Pandemie Spezial

Gurgeln und sprühen gegen Corona

Was die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene empfiehlt

pj/daz | Nun hat auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn empfohlen, prophylaktisch zu gurgeln und so das Coronavirus-Infektionsrisiko zu senken. Im Vorfeld hatte vor allem der Krankenhaushygieniker Prof. Dr. Klaus Dieter Zastrow, Berlin, medienwirksam für diese Form der Infektionsprophylaxe geworben (s. DAZ 2020, Nr. 44, S. 28). Jetzt hat die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) erstmals allgemeine Empfehlungen formuliert.

Die DGKH plädiert dafür, neben den Abstandsregeln, der Händedesinfektion, dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz und der Belüftung von Innenräumen auch die Möglichkeiten des viruziden Gurgelns und Sprühens als Prophylaxe-Maßnahme verstärkt zu nutzen. Diese Methoden seien zu Unrecht in Vergessenheit geraten. In ihren Empfehlungen hat die Ge­sellschaft den Wissensstand kurz zusammengefasst.

In-vitro-Wirksamkeit

Eine In-vitro-Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 wird als erwiesen angesehen für:

  • Nasensprays auf Basis von Carragelose (Algovir® Erkältungsspray; enthält Rotalgen­extrakt) und PVP-Iod in Konzentrationen > 0,23%.
  • Mundwässer auf Basis ätherischer Öle, Dequaliniumchlorid und Benzalkoniumchlorid (Dequonal®), Phenoxyethanol plus Octenidin (Octenisept®), Ethanol plus Ethyllaurylarginat und zwei Mundwässer auf der Basis von Cetylpyridiniumchlorid. Zudem wird die In-vitro-Inaktivierung sowohl für alkoholhaltige (Listerine Cool Mint®) als auch für alkoholfreie Mundspüllösungen (Listerine Cool Mint® milder Geschmack) als erwiesen angesehen.

Für nicht ausreichend wirksam hält die DGKH Mundwässer auf Basis von Wasserstoffperoxid, Polihexanid, Chlorhexidin oder Octenidin (letzteres ohne die Kombination mit Phenoxy­ethanol). Eine etwas geringere In-vitro-Wirksamkeit attestiert sie grünem Tee, Granatapfel- und Aroniasaft gegen verschiedene Erreger respiratorischer Infektionen in vitro. Für Salbeiextrakt wird aufgrund der In-vitro-Wirksamkeit gegen Grippe- und einige Coronaviren davon ausgegangen, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gegen SARS-CoV-2 wirkt.

Foto: alexeg84 – stock.adobe.com

Die DGKH empfiehlt auch Gurgeln für Kinder zur Präexpositionsprophylaxe.

Erkenntnisse aus Anwendungsstudien

Neben diesen Angaben zur In-vitro-Wirksamkeit liegen auch Anwendungsstudien zur präventiven und therapeutischen Wirksamkeit einiger Nasensprays und Gurgellösungen bei unterschiedlichen viralen Erkrankungen vor. So führte etwa das präventive Gurgeln mit hypertoner Kochsalzlösung (2% bis 3%) zu einer signifikanten Verkürzung einer Virusgrippe. Grüner Tee reduzierte die Viruserkrankungen, PVP-Iod 7%, präventiv eingesetzt, reduzierte Fehlschultage wegen Erkältungskrankheiten und Virusgrippe. Gurgeln zu therapeutischen Zwecken mit einer 1%igen PVP-Iod-Lösung und auch die Kombination von Ethanol mit ätherischen Ölen konnte die Viruslast von COVID-19-Patienten senken. Carragelose-haltige Nasensprays verkürzten die Erkrankungsdauer bei Erkältungskrankheiten, und Salbei­extrakt zeigte bei Herpes labialis eine ähnliche Wirksamkeit wie Aciclovir.

Wirksam ohne Risiko?

Neben der Datensichtung zur Wirksamkeit wurde auch eine Risikobewertung einzelner Wirkstoffe bei Langzeitanwendung durch die DGKH vorgenommen. Für Carragelose, Ethanol plus ätherische Öle, Kochsalzlösung sowie grünen Tee konnte kein erhöhtes Risiko festgestellt werden. Die Resorption von Iod beim Gurgeln mit PVP-Iod ist nicht untersucht. Dem derzeitigen Kenntnisstand zufolge erscheint eine Anwendung in Konzentrationen von bis zu 2,5% über einen Zeitraum von bis zu fünf Monaten sicher. Hingegen könnte die langfristige Anwendung von Octenidin Nebenwirkungen haben (Mukositis; bei Aufnahme in die Lunge mögliches Risiko von zunächst nicht bemerkbaren Langzeitnebenwirkungen).

Empfehlungen zur Prävention

Die DGKH leitet aus ihren Analysen für Deutschland folgende Empfehlungen zur Präexpositionsprophylaxe für Mitarbeiter im Gesundheitswesen ab: Werden Eingriffe vorgenommen, bei denen Aerosole entstehen, wie etwa bei einer zahnärztlichen Behandlung, beim HNO-Arzt oder bei einer Intubation, sollte der Patient zuvor mit einer 1,25%igen wässrigen PVP-Iod-Lösung gurgeln. Besteht hierfür eine Kontraindikation, kommen Mundwässer auf Basis ätherischer Öle infrage.

Zur Präexpositionsprophylaxe zum Schutz der Bevölkerung rät die DGKH vor allem zu prophylaktischen Maßnahmen bei gemeinschaftlichen Mahlzeiten und Aktivitäten in Pflegeeinrichtungen oder größeren Zusammenkünften. Mitarbeiter im Pflegebereich sollten zu Hause und ein weiteres Mal in der Einrichtung gurgeln, um gegebenenfalls unterwegs adhärierte Viren zu inaktivieren. Dabei ist darauf zu achten, dass es beim Ausspucken der Gurgellösung nicht zur Kontamination der Umgebung kommt. Was die Wahl des Gurgelmittels anbelangt, so werden folgende Empfehlungen ausgesprochen (in absteigender Reihenfolge):

  • Mundwässer auf Basis ätherischer Öle,
  • 1,25%ige PVP-Iod-Lösung (NRF 15.13),
  • grüner Tee oder Kochsalzlösung.

Bei der Testung PVP-Iod-basierter Mundspüllösungen und Nasensprays wurde durch PVP-Iod (ab einem Wirkstoffgehalt von 1%) SARS-CoV-2 sicher inaktiviert. In Schulen und Kindergärten wird Kindern und Betreuern das Gurgeln mit grünem Tee oder Kochsalzlösung sowie die Anwendung von Nasensprays empfohlen. Bei hoher Ansteckungsgefahr sollten bevorzugt Lösungen auf der Basis ätherischer Öle ohne Alkoholzusatz und Nasensprays mit Carragelose eingesetzt werden.

Postexpositionsprophylaxe

Nach Kontakt mit SARS-CoV-2-Infizierten sollte man mindestens eine Woche lang mehrmals täglich mit Mundwasser auf der Basis ätherischer Öle gurgeln. Als Alternative kommt auch eine 0,23%ige wässrige PVP-Iod-Lösung in Betracht, sofern keine Kontraindikation besteht. Da in Deutschland kein Fertigarzneimittel in dieser Konzentration erhältlich ist, kann Betaisodona-Mund-Antiseptikum® verdünnt werden (3 ml auf 100 ml Wasser). Zusätzlich sollte ein Nasenspray auf Basis von Carragelose verwendet werden.

Zum Weiterlesen

Häschke D, Stahlmann R. Mundspülungen gegen ­COVID-19 – Was zur Wirksamkeit und Toxikologie von aseptischen Mundlösungen bekannt ist.

DAZ 2020, Nr. 50, S. 28

Wie viel und wie lange?

Auf Nachfrage erklärte Dr. Peter Walger, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, dass für die priorisierten Lösungen – PVP-Iod über 1% und Listerine Cool Mint – eine Gurgeldauer von 30 Sekunden, besser noch von einer Minute anzustreben ist. Da In-vivo-Studien noch nicht vorliegen, seien exaktere Empfehlungen modifiziert nach Produkt nicht möglich. Gegurgelt werden soll mit der Menge eines Schnapsglases, also mit rund 20 ml. |

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