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- DAZ 5/2020
- Vom „verborgenen Hunger
Rezension
Vom „verborgenen Hunger“
Neues Übersichtswerk zu Nährstoffen und dem praktischen Umgang mit ihnen
In der Einführung greift Hans Konrad Biesalski, Ernährungsmediziner und Professor für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft an der Universität Hohenheim, die gefühlte Unsicherheit über diese Fragen auf. Das Wissen über Mikronährstoffe ist kaum größer als das Unwissen, und neue Erkenntnisse werfen stets neue Fragen auf. Hinderlich ist die bis heute gängige, beschränkte Vorstellung, dass jedem Vitamin eine Krankheit zuzuordnen ist, die bei dessen Mangel auftritt, während eine bestimmte Nährstoffmenge dies verhindert. Der klinisch sichtbare Mangel ist nur der Endpunkt einer Entwicklung, an dessen Beginn unspezifische und schwer fassbare Symptome stehen, die oftmals nicht mit einem Mikronährstoffmangel in Verbindung gebracht werden. Diesen Sachverhalt bezeichnet Biesalski als den „verborgenen Hunger“. Dem Aufspüren und Beheben dieses Zustands widmet sich das Buch.
Vor diesem Hintergrund ist ein eigenes Kapitel zu den Auswirkungen des Sozialstatus zu sehen. Dem Rückgang der Arbeitslosigkeit und dem Wachstum zum Trotz ist die Armutsquote in Deutschland zwischen 2006 und 2015 um ein weiteres Prozent auf 15,7% gestiegen. Vor allem alleinerziehende Frauen und ihre Kinder sind zunehmend von dem betroffen, was Biesalski Ernährungsarmut nennt. Die Ernährung gestaltet sich bei einem Mangel an Mikronährstoffen oft hyperkalorisch. Es besteht nicht nur der „verborgene Hunger“ nach Mikronährstoffen, sondern ein „double burden“, der das Entstehen von Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt. Die klassischen Zivilisationskrankheiten erscheinen aus diesem Blickwinkel als Armutskrankheiten. Bei armen Menschen hohen Alters ist die Ernährung sogar weder qualitativ (Mikronährstoffe) noch quantitativ (Energiegehalt) hinreichend – was sich viele in Politik und Gesellschaft kaum vorstellen können.
Im speziellen Teil, der klassisch in fett- und wasserlösliche Vitamine, Minerale und Spurenelemente gegliedert ist, wird der Stand der Erkenntnisse nach einem klaren Algorithmus abgearbeitet: Von Vitamin A bis Pantothensäure, von Arsen bis Zink werden Funktion, Nährstoffquellen, Risikogruppen, Interaktionen, Analytik, Mangel und Unterversorgung, Therapie, Toxikologie abgehandelt. Eine Tabelle fasst zu jedem Mikronährstoff das Wichtigste in Kürze zusammen. Wichtige Einzelbotschaften werden im gut lesbaren, zweispaltigen Fließtext als „Merke“- oder „Fazit“-Elemente hervorgehoben, was die hohe Praxistauglichkeit des Werkes unterstützt. Insbesondere wird auch der wechselnde Bedarf, je nach Krankheitsbild und jeweiligem Lebensabschnitt dargestellt.
Ein eigenes Kapitel widmet sich der Wechselwirkung von Mikrobiota und Vitaminen. Darmbakterien können einerseits in beträchtlichen Mengen wasserlösliche Vitamine synthetisieren, die zum Teil ihnen selbst und zum Teil dem Wirt zugute kommen. Andererseits beeinflussen Mikronährstoffe die Kolonisierung des Darms, den Stoffwechsel und die Virulenz seiner Bakterien. Was das im Falle eines Mangels an Mikronährstoffen oder ihrer (Über-)Supplementation konkret bedeutet, obliegt noch der Erforschung. Schließlich wird ausführlich auf spezielle klinische Fragestellungen und Krankheitsbilder eingegangen.
Fazit: Der Autor ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Ernährungsmedizin und gibt mit diesem Werk Ärzten, Pharmazeuten und Ernährungsberatern einen hervorragenden Ratgeber für Klinik, Offizin und Praxisalltag an die Hand. |
Vitamine, Spurenelemente und Minerale
Indikation, Diagnostik, Therapie
Hans Konrad Biesalski
2. aktualisierte und erweiterte Auflage 2019, 416 S., 28 Abb.
59,99 Euro
Georg Thieme Verlag KG
ISBN: 978-3-13-242735-8
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