Gesundheitspolitik

Schlaglichter der ­Gesundheitspolitik

ks | Das Coronavirus SARS-CoV-2 bestimmte 2020 unser aller Leben, vor allem aber auch die Gesundheitspolitik. In Windeseile gilt es Gesetze und Verordnungen auf den Weg zu bringen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Andere gesundheitspolitische Themen treten allerdings nicht ganz in den Hintergrund. Schon 2019 in Angriff genommene Vorhaben werden zu Ende geführt, neue angestoßen. Auch dabei wirkt die Corona-Krise teilweise als Treiber – gerade bei der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ohnehin mit Nachdruck verfolgten Digitalisierung im Gesundheitswesen. Das endlich beschlossene Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz ist ein Kapitel für sich – hier ein Überblick, was das Bundesgesundheitsministerium darüber hinaus in die Wege geleitet hat.

Das Jahr beginnt für die Apotheken noch ohne große Überraschungen, dafür mit den erwarteten höheren Ver­gütungen für Notdienste und für die Bearbeitung von T- und BtM-Rezepten. Dafür sorgt eine bereits im Oktober 2019 beschlossene Änderung der Arzneimittelpreisverordnung. So wird der Notdienstzuschlag pro rezeptpflichtiges Arzneimittel von 16 auf 21 Cent erhöht. Die Notdienstpauschale steigt im 1. Quartal 2020 sogar auf 411 Euro, was aber auch mit durch die Pandemie bedingten Arzneimittelbevorratungen zusammenhängt. In den Folgequar­talen bleibt die Pauschale knapp unter 350 Euro – diese Höhe hatte der Gesetzgeber angepeilt. Bei BtM- und ­T-Rezepten steigt der zusätzliche Zuschlag von 2,91 auf 4,26 Euro pro Abgabe (DAZ 1/2, S. 9). Ursprünglich waren diese Erhöhungen im Rahmen des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG) vorgesehen, dann aber herausgelöst worden, als sich zeigte, dass diese Reform nicht so schnell unter Dach und Fach zu bringen ist.

Bonpflicht

Eine weitere Neuerung und ein großer Aufreger zum Jahresbeginn ist die Bonpflicht. Sie ist eine Maßnahme des bereits Ende 2016 verabschiedeten „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“, das Steuerbetrug verhindern soll. Allen Kunden muss nun ein ausgedruckter Bon angeboten werden – alternativ kann er auch elektronisch, etwa auf das Smartphone, übermittelt werden. Anfang des Jahres gibt es noch viele Diskussionen um die unliebsame Pflicht, sogar eine Peti­tion (AZ 3, S. 8; AZ 6, S. 8; DAZ 9, S. 14) – letztlich geht die Debatte jedoch im Zuge der Corona-Krise unter. Eigentlich müssen elektronische Kassen seit dem 1. Januar 2020 auch durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung geschützt sein, eine Aufgabe, die den Anbietern der Kassensysteme obliegt. Allerdings wurde hier schon 2019 behördlicher Aufschub gewährt: Bis Ende September soll es nicht beanstandet werden, wenn die Aufzeichnungssysteme noch nicht über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung ver­fügen. Nachdem sich im Sommer ­abzeichnet, dass viele Betriebe es auch bis zum 30. September nicht schaffen werden, ihre Registrierkassen nachzurüsten, verlängerten fast alle Bundesländer diese Frist bis 31. März 2021. Bundesfinanzminister Olaf Scholz funkt zwar dazwischen – doch nicht alle Länder wollen sich ­fügen (AZ 39, S. 4).

PTA-Reformgesetz

Mitte Januar wird das PTA-Reformgesetz im Bundesgesetzblatt verkündet. Das zuvor zwischen Bund und Ländern höchst umstrittene – und zustimmungspflichtige – Gesetz hatte noch Ende Dezember 2019 den Bundesrat passiert. Die Länder verzichteten darauf, den Vermittlungsausschuss anzurufen, obwohl es eine Reihe von Streitpunkten gab – unter anderem die Ausbildungsdauer: Die Länder hatten eine dreijährige und zudem verzahnte Ausbildung mit wechselnden praktischen und schulischen Ausbildungsabschnitten gefordert. Doch letztlich bleibt es bei zwei Jahren Schule und einem halben Jahr Praxis. Allerdings hat der Bund den Ländern insoweit nachgegeben, dass die Neuerungen nicht schon 2021, sondern erst zum 1. Januar 2023 wirksam werden (DAZ 1/2, S. 11). Was das Gesetz nicht anpackt ist die Schulgeldfrage. Diese soll innerhalb eines „Gesamtkonzepts Gesundheitsberufe“ von Bund und Ländern geklärt werden, Anfang März einigt man sich auf eine Schulgeldfreiheit – gesetzliche Änderungen müssen folgen (AZ 11, S. 8).

Organspende

Anfang des Jahres beschließt der Bundestag ein Gesetz, um die Zusammenarbeit und die Strukturen bei der Organspende zu verbessern. Es geht vor allem um eine bessere Organisation an den Kliniken – und mehr Geld für sie. Minister Spahn hätte auch gerne verankert, dass jeder Organspender ist, so lange er dem nicht ausdrücklich widerspricht. Doch dazu kommt es nicht. Das Gesetz bestimmt lediglich, dass Bürger nun ­regelmäßig nach ihrer Organspendebereitschaft gefragt werden – unter anderem in den Ausweisstellen von Bund und Ländern. Auch Hausärzte sollen ihre Patienten regelmäßig darauf hinweisen, dass sie sich für eine Organspende entscheiden können. In einem neuen bundesweiten Online-Register sollen die Bürger ihre Spendebereitschaft künftig einfach dokumentieren und jederzeit ändern oder widerrufen können. Kranken­häuser erhalten hierauf Zugriff (DAZ 4, S. 14; DAZ 8, S. 14).

Patientendaten-Schutzgesetz

Ende Januar legt das BMG den Referentenentwurf für das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) vor. Das Gesetz soll – nach dem 2019 beschlossenen Digitale-Versorgung-Gesetz – die Digitalisierung weiter vorantreiben. Speziell die elektronische Patientenakte (ePA) soll weiterentwickelt werden – aber auch das E-Rezept und seine Übermittlung sind Teil des PDSG. Im Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) soll ein neues Kapitel allein für die Telematikinfrastruktur (TI) geschaffen werden. Geplant ist unter anderem, dass die Gematik die App für die Übermittlung des E-Rezepts selbst entwickelt, sie soll im Laufe des Jahres 2021 zur Verfügung stehen. Die Web-App des Deutschen Apothekerverbands (DAV) wird dagegen keine Rolle spielen. Die Versicherten sollen aber wählen können, ob ihnen die für den Zugriff auf das E-Rezept erforderlichen Zugangsdaten durch einen Ausdruck in Papierform oder elektronisch bereitgestellt werden sollen. Weiterhin soll die Selbstverwaltung dafür sorgen, dass auch Grüne Rezepte als E-Rezept funktionieren. Vorgesehen ist überdies, dass Apotheken eine Vergütung erhalten, wenn sie die Versicherten bei der Nutzung und Befüllung der ePA unterstützen.

Zudem enthält der Referentenentwurf die zuvor in der Apothekenreform geplanten Regelungen zum erweiterten Zuweisungsverbot und zum Makelverbot, die sich ausdrücklich auch auf EU-Versender erstrecken sollen. (DAZ 6, S. 12; AZ 6, S. 1). Die ABDA übt Kritik an den gesetzgeberischen ­E-Rezept-Plänen: Sie sieht Nachbesserungsbedarf beim Makelverbot (Erstreckung auf „Dritte“ und „technische Absicherung“) und wirbt weiterhin mit Nachdruck für die DAV-Web-App (DAZ 7, S. 10; AZ 10, S. 1). Anfang April beschließt das Kabinett dann ­einen deutlich überarbeiteten Gesetzentwurf. Das Rezeptmakelverbot in § 11 Apothekengesetz wird nun auch auf Dritte erstreckt. Und es werden konkrete Daten für die Einführung des E-Rezepts genannt: Ärzte sind ab 1. Januar 2022 verpflichtet, Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in elektronischer Form auszustellen und dafür die TI zu nutzen. Ausnahmen bestätigen die Regel: Die E-Rezept-Pflicht gilt nicht, wenn die elektronische Ausstellung nicht möglich ist (etwa bei ärztlichen Hausbesuchen) oder die dafür erforderlichen technischen Dienste nicht zur Verfügung ­stehen. Für Betäubungsmittel und ­T-Rezepte gilt sie ebenfalls vorerst nicht. Die Apotheken werden entsprechend zum 1. Januar 2022 verpflichtet, Rx-Arzneien auf Grundlage dieser ­E-Rezepte abzugeben. Zudem werden erste Weichen für die E-Rezept-Einlösung bei EU-Versendern gestellt. Die Gematik erhält den Auftrag, EU-ausländische Apotheken mit für den Zugang zur TI erforderlichen Heilberufsausweisen (HBA) und Institutionskarten (SMC-B) zu versorgen.

Die Apothekerschaft freut sich über das nachjustierte Makelverbot, hat aber Bedenken bei der E-Rezeptpflicht (AZ 15/16, S. 1; DAZ 15, S. 12). Im Mai befasst sich der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf. Er schlägt unter anderem vor, das Zuweisungsverbot für Vertragsärzte für Ausnahmesituationen zu öffnen: Arztpraxen sollen E-Rezepte direkt in die vom Patienten gewählte Apotheke übermitteln können, wenn dieser die elektronische Verschreibung selbst nicht empfangen kann. Außerdem sollen Patienten auch ab 2022 noch ein echtes Wahlrecht haben, ob sie ein Papier oder ein E-Rezept haben wollen (AZ 20, S. 1; AZ 21, S. 1). Die Regierung lehnt die Vorschläge aus den Ländern jedoch ab (DAZ 22, S. 10). Die ABDA kämpft weiter für eine technische Absicherung des Makelverbots. Es müsse gesetzlich festgelegt sein, dass der Versicherte mit einer einheitlichen, ihm zur Verfügung gestellten App unmittelbar die Auswahl der ihn versorgenden Apotheke vornimmt. Eine Weitergabe von Verordnungsdaten an Apps von Drittanbietern, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, oder die Steuerung des Einlösevorgangs des Rezeptes durch diese Apps müsse ausgeschlossen werden (AZ 22, S. 1; DAZ 22, S. 10). Anfang Juli verabschiedet der Bundestag das Gesetz ohne diesem Wunsch nachgekommen zu sein (AZ 28, S. 1; DAZ 28, S. 9).

Herzstück des PDSG aus Sicht der Gesundheitspolitiker der Großen Koalition ist ePA. Sie soll all das und mehr bieten, was für die schon für 2004 geplante elektronische Gesundheitskarte vorgesehen war. Die Krankenkassen müssen die ePA ihren Versicherten ab 2021 anbieten. Gefüllt werden soll sie dann z. B. mit Befunden, Arztberichten, Röntgenbildern, dem Impf- und Mutterpass oder dem Zahnbonus-Heft. Ab 2022 haben Patienten ihrerseits einen Anspruch, dass Ärzte die Patientendaten dort eintragen. Jeder Versicherte soll selbst entscheiden können, ob er die ePA nutzt oder nicht. Allerdings wird es im Jahr 2021 zunächst nur möglich sein, die Akte insgesamt gegenüber Leistungserbringern freizugeben. Erst 2022 soll eine Auswahl bestimmter Daten möglich sein. Ab 2023 sollen die Versicherten ihre Daten überdies der Forschung freiwillig zur Verfügung stellen können.

Der Umstand, dass Versicherte im ersten ePA-Jahr noch nicht in der Lage sein werden, den Leistungserbringern nur Teile der gespeicherten Daten zu eröffnen, ist ein Hauptkritikpunkt der Oppositionsparteien FDP und Die Linke. Im August melden auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ­Ulrich Kelber und seine Kollegen aus den Ländern massive Bedenken an: Sie sind der Auffassung, dass die Regelungen zum Zugriffsrecht auf die ePA sowie das Authentifizierungsverfahren nicht den Anforderungen des europä­ischen Datenschutzrechts genügen. Sie warnen die unter ihrer Aufsicht stehenden Krankenkassen, zum neuen Jahr die ePA nach den Vorgaben des PDSG einzuführen. Die Bundesregierung weist die Kritik jedoch zurück und auch der Bundesrat winkt das PDSG im September durch. Das Gesetz tritt am 20. Oktober in Kraft (AZ 44, S. 1)

Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz

Das GKV-FKG, das über das Jahr 2019 entwickelt wurde, kommt Anfang 2020 zum Abschluss. In erster Linie reformiert das Gesetz den Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen neu. Doch es entwickelt sich zum Omnibus für zahlreiche weitere Regelungen, nicht zuletzt für Maßnahmen, die Arzneimittellieferengpässen entgegenwirken sollen. Die zunächst angedachte Regelung, dass Apotheken bei Nichtlieferfähigkeit eines Rabattarzneimittels „nach Ablauf von 24 Stunden“, ein anderes, wirkstoffgleiches, nicht rabattiertes und lieferbares Präparat abgeben können, das den Preis des verordneten Arzneimittels nicht überschreitet, entfällt nach massivem Protest der Apotheker (AZ 7, S. 1). Stattdessen soll die Apotheke bei einem nicht verfügbaren Rabattarzneimittel nun unmittelbar austauschen dürfen – und die Kasse hat die Mehrkosten zu tragen, soweit auch kein Arzneimittel zum Festbetrag verfügbar ist. Das Nähere ist allerdings noch von DAV und GKV-Spitzenverband im Rahmenvertrag festzulegen.

Darüber hinaus bringt das GKV-FKG neue Meldepflichten für Hersteller und Großhändler gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Sie müssen auf Anforderung zu versorgungsrelevanten Arzneimitteln erfolgen. Zudem ist ein regelmäßiges Monitoring vorge­sehen: Das BfArM erstellt nach Anhörung seines ebenfalls neu zu schaffenden Beirats, der den Jour Fixe zu Lieferengpässen ablöst, eine Liste von Fertigarzneimitteln, für die eine regelmäßige Datenübermittlung zur Beurteilung der Versorgungslage erforderlich ist. Zu diesen Arzneimitteln haben die Pharmaunternehmen regel­mäßig Informationen zu verfügbaren Lagerbeständen, zur Produktion und zur Absatzmenge zu melden. Auf Anforderung des BfArM müssen auch Großhändler solche Daten regelmäßig liefern. Weiterhin können die Bundesoberbehörden Herstellern und Großhändlern für versorgungskritische Arzneimittel z. B. Vorgaben zur Lagerhaltung erteilen. Und: Im Einzelfall können auch Arzneimittel, die nicht in deutscher Sprache gekennzeichnet sind, angewendet werden. Diese Ausnahme ist aber auf versorgungsrelevante Arzneimittel beschränkt, die vom Arzt unmittelbar bei Patienten angewendet werden.

Der Bundestag beschließt das Gesetz, als sich zeigt, dass das neuartige Coronavirus zum globalen Problem wird – die nächsten Engpässe werden bereits befürchtet. Schließlich ist China und speziell die Region Hubei, ein bedeutender Standort für die Arzneimittel- und Wirkstoffherstellung (AZ 8, S. 1, S. 4; AZ 9, S. 1). Als der Bundesrat das Gesetz Mitte März passieren lässt, melden die Länder in einer begleitenden Entschließung ein Mitspracherecht, wenn weitere Möglichkeiten zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung geprüft werden (AZ 12, S. 8).

Das Gesetz tritt zum 1. April in Kraft. Die rahmenvertraglichen Detailregelungen zu der für Apotheken besonders relevanten neuen Austauschmöglichkeit bei nicht lieferbaren Rabattarzneimitteln werden zwar zum 1. August getroffen. Allerdings gehen sie im Corona-Jahr letztlich unter – die SARS-CoV-2-Arzeimittelversorgungsverordnung eröffnet den Apotheken einen weit größeren Spielraum für den Austausch.

Masernschutzgesetz

Zum 1. März tritt das Masernschutzgesetz in Kraft. Es bringt vor allem eine Impfpflicht gegen Masern (DAZ 9, S. 9), enthält aber auch zwei für Apotheken bedeutsame Regelungen, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aus der ursprünglich angedachten Apothekenreform herausgelöst wurden: das Wiederholungsrezept und die Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen in der Apotheke. Beide Neuerungen laufen vor allem der ­Ärzteschaft gegen den Strich. Für die Apotheken werden sie nicht direkt spürbar. Die Modellprojekte für den Herbst sind erst noch zwischen Apothekern und Krankenkassen zu vereinbaren. Und für das Wiederholungsrezept müssen Ärzte, Kassen und Apotheken noch Vorarbeit leisten. Dachte man zunächst noch, letzteres könne bald erledigt sein, zeigt sich, dass die Impfprojekte die Wiederholungsrezepte überholen. Nachdem über den Sommer die meisten Landesapothekerkammern ihre Berufsordnung anpassen, um das Impfen in der Apotheke zu ermöglichen, die Bundesapothekerkammer eine Leitlinie sowie ein Curriculum für die Schulung der Apotheker verabschiedet und dem Gegenwind aus der Ärzteschaft standgehalten wird (AZ 26, S. 8; DAZ 28, S. 16), verein­baren im Juli der Apothekerverband Nordrhein und die AOK Rheinland/Hamburg das erste Modellprojekt (AZ 29, S. 1; DAZ 29, S. 12). Weitere Projekte folgen, zum Beispiel im Saarland und in der Oberpfalz (AZ 31, S. 8). Die ersten Impfungen finden ­Anfang Oktober in Nordrhein und im Saarland statt (DAZ 41, S. 9).

Das Prozedere, wie das Wiederholungsrezept abzuwickeln ist, steht ­hingegen zum Jahresende noch immer nicht fest. Die Gespräche hierzu in der Selbstverwaltung laufen weiterhin – man darf also auf eine Lösung 2021 gespannt sein.

Die epidemische Lage von nationaler Tragweite

Zum Jahresbeginn hatte man noch Hoffnung, das erstmals in China aufgetauchte neue Coronavirus könne Deutschland und Europa verschonen. Als Ende Januar der erste Fall in Bayern bekannt wird, beruhigt Spahn: Man sei gut vorbereitet. Kurz darauf erklärt die WHO die Ausbreitung des Virus zu einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“. Ende Februar werden weitere Infektionen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen bekannt. Beunruhigend ist vor allem die Situation in Italien. Nun gibt es dann kein Beschönigen mehr. Die deutsche Regierung schaltet in den Krisenmodus. Im BMG findet ein erster Corona-Krisengipfel statt, an dem auch die ABDA teilnimmt, zudem setzen BMG und Bundesinnenministerium einen Krisenstab ein. Ziel ist, die Bevölkerung bestmöglich zu schützen. Jens Spahn steht vor einer echten Bewährungsprobe (AZ 10; DAZ 10, S. 9). Schnell werden Desinfektionsmittel zur Mangelware – und Apotheken retten aus der Not: Im März wird ihnen per Allgemeinverfügung temporär erlaubt, Händedesinfektionsmittel herzustellen und in den Verkehr zu bringen (AZ 11, S. 8). Im April folgt eine entsprechende Ausnahme von der Biozid-Verordnung für Flächendesinfektionsmittel (DAZ 15, S. 16; DAZ 21, S. 22), die zum 1. Oktober ausläuft (DAZ 39, S. 23). Das Bundesfinanzministerium erlaubt zudem, dass Alkohol, mit dem Apotheken Desinfektionsmittel herstellen, ohne gesonderte Erlaubnis vorläufig steuerfrei verwendet werden darf (AZ 13, S. 4). Auch Schutzaus­rüstung fehlt allerorten und muss ­beschafft werden. Im März wird es richtig ernst. Deutschland geht in den Lockdown. Eine ungebremste Ausbreitung des ­Virus soll nun mit allen Mitteln verhindert werden – durch größtmögliche Kontaktbeschränkungen. Während fast der gesamte Einzelhandel schließt, bleiben Apotheken neben Supermärkten geöffnet – unter besonderen Schutzvorkehrungen und teilweise auch mit verkürzten Öffnungszeiten (DAZ 12, S. 12; DAZ 13, S. 15). Im ­Hause Spahn startet die Corona-­Gesetzgebung, die uns das gesamte Jahr begleiten wird.

Erstes Bevölkerungsschutz­gesetz

Innerhalb weniger Tage werden Referentenentwürfe aus dem BMG zu richtigen Gesetzen. Die ersten dieser Art sind das „COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz“, das die wirtschaftlichen Folgen für Krankenhäuser und Vertragsärzte auffangen soll, sowie das erste „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Letzteres soll die Reaktionsfähigkeit der Politik auf Epidemien verbessern. Konkret räumt es insbesondere dem BMG über neue Regelungen im Infektionsschutzgesetz weitreichende Ermächtigungen für den Fall einer vom Bundestag festgestellten „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ ein – und eben diese besondere Lage stellt das Parlament am 25. März fest (DAZ 13, S. 9; AZ 14, S. 1). Bereits am 28. März treten die Gesetze in Kraft. Nun kann Spahn ohne Zustimmung des Bundesrates Verordnungen erlassen, die die Gesundheitsversorgung ­sichern sollen – er kann auch Maßnahmen treffen, die sonst der Selbstverwaltung obliegen (DAZ 14, S. 9). Von Anfang an ist aber klar, dass diese neuen Vollmachten des Ministers abseits des Parlaments Nägel mit Köpfen zu machen, zeitlich begrenzt sind: Sowohl die neuen Rechtsgrundlagen im Infektionsschutzgesetz (in §§ 5 und 5a IfSG) als auch alle hierauf gründenden Verordnungen und Maßnahmen ­laufen aus, sobald der Bundestag die festgestellte epide­mische Lage von nationaler Tragweite aufhebt, spätestens aber mit Ablauf des März 2021.

Die erste Verordnung, die das BMG auf der neuen Grundlage im Infektionsschutzgesetz erlässt, betrifft Medizinstudierende: Es soll sichergestellt werden, dass diese ihr Studium fortsetzen können, aber in der Krise auch helfen können. Dazu sind Flexibilisierungen in der Approbationsordnung vorgesehen.

SARS-CoV-2-Arzneimittel­versorgungsverordnung

Eine der wichtigsten Krisenregelungen für die Apotheker ist die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung, die den Pharmazeuten in der Pandemie ungeahnte Freiheiten bei der Arzneimittelabgabe einräumt. Einige Krankenkassen hatten zuvor schon mit Landesapothekerverbänden bzw. später der GKV-Spitzenverband mit dem DAV vereinbart, den Apotheken temporär mehr Spielraum zu gewähren, wenn das verordnete (Rabatt-)Arzneimittel nicht verfügbar ist – Retaxationen sollen sie deshalb nicht befürchten müssen (DAZ 12, S. 9; AZ 13, S. 1; AZ 15/16, S. 8). Die ABDA lobbyiert jedoch weiter für umfassendere Erleichterungen und formuliert konkrete Forderungen (AZ 14, S. 1). Anfang April legt das BMG zunächst einen Entwurf vor, ein Stellungnahmeverfahren folgt (DAZ 15, S. 9). Am 26. April tritt die Verordnung in Kraft, sie trägt eine deutliche ABDA-Handschrift (AZ 18, S. 1). Ziel der Regelungen ist vor allem, persönliche Kontakte in der Apotheke so weit wie möglich zu reduzieren.

Botendienst wird vergütet

So wird zum einen der Botendienst gefördert: Jede Apotheke soll einen einmaligen Zuschuss von 250 Euro zur Beschaffung von Schutzausrüstung für die Boten erhalten. Bis sich GKV-Spitzenverband und DAV auf das Auszahlungsprozedere geeinigt haben dauert es allerdings, die Pauschale fließt erst ab Ende September über den Nacht- und Notdienstfonds an die Apotheken (AZ 29, S. 1). Zudem wird jede Lieferung – an GKV-Versicherte ebenso wie an PKV-Versicherte – mit 5 Euro je Lieferort vergütet. Diese Regelung ist zunächst bis zum 30. September 2020 befristet. Doch die Regierung besinnt sich, schließlich ist absehbar, dass die Pandemie auch über den Winter nicht verschwinden wird. Zunächst taucht im August im Entwurf für ein Krankenhausfinanzierungsgesetz eine Regelung auf, nach der die Botendienstvergütung auf 2,50 Euro plus Umsatzsteuer im SGB V festgeschrieben werden soll (DAZ 33, S. 9). Die ­ABDA freut sich zwar grundsätzlich über die beabsichtigte Verstetigung – 2,50 Euro seien jedoch nicht kostendeckend (DAZ 34, S. 9). Dann wählt die Politik einen anderen, näherliegenden Weg, bleibt aber beim halbierten Zuschuss: Zunächst wird die entsprechende Regelung in der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung angepasst und bis zum 31. Dezember 2020 verlängert (AZ 40, S. 1). Die gesetzliche Verankerung im SGB V – und damit nur für GKV-Versicherte – erfolgt dann im Rahmen des VOASG zum 1. Januar 2021 (AZ 36, S. 1; AZ 37, S. 8).

Doch die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung sorgt noch für viele weitere Erleichterungen. So erhalten Apotheken weitreichende Möglichkeiten, verordnete Arzneimittel bei Nicht-Verfügbarkeit gegen ein wirkstoffgleiches Präparat auszutauschen. Sogar ein Aut-simile-Austausch ist erlaubt, wenn ein wirkstoffgleiches Präparat nicht zu beschaffen ist. Hier ist allerdings Rücksprache mit dem Arzt erforderlich, ebenso, wenn ein Austausch trotz gesetztem Aut-idem-Kreuz erfolgt. Ohne Rücksprache mit dem Arzt dürfen die Apotheken zudem hinsichtlich Packungsgröße, Packungsanzahl, der Entnahme von Teilmengen und – sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen – der Wirkstärke von der ärztlichen Verordnung abweichen. All dies darf von den Krankenkassen nicht beanstandet werden. Weiterhin können Substitutionsärzte bei der Behandlung von opioidabhängigen Menschen von den Vorgaben der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung abweichen, soweit dies ärztlich vertretbar ist. Der Sichtbezug wird unter gewissen Voraussetzungen sogar im Botendienst ermöglicht (DAZ 18, S. 12). All diese Ausnahmevorschriften gelten bis zum Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite, längstens bis zum 31. März 2021. Nach Inkrafttreten der Verordnungen werden Sonder-PZNs für den Botendienst und die Abgabe nach den Sonderregelungen in der Akutversorgung vereinbart (AZ 19, S. 8; DAZ 19, S. 9). All diese Sonder­regeln erleichtern den Apothekenalltag enorm – und so werden immer wieder Rufe aus der ABDA und ihren Mitgliedsorganisationen laut, sie auch über die Pandemie hinaus beizubehalten (DAZ 35, S. 10).

Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung

Ebenfalls im April legt das BMG den Entwurf einer „Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie“ vor. Sie ermöglicht die ­zentrale Beschaffung von Produkten des medizinischen Bedarfs durch die Bundesregierung zur Versorgung der Bevölkerung während der Corona-­Epidemie. Es geht speziell um Arzneimittel, Medizinprodukte, Labordiagnostika, persönliche Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel. An­gesichts der hierzulande knappen Schutzausrüstung, nicht zuletzt bei Masken, sollen in Deutschland auch solche Schutzausrüstungsgegenstände angeboten werden können, die US-amerikanische, kanadische, japanische oder australische Standards erfüllen – sie unterliegen vergleichbaren Sicherheits- und Qualitätsanforderungen wie in der EU. Weiterhin sehen Ausnahmeregelungen vom Arznei­mittelrecht vor, dass im Ausland beschaffte Arzneimittel auch ohne deutschsprachige Kennzeichnung und Packungsbeilage in die Versorgung gebracht werden können (DAZ 16, S. 9). Die Verordnung tritt Ende Mai in Kraft (AZ 23, S 8).

Zweites Bevölkerungsschutz­gesetz

Ende April legt Spahn den Entwurf eines zweiten Bevölkerungsschutzgesetzes vor, das die Regelungen des ersten Bevölkerungsschutzgesetzes weiterentwickeln und ergänzen soll. Zunächst ist auch eine Regelung zu Modellvorhaben zur automatisierten Arzneimittelabgabe in Kliniken vorgesehen (DAZ 17, S. 9) – diese steht allerdings in keinem Zusammenhang mit den eilbedürftigen Inhalten und verschwindet wieder aus dem Entwurf. Das zweite „Pandemiegesetz“ zielt unter anderem darauf ab, mehr Testungen auf Kassenkosten zu ermöglichen, auch bei asymptomatischen Personen. Zunächst ist auch ein Immunitätsnachweis vorgesehen: Nach einer SARS-CoV-2-Infektion soll man sich die Immunität bescheinigen lassen können (AZ 19, S. 8). Doch dieses Vorhaben stößt auf massive Kritik und ist in der Mitte Mai vom Bundestag verabschiedeten Fassung des ­Gesetzes nicht mehr enthalten. Das Gesetz ermächtigt das BMG überdies, vorübergehende Flexibilisierungen in den Ausbildungen zu den Gesundheitsberufen – darunter fallen auch PTA – zu ermöglichen. Zudem kann das Pharmaziestudium abweichend von der Approbations­ordnung flexibler gestaltet werden (AZ 21, S. 8).

Flexiblere Ausbildungen

Noch Ende Mai legt das BMG eine auf dem 2. Bevölkerungsschutzgesetz fußende „Verordnung zur Sicherung der Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen während einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vor (AZ 22, S. 8). Kurz darauf folgt die Verordnung, die Abweichungen von den Approbationsordnungen der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker während der epidemischen Lage ermöglicht. Sie schafft mehr Flexibilität im Studium, in der Famulatur und im Praktischen Jahr (AZ 28, S. 8; DAZ 28, S. 28)

Test-Verordnung

Ebenfalls ohne großen Zeitverzug legt das BMG einen Entwurf einer ­Corona-Test-Verordnung vor, die regelt, unter welchen Bedingungen auch asymptomatische Personen auf Kassenkosten zu testen sind (AZ 23, S. 8). Möglich werden unter anderem umfassende Tests bei Kontaktpersonen Infizierter, bei Ausbrüchen in Kitas oder Schulen sowie Reihentests in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Die Verordnung tritt am 10. Juni in Kraft (DAZ 25, S. 20). Im Laufe des Jahres wird die Testverordnung mehrfach nachjustiert. Im Sommer kommt vorübergehend eine Regelung, dass Reiserückkehrer sich kostenlos testen lassen können. Weitere Anpassungen erfolgen im Oktober und zum 1. Dezember – in diesen Fassungen tauchen auch Antigen-Schnelltests auf, die nun großflächiger präventiv zum Einsatz kommen sollen. Die Verordnung regelt auch, was für PCR- und Schnelltests abgerechnet werden kann (DAZ 49, S. 14).

Erhöhte Pauschale für Pflegehilfsmittel zum Verbrauch

Anfang Mai tritt die COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung in Kraft. Sie sorgt vor allem für Liquiditätshilfen für Vertrags(zahn)ärzte und Ausgleichszahlungen für Heilmittelerbringer, die während der Pandemie weniger Patienten haben. Auch Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen wird angesichts ihrer Ausfälle unter die Arme gegriffen. Zudem wird die Pauschale für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel rückwirkend ab dem 1. April 2020 von bisher 40 auf 60 Euro brutto angehoben werden (DAZ 20, S. 16).

Drittes Bevölkerungsschutz­gesetz

Aller guten Dinge sind drei: Im Oktober legt das BMG den Entwurf für das 3. Bevölkerungsschutzgesetz vor. Abermals startet ein Eilverfahren. Anfang November beschließt das Kabinett schon eine etwas veränderte Form, bis das Gesetz dann Mitte November abschließend beraten wird und in Kraft tritt, sind weitere Schliffe vorgenommen worden (AZ 48, S. 3). Das 3. Bevölkerungsschutzgesetz entwickelt die beiden Vorgängergesetze von März und Mai mit Blick auf die in der Pandemie neu gewonnenen Erkenntnisse fort. Nicht zuletzt die Ermächtigungsgrundlagen für schnelles Handeln während einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ sollen rechtssicherer gemacht werden. Denn die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen der Länder werden immer öfter von Gerichten für unzulässig befunden. Statt einer Generalklausel zählt nun ein neuer § 28a IfSG mögliche „notwendige“ Schutzmaßnahmen auf – 17 an der Zahl. Es sind die bereits bekannten Maßnahmen wie z. B. Abstandsgebote, die Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Untersagungen oder Beschränkungen für bestimmte Veranstaltungen oder Einrichtungen. Sofern es um Eingriffe in besonders sensible Bereiche geht, etwa durch die Untersagung von Versammlungen, religiösen Zusammenkünften oder Besuchen in Alten- und Pflegeheimen, werden die Grenzen noch enger gezogen. Sie sind nur zulässig, wenn die wirksame Eindämmung von SARS-CoV-2-Infektionen trotz aller anderen getroffenen Schutzmaßnahmen „erheblich gefährdet“ wäre. Den Weg ins Gesetz finden auch die Schwellenwerte bei den Neuinfektionen: Demnach können betroffene Regionen insbesondere bei mehr als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen umfassende Schutzmaßnahmen ergreifen, „die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen“. Weiterhin sieht der neue Paragraf vor, dass Rechtsverordnungen der Länder zu begründen und zeitlich zu befristen sind. Die Geltungsdauer beträgt grundsätzlich vier Wochen, kann aber verlängert werden.

Und es kommen neue Ermächtigungsgrundlagen für Rechtsverordnungen. So soll das BMG eine Verordnung erlassen können, die einen Anspruch auf Schutzmasken regelt: Wer zu einer Risikogruppe mit einem signifikant erhöhten Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gehört, soll diese gegen eine geringe Zuzahlung in der Apotheke bekommen (DAZ 47, S. 16). Zudem wird die Grundlage für eine Verordnung ­gelegt, wer Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 hat.

Zudem wird der für die Feststellung bestimmter Infektionskrankheiten geltende Arztvorbehalt modifiziert, um patientennahe Schnelltests auf das Coronavirus SARS-CoV-2 breiter einsetzen zu können. Auch die Medizinprodukte-Abgabeverordnung wird angepasst. Der Kreis derjenigen ­Einrichtungen, an die diese Tests ­abgegeben werden dürfen, wird unter anderem um Pflegeeinrichtungen ­erweitert. Für Apotheken ist damit klargestellt: Sie dürfen die Tests an Heime und andere Einrichtungen ­abgeben – allerdings weiterhin nicht an Endverbraucher.

Schutzmaskenverordnung

Die Verordnung, die die Details zum Anspruch auf Schutzmasken regelt, lässt etwas auf sich warten, sorgt dann aber zum Jahresende für mächtigen Wirbel in den Apotheken. Bund und Länder hatten sich eigentlich vorgestellt, dass die Verteilung der Masken – pro Risikopatient 15 Stück an der Zahl, für jede Winterwoche eine – Anfang Dezember starten kann. Doch zunächst definiert der Gemeinsame Bundesausschuss noch die vulnerablen Gruppen, die diesen Anspruch haben sollen. Das sind alle über 60-Jährigen, sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen und Risikofaktoren – der G-BA kommt auf stolze rund 27 Millionen Anspruchsberechtigte, die jeweils 15 Masken bekommen sollen. Es gilt, die Verteilung von über 400 Millionen Masken zu organisieren, kein leichtes Unterfangen (DAZ 49, S. 9). Das BMG berät sich auch mit den Apothekern, ehe es am 9. Dezember den Entwurf der Verordnung vorlegt. Schon dieser führt dazu, dass viele Menschen in die Apotheken stürmen und „ihre“ Gratismasken haben wollen – doch es dauert bis zum 15. Dezember bis die Verordnung tatsächlich in Kraft tritt und die Masken ausgegeben werden können. Die Verordnung sieht vor, dass sich die Maskenverteilung über drei Phasen bis in den April zieht: Die erste läuft vom 15. Dezember 2020 bis 6. Januar 2021. In dieser Zeit sollen die Apotheken einmal drei Masken an Risikopatienten ausgeben. Ob sie einen Anspruch haben, ist in der Apotheke zu prüfen – durch einen Blick auf den Personalausweis bzw. eine Eigenerklärung des Kunden, dass bei ihm eine der genannten Vorerkrankungen oder ein Risikofaktor vorliegt. Eine Zuzahlung ist zunächst nicht zu leisten. Die Vergütung der Apotheken erfolgt über eine apothekenindividuelle Pauschale, die der Nacht- und Notdienstfonds noch vor Weihnachten auszahlt (AZ 50, S. 1; DAZ 50, S. 27; AZ 51, S. 1). Ab Januar 2021 soll die Ausgabe (2 × 6 Masken) nach Vorlage einer von den Krankenkassen bzw. privaten Krankenversicherern ausgestellten fälschungssicheren Bescheinigung erfolgen. Dann werden die Apotheken pro Maske sechs Euro bekommen – einschließlich Mehrwertsteuer sowie sämtlicher Zuschläge. Ab der zweiten Etappe können ausdrücklich auch EU-Versender die Masken abgeben und abrechnen (AZ Nr. 51, S. 8).

Antigentest-Preisverordnung

Anfang November legt das BMG den Entwurf für eine Antigen-Test-Preisverordnung vor. Sie soll die Zuschläge, die Apotheken und Großhandel bei der Abgabe von Point-of-Care-Tests auf SARS-CoV-2 erheben können, bei 40 Cent zuzüglich Umsatzsteuer pro Test deckeln (DAZ 46, S. 16). Denn für diese Tests, also Medizinprodukte, greift keine Preisregulierung. Doch die Tests sollen rege genutzt werden – und die Testverordnung gibt vor, dass diejenigen, die sie abrechnen können, zunächst höchstens sieben, ab 1. Dezember höchstens neun Euro an Sachkosten erhalten. Nach einem Stellungnahmeverfahren, in dem die ABDA Kritik anmeldet (AZ 47, S. 2), wird im Dezember eine kräftig nachgeschliffene Verordnung verkündet. „Händler“ im Sinne der EU-Verordnung über In-­vitro-Diagnostika erhalten für die ­Abgabe von Antigen-Tests an durch die Testverordnung bestimmte Leistungserbringer einen Festzuschlag von 40 Cent zuzüglich Umsatzsteuer auf den tatsächlichen Abgabepreis des Herstellers. Apotheken können pro Test einen einmaligen Festzuschlag von 60 Cent sowie die Um­satzsteuer erheben. Zudem stellt die Verordnung klar, dass diese Preisregelung nicht für die Abgabe von Antigen-Tests zur patientennahen Anwendung gilt, wenn Verträge erfüllt werden, die vor dem 9. Dezember 2020 geschlossen wurden (AZ 51, S. 5). Auch diese Verordnung tritt außer Kraft, wenn die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufgehoben ist, spätestens mit Ablauf des 31. März 2021.

Coronavirus-Impfverordnung

Anfang Dezember legt das BMG einen ersten Entwurf einer Coronavirus-Impfverordnung vor. Mittlerweile ist absehbar, dass der erste COVID-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer Ende Dezember die europäische Zulassung erhalten wird. Die Verordnung auf Grundlage des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes soll insbesondere regeln, wer den zunächst noch knapp bemessenen Impfstoff zuerst bekommt. Während der erste Entwurf hier noch Lücken enthält, aber bereits Apotheken als Einrichtungen der zentralen Daseinsvorsorge mit Schlüsselstellung erkannt werden (DAZ 50, S. 12), ist der Mitte Dezember in Kraft getretene sehr viel konkreter. Grundlage für die Priorisierung sind die STIKO-Empfehlungen zur COVID-19-Impfung. Es ­erfolgt eine Einteilung des Impfanspruchs in drei Stufen: höchste, hohe und erhöhte Priorität. Als erstes sollen über 80-Jährige, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sowie die sie betreuenden Personen geimpft werden (AZ 51, S. 8).

Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz

Im Oktober legt das BMG Eckpunkte für ein – nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz von 2019 und dem PDSG – drittes Digitalisierungsgesetz vor. Die Telemedizin soll weiter ausgebaut und das E-Rezept weiterentwickelt werden (AZ 44, S. 1). Im November folgt der Referentenentwurf für das „Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz“ (DVPMG). Es sieht unter anderem vor, dass ab 2023 auch BtM- und T-Rezepte grundsätzlich elektronisch zu verordnen sind. Zudem soll für Versicherte eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, E-Rezepte einzulösen, nämlich über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) oder mithilfe einer „adäquaten digitalen Identität“. Diese „digitale Identität“ sollen die Kassen ihren Versicherten auf deren Wunsch spätestens zum 1. Januar 2023 ergänzend zur eGK bereitstellen. Mit dieser nicht unmittelbar an eine Chipkarte gebundenen Identität sollen sich Versicherte künftig z. B. auch für die Nutzung Digitaler Gesundheitsanwendungen oder für ­Videosprechstunden authentisieren. Ab dem 1. Januar 2024 soll die digitale Identität in gleicher Weise wie die eGK als Versicherungsnachweis dienen. Die eGK wird zum Auslaufmodell: Sie soll künftig ausschließlich als Versicherungsnachweis der Versicherten und nicht mehr als Datenspeicher dienen. Der elektronische Medikationsplan, der dort derzeit noch gespeichert werden kann, soll nur noch in der ePA geführt werden. Ferner soll es Versicherten auf Wunsch möglich sein, Dispensierinformationen aus eingelösten Arzneimittelverordnungen über eine sichere Schnittstelle automatisiert in die ePA zu übertragen. Diese können dann als Arzneimittelhistorie genutzt werden. Elektronische Verschreibungen und deren Dispensierinformationen werden anderenfalls nach spätestens 100 Tagen gelöscht.

Nicht zuletzt soll die E-Rezepteinlösung in Apotheken im EU-Ausland ermöglicht werden. Die Vorschrift nach der die Gematik EU-ausländische Apotheken mit HBA und SMC-B versorgt, soll dahingehend ergänzt werden, dass diese Apotheken der Gematik einmal jährlich zum 1. Januar eine Bestätigung vorzulegen haben, dass sie weiterhin dem Rahmenvertrag beigetreten sind. Zudem hat die Gematik bis zum 1. Januar 2024 die Voraussetzungen für den grenzüberschreitenden Austausch von E-Rezept-Daten über die „nationale eHealth-Kontaktstelle“ zu schaffen (AZ 48, S. 1).

Mehrwertsteuersenkung

Kein Gesetz aus dem Hause Spahn, aber für Apotheken relevant ist die im Juni beschlossene Mehrwertsteuerabsenkung von 19 auf 16 Prozent bzw. von 7 auf 5 Prozent im zweiten Halbjahr 2020. Die Apotheken fürchten zusätzliche Belastungen – nicht nur bürokratischer Art, sondern auch finanzieller. Stichwort Kassenabschlag: Die Apotheken nehmen für ­jedes abgegebene Rx-Arzneimittel 4 Cent weniger ein. Bemühungen des DAV, die Politik zu überzeugen, diesen „unerwünschten“ Nebeneffekt zu verhindern oder auszugleichen, fruchten nicht (DAZ 24, S. 9; AZ 25, S. 1; DAZ 27, S. 9)

Hämophiliepräparate und ­Blutprodukte

Zum 1. September wird eine im Vorjahr mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) beschlossene Regelung wirksam: Für Arzneimittel zur Behandlung von Hämophiliepatienten wird die bisherige Ausnahme vom Apothekenvertriebsweg (Direktvertrieb des Herstellers mit Ärzten und Krankenhäusern) zurückgenommen. Nun laufen die Präparate wie alle anderen Arzneimittel auch über die Apotheke (DAZ 36, S. 9). Mit dem GSAV wurden zugleich neue Meldepflichten nach der Apothekenbetriebsordnung eingeführt, die zunächst sogar für alle Blutzubereitungen gelten. Diese „überschießende“ Bürokratie war allerdings ein gesetzgeberisches Versehen. Die Länder empfehlen dringend eine Nachbesserung in der Apothekenbetriebsordnung (DAZ 38, S. 16). Das BMG ist ebenfalls einsichtig. Die Rückführung der Meldepflichten erfolgt im Rahmen einer umfassenden Änderungsverordnung, die Ende Oktober in Kraft tritt (DAZ 39, S. 18).

Änderungen in der Arzneimittelverschreibungsverordnung

Desloratadin ohne Rezept: Der ­Bundesrat stimmt im Februar einer Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) zu, die als einzigen Regelungspunkt vorsieht, Arzneimittel mit dem Wirkstoff Desloratadin zur oralen Anwendung in den Indikationen allergische Rhinitis und Urtikaria aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Künftig wird es damit sowohl Rx- als auch OTC-Präparate mit Desloratadin in den Apotheken geben. Die Änderung ist eine Reaktion auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Erstmals hat ein Hersteller erfolgreich auf einen OTC-Switch geklagt – mit ­Erfolg (DAZ 8, S. 12).

Sumatriptan wird rezeptfrei: Im Mai legt das BMG einen überarbeiteten Referentenentwurf zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel (AMVerkRV) vor. Wie vom Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht empfohlen und in einem ersten Entwurf vom Dezember 2019 bereits vorgesehen, soll Sumatriptan aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. Maximal darf die OTC-Packung 100 mg in zwei Tabletten enthalten. Weiterhin soll Ibuprofen-Saft schon für Kinder ab drei Monaten statt wie bisher ab sechs Monaten rezeptfrei werden (DAZ 20, S. 12). |

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