier Wochen auf 24 mg Galantamin auftitriert werden.

Rivastigmin: In Kapselform werden initial 1,5 mg zweimal täglich zu den Mahlzeiten gegeben. Bei guter Verträglichkeit können Dosissteigerungen auf 3 mg, 4,5 mg und 6 mg zweimal täglich im Abstand von mindestens zwei Wochen erfolgen. Wird die Behandlung länger als einige Tage unterbrochen, ist der Wiederbeginn der Dosistitration notwendig.

Die Pflasterapplikation von Rivastigmin verursacht im ­Vergleich zur Kapsel weniger gastrointestinale Nebenwirkungen. Die Therapie wird mit einer Dosierung von 4,6 mg Rivastigmin/24 Stunden begonnen. Nach frühestens vier Wochen kann auf die Erhaltungsdosis von 9,5 mg/24 Stunden erhöht werden, die solange beibehalten wird, wie der Patient daraus einen Nutzen zieht. Bei klinischer Progression kann das Pflaster mit 13,3 mg/24 Freisetzungsrate eingesetzt werden [3] (Tab. 1).

Tab. 1: Übersicht über Darreichungsform und Zieldosis zugelassener Antidementiva [3]
Wirkstoff
(Handelsname)
Applikationsform
Einnahmeintervall
Startdosis
Tagesmaximaldosis
Wirksamkeitsnachweis besteht ab …
Donepezil (Aricept®, Generika)
Tabletten 5 mg; 10 mg
Schmelztabletten
5 mg; 10 mg
einmal täglich
5 mg abends
10 mg
5 mg
Galantamin (Reminyl®, Generika)
retardierte Hartkapseln
8 mg; 16 mg; 24 mg
einmal täglich
8 mg retard
morgens
24 mg
16 mg
Reminyl® Lösung
(1 ml = 4 mg)
zweimal täglich
4 mg morgens
und abends
Rivastigmin (Exelon®, Generika)
Hartkapseln
1,5 mg; 3 mg; 4,5 mg; 6 mg
zweimal täglich
1,5 mg morgens und abends
12 mg
6 mg
Lösung
(1 ml = 2 mg)
zweimal täglich
transdermales Pflaster
4,6 mg/24 Stunden; 9,5 mg/24 Stunden; 13,3 mg/24 Stunden
einmal täglich
4,6 mg/24 Stunden
9,5 mg
13,3 mg (nach klinischer Progression)
9,5 mg
Memantin-HCL (Axura®, Ebixa®, Generika)
Tabletten
5 mg; 10 mg; 15 mg; 20 mg
Tropfen
(1 ml bzw. 20 Tropfen
= 10 mg)
einmal täglich
5 mg
20 mg (10 mg bei Kreatinin-Clearance 30  bis 49 ml/min)
20 mg

Für die Überlegenheit eines Cholinesterase-Hemmers gegenüber anderen gibt es keine Belege. Die Leitlinie empfiehlt, die Auswahl primär am Neben- und Wechselwirkungsprofil zu orientieren. Sehr häufige (≥ 10%) Nebenwirkungen bei Cholinesterase-Hemmern bestehen in Erbrechen, Übelkeit, Schwindel, Appetitlosigkeit, Diarrhoe und Kopfschmerzen. Sie sind oft vorübergehend und durch eine langsamere Aufdosierung oder Einnahme der Medikation zum Essen begrenzbar. Auch Bradykardien und Synkopen sind möglich. In einer Metaanalyse wurde das erhöhte Risiko von Acetylcholinesterase-Hemmern für Synkopen bestätigt, nicht aber für Stürze, Frakturen oder Verletzungen [1].

Therapie, so lange sie nützt

Zur Frage der Therapiedauer zeigte eine industrieunabhängige Studie, dass das Absetzen der Donepezil-Behandlung auch bei langer Vorbehandlungsdauer und klinischer Progression mit einer signifikanten weiteren Verschlechterung im Vergleich zur Weiterbehandlung mit Donepezil assoziiert ist [4]. Die Leitlinie sagt, dass Acetylcholinesterase-Hemmer bei guter Verträglichkeit im leichten bis mittleren Stadium „fortlaufend“ gegeben werden können. Ein Absetzversuch sei nur bei abnehmendem Nutzen-Nebenwirkungs-Verhältnis gerechtfertigt. In diesem Fall sei aber auch das Umsetzen auf einen anderen Acetylcholinesterase-Hemmer eine Option.

Da es sich um eine progrediente Erkrankung handelt, kann der Alzheimer-Patient trotz wirksamer Therapie vom Stadium der leichten bis mittelschweren Demenz in das Stadium der schweren Demenz eintreten. Die Weiterbehandlung von vorbehandelten Patienten, oder auch die erstmalige Behandlung von Patienten im schweren Stadium kann laut Leitlinie speziell mit Donepezil empfohlen werden. Bei der schweren Form der Alzheimer-Demenz sind Acetylcholinesterase-Hemmer allerdings eine Off-Label-Behandlung.

Memantin bei schwerer Demenz

Bei der Symptomatik der Alzheimer-Krankheit wie beim fortschreitenden Zelluntergang spielt eine Überaktivität im glutamatergen System eine Rolle. Als körpereigener Agonist am N-Methyl-D-Aspartat(NMDA-)Rezeptor des glutamat­ergen Systems fungiert Glutamat. Dessen „toxische“ Überaktivität soll Memantin in seiner Eigenschaft als nichtkompetitiver Antagonist des NMDA-Rezeptors regulieren. Memantin ist in Deutschland zur Behandlung der moderaten (mittelschweren) bis schweren Alzheimer-Demenz zugelassen (Axura®, Ebixa® und Generika). Die Indikation entspricht 0 bis 19 Punkten im MMST. Eine Zulassung für die leichte Demenz hat Memantin nicht. Diesen Indikationsbereich bestätigt im Wesentlichen eine aktuelle Cochrane-Analyse mit dem Ergebnis, dass Memantin bei moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz – wie auch bei vaskulärer Demenz – Placebo leicht überlegen ist. Interessanterweise bleibt der Vorteil auch in Kombination mit Cholinesterasehemmern bestehen. Für einen Off-Label-Einsatz bei leichter Demenz bestehe keine ausreichende Evidenz [5]. Auch laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen wurde ein Nutzen von Memantin bei Patienten mit moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz in den patientenrelevanten Bereichen Kognition und alltagspraktische Fähigkeiten gezeigt [6]. Demnach kann Memantin über einen Zeitraum von sechs Monaten bei ungefähr einem von zehn Menschen den Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit hinauszögern.

Die Behandlung startet mit einer Tagesdosis von 5 mg Memantin für eine Woche und kann um jeweils 5 mg pro weiterer Woche auf die Erhaltungsdosis von 20 mg täglich auf­dosiert werden. Häufige Nebenwirkungen (1 bis 10%) sind Schwindel, Kopfschmerz, Obstipation, erhöhter Blutdruck und Schläfrigkeit, die passager sein können.

Nicht empfohlene Arzneimittel

Die S3-Leitlinie Demenzen [1] sieht keine (ausreichende) Evidenz für den Einsatz bei Demenz für:

  • Vitamine (A, C, E)
  • nichtsteroidale Antiphlogistika (Rofecoxib, Naproxen, Diclofenac, Indometacin)
  • Nootropika (Piracetam, Nicergolin, Hydergin, Phosphatidylcholin (Lecithin), Nimodipin, Cerebrolysin und Selegilin
  • Hormonersatz bei postmenopausalen Frauen

Ginkgo-Extrakte in hoher Dosis wirksam

Tierexperimentell wurden anhand des Ginkgo-Extraktes EGb 761® (Tebonin®) unter anderem eine gesteigerte Hypoxietoleranz des Hirngewebes, eine Förderung der Cholin-Aufnahme im Hippocampus und eine Steigerung von Gedächtnis und Lernvermögen nachgewiesen. Beim Menschen wurden eine Förderung der Durchblutung, insbesondere der Mikrozirkulation, sowie eine Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes gezeigt. Laut dem IQWiG sind für EGb 761® in der Tagesdosis von 240 mg positive Effekte auf die Gedächtnisleistung und bei Tätigkeiten des Alltags belegbar. Die Studien gäben auch Hinweise, dass sich psychische Symptome lindern könnten. Daraus leitet die S3-Demenzleitlinie eine „Kann-Empfehlung“ für die Anwendung von Ginkgo-Extrakten ab, da viele Studien mit Ginkgo-Extrakten konzeptionell nicht mit denjenigen zu chemischen Antidementiva vergleichbar seien. Eine aktuelle Metaanalyse randomisiert-kontrollierter Studien spricht von möglicherweise günstigen Effekten auf Kognition, Alltagsfähigkeiten und klinischem Gesamteindruck bei Tagesdosen über 200 mg Ginkgo-Extrakt für mindestens 22 Wochen [7].

Eine Reihe rezeptfreier Arzneimittel enthalten quantifizierte Extrakte mit dem geforderten Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV 35 - 67 : 1, 60% Aceton) und einem quantifizierten Spektrum an Inhaltsstoffen (z. B. Craton®, Gingium®, Kaveri®, ­Rökan®, Tebonin®). Nur zur Behandlung der Demenz gilt Ginkgo-biloba-Blätter-Extrakt in Form des standardisierten Aceton-Wasser-Auszuges mit 240 mg Tagesdosis nach den Arzneimittelrichtlinien als Therapiestandard und ist somit erstattungsfähig.

Ärztliche Empfehlungen zur Demenz-Prävention

Eine Alzheimer-Erkrankung entwickelt sich schleichend über Jahre und Jahrzehnte, so dass sich immer wieder die Frage stellt, ob und welche vorbeugenden Maßnahmen ihr Entstehen oder Fortschreiten bremsen könnten. Die bekannten vaskulären Risikofaktoren und Erkrankungen wie Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Niereninsuffizienz, Adipositas, übermäßiger Alkoholkonsum und Rauchen stellen auch Risikofaktoren für eine spätere Demenz dar, hält die S3-Leitlinie „Demenzen“ fest [1]. Daher trägt deren leitliniengerechte Diagnostik und frühzeitige Behandlung zur Primärprävention bei. Gesicherte Empfehlungen, die man Patienten und Angehörigen vermitteln kann, sind auch regelmäßige körperliche Bewegung und ein aktives geistiges und soziales Leben, betont Prof. Dr. Agnes Flöel, Leiterin der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Greifswald: „Abwechslungsreiche Aktivitäten jeglicher Intensität - unter Berücksichtigung der Fitness und des Verletzungsrisikos – sind in jedem Lebensalter sinnvoll, auch in präsymptomatischen und asymptomatischen Demenzstadien“. Weiterhin sei eine abwechslungsreiche Ernährung in allen Lebensphasen wichtig, wenngleich ihr genauer Einfluss noch unzureichend verstanden ist, sagte sie bei einem Vortrag beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Die von der S3-Leitlinie hervorgehobene mediterrane Diät sei eine gute Empfehlung. Für Fastentage und Nahrungsergänzungsmittel (z. B. Spermidin, Fortasyn) sieht die Forscherin (noch) keine sichere Evidenz, man gewinne aber zunehmend Informationen. Gegenstand laufender Studien und „ein spannendes Feld, das an Bedeutung gewinnt“, seien sogenannte Caloric-Restriction-Mimetica, Substanzen wie Spermidin, Hydroxycitrat, Nicotinamid, Resveratrol, Curcumin und Epigallocatechin-III-gallat. Ein weiterer Baustein einer Demenz-Vorbeugung sei aus­reichender Schlaf: Es gebe Hinweise, dass bei Störungen des Tiefschlafs die „Reinigung“ des Gehirns von beta-Amyloid gestört sei.

Wann kommen krankheitsmodifizierende ­Arzneimittel?

Die am weitesten verbreitete Hypothese zur Entstehung der Alzheimer-Krankheit geht von der vermehrten Entstehung und Ablagerung von beta-Amyloid aus. Ein Ungleichgewicht zwischen Produktion, Abbau und Abtransport des Eiweißstoffes führt zur Bildung kleiner Amyloid-Komplexe, die Neuronen und Synapsen schädigen. Aus den kleinen Komplexen entstehen größere Plaques. In den durch Amyloid geschädigten Nervenzellen ballt sich Tau-Protein zu den charakteristischen Neurofibrillenbündeln zusammen, die den Nervenstoffwechsel stören und Neuronen und Synapsen untergehen lassen. Diese neuropathologische Progression müssen krankheitsmodifizierende Arzneimittel unterbrechen.

Pharmakologische Strategien versuchen, die Zusammenlagerung von Tau-Protein zu verhindern oder rückgängig zu machen, oder die entstandene Amyloid-Ablagerungen aufzulösen und abzutransportieren. Ein Ansatz, die körpereigene Abwehr gegen Amyloid in Stellung zu bringen, ist die Verabreichung synthetischer Amyloid-Bruchstücke, welche die Bildung spezifischer Antikörper im Gehirn anregen soll (aktive Immunisierung). Ein anderer Ansatz ist die passive Immunisierung mit Antikörpern, die Amyloid erkennen. Dieses Prinzip wird mit dem Antikörper Aducanumab verfolgt, der seine Wirksamkeit bei Patienten in frühen Stadien, die der Demenz vorausgehen, gezeigt hat. Wegen ungewisser Erfolgsaussichten hatte der Hersteller Biogen im Herbst 2019 das klinische Studienprogramm zunächst ausgesetzt, dann wieder aufgenommen. Der eher geringe Nutzen von Aducanumab in Zusammenhang mit Nebenwirkungen wird nach wie vor kritisch gesehen. Über die mittlerweile eingereichten Zulassungsanträge für Aducanumab werden die europäische Behörde EMA und die amerikanische Behörde FDA im kommenden Jahr entscheiden, die FDA schon bis 7. März 2021 [8]. Es wäre das erste innovative Alzheimer-Medikament seit 20 Jahren. |

 

Literatur

[1] Demenzen. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. – Selbsthilfe Demenz, Langversion, Stand: Januar 2016, AWMF-Registernummer 038-013, www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/038-013l_S3-Demenzen-2016-07.pdf

[2] Wie gut helfen Cholinesterasehemmer? Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), www.gesundheitsinformation.de/wie-gut-helfen-cholinesterasehemmer.2219.de.html?part=behandlung-qs-nm32-yfqg

[3] Fachinformationen

[4] Howard R, McShane R, Lindesay J et al. Donepezil and memantine for moderate-to-severe Alzheimer‘s disease. N Engl J Med 2012;366:893-903

[5] McShane R et al. Memantine for dementia. Cochrane Database Syst Rev 2019;3:CD003154

[6] Responderanalysen zu Memantin bei Alzheimer Demenz. Rapid Report A10-06, Version 1.0, Stand 28. März 2011, Köln, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) 2011

[7] Qiuju Yuan et al. Effects of Ginkgo biloba on dementia: An overview of systematic reviews. J Ethnopharmacol 2017;195:1-9

[8] Neuer Alzheimer-Wirkstoff Aducanumab: Der aktuelle Stand. Informationen der Alzheimer Forschung Initiative e. V. (AFI), Stand: 7.November 2020, www.alzheimer-forschung.de/forschung/aktuell/aducanumab/

Autor

Ralf Schlenger ist Apotheker und arbeitet als freier Autor und Medizinjournalist in München.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.