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Pandemie Spezial

Gefürchtete RNA auf Oberflächen

Warum der Nachweis von SARS-CoV-2 nicht zwingend mit Infektiosität gleichzusetzen ist

SARS-CoV-2 kann auf Oberflächen – abhängig von Material und Temperatur – unterschiedlich lange überleben. Doch geht von der kontaminierten Oberfläche auch eine Ansteckungsgefahr aus? In einer aktuellen Studie wurde der Zusammenhang zwischen dem Infektionspotenzial von SARS-CoV-2 auf Oberflächen und den Ct-Werten untersucht. Die Autoren stufen die epidemiologische Relevanz für den Übertragungsweg des Virus über Oberflächen als gering ein. | Von Petra Jungmayr 

Welche Rolle spielt der Nachweis von SARS-CoV-2 auf Oberflächen im Infektionsgeschehen? Diese Frage stellt sich im Zusammenhang mit der Infektionskontrolle und der Prävention von COVID-19-Erkrankungen. Dabei sind unter anderem folgende Punkte zu klären:

  • Lässt sich auf den Oberflächen in der Umgebung erkrankter COVID-19-Patienten SARS-CoV-2 nachweisen?
  • Wie hoch ist der Ct-Wert in positiven Proben?
  • Können infektiöse Viren in der Zellkultur nachgewiesen werden?
  • Welche Schlüsse können daraus gezogen werden?

Um diese Fragen zu beantworten, recherchierte ein Autorenteam [1] mithilfe von MEDLINE nach entsprechenden Studien und fand sechs Originalarbeiten, die bis Anfang Oktober publiziert worden waren. Aus der Mehrheit der Studien gehen folgende Parameter hervor:

Der Nachweis von SARS-CoV-2-RNA

Hierzu wird von der Oberfläche eine Wischprobe entnommen, aus der in mehreren Schritten die Virus-RNA extrahiert wird. Das Vorgehen hierzu wird beispielsweise in einem WHO-Leitfaden beschrieben [2].

Der Ct-Wert in positiven Proben. Als Maß für die Menge der im Probenmaterial vorhandenen Virus-RNA dient der bei der PCR-Untersuchung ermittelte Ct-Wert (cycle threshold-Wert). Dieser Wert gibt den Vermehrungszyklus der Polymerase-Kettenreaktion an und ist ein Maß für die benötigten Schritte zur Vervielfältigung des viralen Erbguts. Dabei gilt, je höher der gefundene Ct-Wert ist, desto niedriger ist die ursprüngliche Viruskonzentration in der untersuchten Probe. Bei der SARS-CoV-2-PCR weisen Ct-Werte > 30 auf eine niedrige, Ct-Werte > 35 auf eine sehr niedrige Viruskonzentration in der Probe hin.

Der Nachweis infektiöser SARS-CoV-2-Viren in Zellkulturen. Dazu wird die Wischprobe in verschiedenen Schritten aufgearbeitet, auf ein Nährmedium überführt und ­bebrütet. Der Ort der Probenahme war die Umgebung ­erkrankter COVID-19-Patienten. Dies waren meist Isolierstationen von Krankenhäusern, aber auch Kabinen eines Kreuzfahrtschiffes.

Positive Oberflächen, Zellkultur meist negativ

Virale RNA ließ sich auf 1% bis 52,7% aller untersuchten Oberflächen nachweisen. In fünf Studien konnten keine infektiösen SARS-CoV-2-Viren in der Zellkultur gefunden werden. In einer Studie konnten in 9,2% der gesammelten Proben in der Zellkultur infektiöse SARS-CoV-2-Viren nachgewiesen werden. Diese Proben stammten von einem Patienten, der während der Probenahme unter anhaltendem Husten mit Auswurf litt. Der geringste Ct-Wert betrug 26,2; die meisten Werte lagen über 30. Diese Ergebnisse können als Basis für die Einschätzung einer potenziellen Ansteckungsgefahr dienen (Tab.).

Tab.: Studien zum Oberflächen-Monitoring (Wischproben)
Studienort
Untersuchte Oberflächen
RT-PCR
Nachweis infektiöser SARS-CoV-2-Viren in Zellkultur
Referenz
Nachweis von SARS-CoV-2-RNA
Ct-Wert in positiven Proben
Japan
Kreuzfahrtschiff während eines COVID-19-Ausbruchs
Oberflächen in Kabinen von COVID-19-positiven Passagieren; 330 Proben
17,3%
26,2 – 39,0
(beinahe alle > 30)
0%
4
Oberflächen in Kabinen von COVID-19-negativen Passagieren; 160 Proben
0%
0%
Oberflächen von gemeinschaftlich genutzten Orten; 97 Proben
1%
0%
Lehrkrankenhaus in ­England mit COVID-19-Patienten
verschiedene Oberflächen; insgesamt 218 Proben
10,6%
nicht spezifiziert
0%
5
Isolierstation mit ­schweren COVID-19-­Fällen in Südkorea
Umgebung von drei Patienten; insgesamt 76 Proben
19,7%
28,9 – 33,0
die meisten > 30
9,2% (siehe Text)
6
COVID-19-Isolierstation in Israel
verschiedene Oberflächen; insgesamt 55 Proben
52,7%
30,0 – 39,8
0%
7
COVID-19-Isolierstation in China
verschiedene Oberflächen; insgesamt 50 Proben
8%
29,4 – 33,6
0%
8
Hospitalisierte COVID-19-Fälle in Italien
verschiedene Oberflächen; insgesamt 26 Proben
7,7%
nicht spezifiziert
0%
9

Die Feststellung, dass bei höheren Ct-Werten (> 30) kein Nachweis infektiöser SARS-CoV-2-Viren in der Zellkultur möglich war, korreliert mit Ergebnissen aus Laborversuchen. Diese haben gezeigt, dass bei Ct-Werten von 29,3 (Wischprobe einer Stahloberfläche) oder 29,5 (Wischprobe einer Plastikoberfläche) ein Virusnachweis in der Zellkultur möglich war. Bei Ct-Werten von 32,5 (Stahloberfläche) und 32,7 (Plastikoberfläche) war dies hingegen nicht mehr der Fall. Man geht davon aus, dass ein Ct-Wert > 33 einer Oberflächenprobe keine epidemiologische Relevanz hat, zumal im öffentlichen Bereich die Kontamination mit infektiösen Viren weitaus geringer ist als im Krankenhaus. Eine Ansteckung über eine Oberfläche könnte nur in dem unwahrscheinlichen Fall eintreten, wenn ein an COVID-19 erkrankter Mensch keine Maske trägt und dessen Nasen- oder Bronchialsekret direkt auf eine Oberfläche gelangt, die wiederum direkt von einer dritten Person berührt wird.

Reinigung und Desinfektion – der Unterschied

Unter Reinigung wird ein Prozess zur Entfernung von Verunreinigungen (z. B. Staub, chemische Substanzen, Mikroorganismen, organische Substanzen) unter Verwendung von Wasser mit reinigungsverstärkenden Zusätzen (z. B. Detergenzien oder enzymatische Produkte) verstanden, ohne dass bestimmungsgemäß eine Ab­tötung/Inaktivierung von Mikroorganismen stattfindet bzw. beabsichtigt ist. Die Reinigungswirkung ist nicht quantifiziert oder in anderer Weise standardisiert.

Desinfektion ist ein Prozess, durch den die Anzahl vermehrungsfähiger Mikroorganismen infolge Abtötung/Inaktivierung unter Angabe eines standardisierten, quantifizierbaren Wirkungsnachweises reduziert wird mit dem Ziel, einen Gegenstand/Bereich in einen Zustand zu versetzen, dass von ihm keine Infektionsgefährdung mehr ausgehen kann. Ziel der Desinfektion ist die Verminderung der Anzahl pathogener oder fakultativ-pathogener Mikroorganismen [11].

Zu diesem Schluss kommt auch eine weitere Studie [3], in der Personen und Oberflächen ihres Arbeitsumfelds getestet wurden. Die Mitarbeiter unterschiedlicher Arbeitsplätze in Europa und den USA wurden mittels RT-PCR auf eine SARS-CoV-2-Infektion getestet (841 Tests). Zusätzlich wurden Umgebungsoberflächen untersucht. Fünf asymptomatische Mitarbeiter waren positiv getestet worden mit Ct-Werten zwischen 33 und 36. Von 5500 Oberflächenproben waren nur 44 (0,8%) positiv, mit Ct-Werten zwischen 34 und 38, was darauf hinweist, dass die Viruslast auf Oberflächen in unmittelbarer und dauerhafter Nähe zu Virusträgern gering war [3].

Das empfiehlt das RKI

In Außenbereichen beziehungsweise in öffentlichen Bereichen steht die Reinigung von Oberflächen im Vordergrund. Dies gilt auch für Oberflächen, denen antimikrobielle Eigenschaften zugeschrieben werden, da auch hier Sekrete und Verschmutzungen mechanisch entfernt werden sollen. Ob eine Desinfektion von bestimmten Flächen außerhalb von Gesundheitseinrichtungen überhaupt notwendig ist, sollte im Einzelfall anhand der tatsächlichen Kontamination der Fläche entschieden werden. Hier ist an Oberflächen zu denken, die durch respiratorische Sekrete kontaminiert wurden, oder an Oberflächen, die häufig von Erkrankten berührt wurden.

Eine routinemäßige Flächendesinfektion in häuslichen und öffentlichen Bereichen, auch der häufigen Kontaktflächen, wird in der jetzigen COVID-Pandemie nicht empfohlen. Hier ist die angemessene Reinigung das Verfahren der Wahl. Davon unbenommen sind Situationen, in denen an COVID Erkrankte im häuslichen Umfeld versorgt werden, sowie die Desinfektion im klinischen Bereich, also bei der Versorgung von Patienten mit bestätigter COVID-19-Erkrankung. Hier sind Reinigung und Desinfektion von Oberflächen entsprechend der KRINKO-Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen“ durchzuführen [10, 11].

Hinweise des RKIs zur Reinigung und Desinfektion von Oberflächen außerhalb von Gesundheitseinrichtungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie (Stand: 3.7.2020)

Reinigen oder Desinfizieren?

Die insgesamt geringe Oberflächenbelastung erklären die Autoren mit der Trennung zwischen nicht infektiösen Personen und Virusträgern sowie mit einer regelmäßigen Desinfektion der Oberflächen. Hier kommt nun eine weit verbreitete Frage ins Spiel: Sollen die Oberflächen gereinigt oder desinfiziert werden? Die Studienautoren raten dazu, in öffentlichen Einrichtungen die Oberflächen lediglich regelmäßig zu reinigen. Eine Flächendesinfektion sollte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn eine große Anzahl infektiöser SARS-CoV-2-Viren auf einer Fläche nachgewiesen ist, die eine Übertragung wahrscheinlich macht und die nicht durch andere Maßnahmen wie die Reinigung und das Händewaschen kontrolliert werden kann. Ferner weisen die Autoren darauf hin, dass eine regelmäßige Flächendesinfektion die Diversität des Mikrobioms verringert und die Diversität der Resistenzgene erhöht. Eine nicht sachgerechte Desinfektion, insbesondere bei zu geringer Dosierung des Desinfektionsmittels, kann zur Entwicklung von Toleranzen gegenüber Desinfektionsmitteln und möglicherweise auch zu neuen Antibiotikaresistenzen führen. – Diese Aussagen entsprechen auch den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Reinigung und Desinfektion von Oberflächen außerhalb von Gesundheitseinrichtungen (s. Kasten „Das empfiehlt das RKI“). |

Literatur

 [1] Kampf G et al. Ct values and infectivity of SARS-CoV-2 on surfaces. The Lancet Infectious Diseases. Correspondence, online first. Published: November 19, 2020, DOI:https://doi.org/10.1016/S1473-3099(20)30883-5.

 [2] https://www.who.int/publications/i/item/surface-sampling-of-coronavirus-disease-(-covid-19)-a-practical-how-to-protocol-for-health-care-and-public-health-professionals.

 [3] Marshall DL et al. Sentinel coronavirus environmental monitoring can contribute to detecting asymptomatic SARS-CoV-2 virus spreaders and can verify effectiveness of workplace COVID-19 controls. Microb Risk Anal. 2020; (published online Aug 30.) https://doi.org/10.1016/j.mran.2020.100137

 [4] Yamagishi T et al. Environmental Sampling for Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 During a COVID-19 Outbreak on the Diamond Princess Cruise Ship. J Infect Dis 2020; 222(7): 1098-102.

 [5] Zhou J et al. Investigating SARS-CoV-2 surface and air contamination in an acute healthcare setting during the peak of the COVID-19 pandemic in London. Clinical infectious diseases: an official publication of the Infectious Diseases Society of America 2020.

 [6] Ahn JY et al. Environmental contamination in the isolation rooms of COVID-19 patients with severe pneumonia requiring mechanical ventilation or high-flow oxygen therapy. J Hosp Infect 2020.

 [7] Ben-Shmuel A et al. Detection and infectivity potential of severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) environmental contamination in isolation units and quarantine facilities. Clin Microbiol Infect 2020.

 [8] Wang J et al. SARS-CoV-2 RNA detection of hospital isolation wards hygiene monitoring during the Coronavirus Disease 2019 outbreak in a Chinese hospital. International journal of infectious diseases: IJID : official publication of the International Society for Infectious Diseases 2020; 94: 103-6.

 [9] Colaneri M et al. Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 RNA contamination of inanimate surfaces and virus viability in a health care emergency unit. Clin Microbiol Infect 2020; 26(8): 1094.e1-.e5.

[10] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Reinigung_Desinfektion.html

[11] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/Downloads/Flaeche_Rili.pdf?__blob=publicationFile.

Autorin

Dr. Petra Jungmayr ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Onkologische Pharmazie sowie freie Mitarbeiterin der DAZ.

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