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Recht

Ist das erlaubt?

Warum die Verabreichung von Arzneimitteln durch Dritte problematisch sein kann

Menschen mit chronischen Erkrankungen oder anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind in vielen Fällen bei der Anwendung von Arznei­mitteln auf Unterstützung angewiesen. Die Probleme können bereits beim Greifen oder Öffnen der Ver­packung beginnen. Unzureichende Kenntnisse, vermindertes Sehvermögen oder eingeschränkte kognitive Fähig­keiten sind weitere Gründe, weshalb viele Patienten auf Hilfestellungen bis hin zur aktiven Unterstützung bei der Anwendung angewiesen sein können. Fraglich ist daher, inwieweit das pharmazeutische Personal hier ­tatsächlich aktiv werden darf. Interessant ist auch die Frage, ob pharmazeutisch oder medizinisch nicht Geschulte Unterstützungen anbieten dürfen. | Von Harald Küper

Auf Hilfestellungen bis hin zur aktiven Unterstützung bei der Anwendung von Arzneimitteln können Menschen aller Altersgruppen angewiesen sein – junge wie alte. So z. B. die ältere alleinstehende Dame, die infolge von Arthrose Schwierigkeiten hat, ihre Augentropfen zu nehmen, oder der Student, der nach einer Sportverletzung gezwungen ist, sich vorbeugend Thrombosespritzen zu setzen, sich aber nicht traut. Diese Menschen suchen und brauchen Hilfe. Wer kann ihnen helfen – ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten? Das pharmazeutische Personal in der Apotheke? Medizi­nische Laien, wie Lehrkräfte oder Betreuer?

Heilkundeverbot als stärkstes Abgrenzungsmerkmal

Die Unterstützung des Patienten bei der Arzneimittelanwendung durch pharmazeutisches Personal ist dann unzulässig, wenn die Grenze zur Heilkunde überschritten wird. Die Ausübung der Heilkunde ist Apothekerinnen und Apothekern nämlich verboten. Dieses Verbot ergibt sich aus § 1 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes (HeilPrG), wonach der­jenige einer Erlaubnis bedarf, der ohne als Arzt bestallt zu sein, die Heilkunde ausüben will. Eine solche Erlaubnis stellt die Approbationsordnung für Apothekerinnen und Apotheker bzw. die Berufserlaubnis für PTA nicht dar.

Berufsrechtlich ist die Ausübung der Heilkunde den Apothekern zudem durch die jeweiligen Berufsordnungen der Kammern untersagt (vgl. beispielhaft § 12 Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vom 30. Mai 2007, zuletzt geändert am 28. November 2018). Unter Heilkunde versteht man hierbei gem. § 1 Abs. 2 HeilPrG die berufs- oder gewerbsmäßige Ausführung von Tätigkeiten zur Feststellung, Heilung und Linderung von Krankheiten. Anamnese, Diagnose, Therapieauswahl, Aufklärung und Therapie sind damit vornehmlich Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten. Zwischen dem Behandelnden (Arzt oder Heilpraktiker) und dem Patienten wird zu diesem Zweck ein Behandlungsvertrag im Sinne der §§ 630 a ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geschlossen.

Neben den Ärzten und Heilpraktikern können aber auch Angehörige anderer Heilberufe wie Zahnärzte, psycholo­gische Therapeuten, Hebammen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten einen derartigen Behandlungsvertrag abschließen [1]. Nicht dagegen Apotheker [2]. Zwischen Apotheker und Patient besteht kein Behandlungsvertrag, sondern z. B. bei Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel ein reiner Kaufvertrag nach § 433 BGB oder ein gemischt-typischer Vertrag mit Elementen des Kauf- und Dienst­leistungsvertrages nach § 611 BGB. Dieser verpflichtet den Apotheker, die verordneten Arzneimittel abzugeben und hinreichend über die Arzneimittel zu informieren. Die Mitteilung von Mess- und Referenzwerten ohne konkreten Krankheitsbezug gegebenenfalls mit der Empfehlung eines Arztbesuches stellt in diesem Zusammenhang noch keine Ausübung der Heilkunde dar.

Grenze in der Praxis häufig fließend

Heilkundeverbot und die Pflicht zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung lassen sich im Apothekenalltag häufig nicht immer messerscharf trennen. Die Grenze verläuft oftmals fließend. So setzt das Hinterfragen von Eigendiagnosen im Beratungsgespräch in der Apotheke denknotwendig immer auch eine insoweit zulässige Diagnosestellung infolge einer Anamnese voraus, die unstreitig den der Heilkunde zurechenbaren Tätigkeiten zuzurechnen ist. Kommt z. B. ein Kunde wegen einer Erkältungskrankheit in die Apotheke, ist es zulässig, dass sich der Apotheker die Symptome schildern lässt, sich ggf. durch weiteres Befragen des Kunden informiert und sodann auf das Vorhandensein einer bestimmten Erkältungskrankheit schließt und dementsprechend ein (nicht verschreibungspflichtiges) Arzneimittel empfiehlt und abgibt oder zu einem Arztbesuch rät. Hier liegt keine unzulässige Ausübung der Heilkunde vor, die ärztliche Kompetenz erfordert, denn der Apotheker macht nur von seiner pharmazeutischen Sachkenntnis und seiner Lebens- bzw. Berufserfahrung Gebrauch [3].

Arzneimittelanwendung – zulässige Anwendungstipps und Hilfen

Im Zusammenhang mit der Arzneimittelanwendung haben die Apotheker gem. § 20 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) eine umfassende Informations- und Beratungspflicht über Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte. Soweit Arzneimittel ohne Verschreibung abgegeben werden, hat er gem. § 20 Abs. 2 S. 2 ApoBetrO zudem die Pflicht, Patienten und anderen Kunden die zur sachgerechten Anwendung erforderlichen Informationen zu geben. Diese Informationspflicht beinhaltet indessen keine Berechtigung, die Arzneimittel auch zu verabreichen. Die Verabreichung von Arzneimitteln als Bestandteil der Therapie ist nicht mehr vom Versorgungsauftrag der Apotheke gedeckt, sondern der Heilkunde zuzurechnen. Damit darf das pharmazeutische Personal in der Apotheke z. B. der älteren Dame, die aufgrund ihrer Arthrose nicht in der Lage ist, ihre Augentropfen zu nehmen, die verschriebenen Augentropfen nicht in das Auge tropfen. Dem jungen Studenten, der nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus noch mehrere Tage eine Thrombosespritze benötigt, sich aber nicht traut, sich diese selbst zu verabreichen, darf ebenfalls beim Spritzen nicht geholfen werden. Selbst ein Matrixschmerzpflaster darf vom Apotheker nicht aufgeklebt werden.

Es spricht jedoch nichts dagegen, wenn das Apotheken­personal für den hilfsbedürftigen Kunden den gebrauchs­fertigen Zustand eines Arzneimittels herstellt. Derartige Hilfen können darin bestehen, dass die Erstöffnungssicherung beim Arzneimittel entfernt wird oder der Folienbeutel geöffnet wird. Zulässig ist es damit auch, die Folie im Hals von Tuben mit Hilfe des Dorns im Schraubverschluss zu öffnen. Ebenso unbedenklich ist es, wenn das Apothekenpersonal die Patrone vor der erstmaligen Anwendung in den Inhalator drückt. Das Apothekenpersonal muss sich folglich in diesen Fällen nicht darauf beschränken, dem Patienten nur Hilfsmittel zur Applikation wie Tablettenausdrückhilfen bzw. Tablettenteiler oder Öffnungshilfen für Schraubverschlüsse von Flaschen zu empfehlen.

Und was ist im Fall von Erster Hilfe?

Bei Unfällen oder sonstigen Notfällen in der Apotheke ist das Apothekenpersonal verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten. Nach den Umständen des Einzelfalls richtet sich, welche Art von Erster Hilfe geleistet werden muss. Dabei sind, im Rahmen der jeweiligen individuellen Möglichkeiten sowie des Zumutbaren, die Maßnahmen zu ergreifen, die eine bestehende Gefahr vom Patienten abwenden. Hierzu kann neben dem Ruf des Rettungsdienstes und der stabilen Seitenlage u. U. auch die Verabreichung eines notwendigen Medikamentes gehören (s. Kasten).

Dürfen Apotheker Rx-Arzneimittel im Rahmen der Ersten Hilfe einsetzen?

Ein Fall wie man ihn sich in der Apotheke nicht wünscht. Eine langjährige Stammkundin, die an Asthma leidet, klagt über Kurzatmigkeit und Atemnot. Pfeifende Atemgeräusche und der Hinweis der Kundin, sie verspüre ein Engegefühl in der Brust, deuten auf einen akuten schweren Asthmaanfall hin. Ihr Notfallspray führt sie leider nicht bei sich.

Hier stellt sich zunächst die Frage: Darf der Apotheker ohne Verschreibung ein rasch wirksames Asthmamittel aus seiner Apotheke einsetzen?

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In dem Einsatz des Notfallsprays durch den Apotheker ist zugleich auch eine Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments zu sehen. Ohne Vorlage der erforderlichen Verschreibung ist die Abgabe nach § 96 Nr. 13 Arzneimittelgesetz strafbar (Pfeil-Pieck, Apothekenbetriebsordnung, § 17 Rn. 45).

In Ausnahmesituationen entfällt jedoch diese strafrechtliche Verantwortlichkeit, wenn die Voraussetzungen des sog. rechtfertigenden Notstandes nach § 34 Strafgesetzbuch (StGB) gegeben sind. Nach dieser Vorschrift handelt nicht rechtswidrig, wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, und wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. So der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 08.01.2015 – I ZR 123/13. An diese Notstandsvoraussetzungen werden von der Rechtsprechung strenge Anforderungen gestellt. Die Abgabe eines Arzneimittels ohne erforderliche Verschreibung ist insbesondere dann kein angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr, wenn ein Arzt erreichbar ist, vgl. § 4 Abs. 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). Hat ein Patient jedoch einerseits starke Schmerzen/Atemnot und sind die Gefahren für den Gesundheitszustand erheblich, sowie die Ursachen des schlechten Gesundheitszustandes – wie im obigen Beispielsfall – offensichtlich und ärztliche Hilfe nicht oder nur nach langem Transport erreichbar, so liegen auch bei strenger Auslegung des § 34 StGB dessen Voraussetzungen vor, vgl. Landgericht Stuttgart, DAZ 1979, Seite 1322, 1323. Der Einsatz eines verschreibungspflichtigen Medikamentes wäre damit gerechtfertigt.

Sofern die o. g. engen Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands – wie im obigen Beispielsfall – vorliegen, sollte sich der Apotheker/die Apothekerin überlegen, ob er sich allein auf die Alarmierung des Rettungsdienstes beschränkt. Ansonsten könnte ein Strafverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323 c StGB drohen. Eine Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323 c StGB kann jedoch nur erfolgen, wenn nicht nur objektiv die Voraussetzungen vorliegen, sondern diese Voraussetzungen vom Vorsatz des Täters, also seinem Wissen und Wollen, erfasst werden. D. h. der Täter muss zumindest in Kauf nehmen, dass eine Notlage vorliegt und er Hilfe hätte leisten können, es aber aus persönlichen Gründen unterlässt, die gebotene Hilfe zu leisten.

Was gilt für medizinische Laien?

In vielen Lebensbereichen kann es vorkommen, dass Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder aus anderen Gründen auf Hilfe bei der Einnahme von Medikamenten angewiesen sind. Beispielhaft sei hier an dieser Stelle auf den Schulalltag geschaut und darauf, inwieweit hier Unterstützung bei der Arzneimittelanwendung angeboten werden kann.

Medizinische Unterstützungsmaßnahmen für Schülerinnen und Schüler wie die Hilfe bei der Einnahme von Medikamenten sind keine Aufgabe der Schule und nicht Bestandteil der Ausbildung von Lehrkräften. Diese Unterstützungsmaßnahmen gehören dementsprechend auch nicht zu den dienst- bzw. arbeitsrechtlichen Pflichten von Lehrern. Eltern können die Schule indes bitten, dass ihr Kind durch die Schule bei der Einnahme von Medikamenten unterstützt wird. Diese Unterstützung reicht von der Erinnerung an die Medikamenteneinnahme, über die richtige Dosierung bis zur Unterstützung bei der Einnahme. In Abgrenzung hierzu dürfen medizinische Maßnahmen wie Injektionen, Sondenlegung oder Schleimabsaugung durch Lehrkräfte nicht vorgenommen werden. Sie sind medizinisch vorgebildeten Personen vorbehalten (ärztliches Personal, Pflegepersonal). Derartige Aufgaben können und dürfen Lehrkräfte auch nicht freiwillig übernehmen.

Voraussetzung für eine Unterstützung durch die Schule ist immer, dass die entsprechende Lehrkraft auf freiwilliger Basis zur Unterstützung bereit ist. Ist eine Lehrkraft zur Unterstützung bereit, so wird in der Praxis zwischen den Eltern und der Lehrkraft im Einvernehmen mit der Schulleitung eine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen [4]. Form und Umfang der grundsätzlich möglichen Unterstützung werden hierin geregelt. Hierzu haben die Eltern die Schule umfassend über die jeweilige Erkrankung und die dadurch erforderliche medizinische Unterstützungsmaßnahme, einschließlich etwaiger Nebenwirkungen, zu informieren. Ferner haben die Eltern gegebenenfalls dafür Sorge zu tragen, dass für die Medikamente eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit besteht, Verpackung und Medikament mit dem Namen des Schülers versehen sind, das Medikament in ausreichender Menge zur Verfügung steht und mitzuteilen, wenn eine besondere Aufbewahrungsform (z. B. Aufrechtstehen bei Tropfen, Kühlung) erforderlich ist. Lehrkräfte dürfen diese so vereinbarte Unterstützung nicht durchführen, wenn die betroffene Schülerin der betroffene Schüler die erforderliche Einnahme ablehnt.

Fazit

Hilfestellung für den Patienten bei der Arzneimittelanwendung ist im Apothekenalltag durchaus möglich. Anwendungstipps durch das pharmazeutisch geschulte Personal und gegebenenfalls wei­tere Hilfsmittel wie z. B. Tablettenteiler unterstützen Patienten, die durch chronische Erkrankungen oder aus anderen gesundheitlichen Gründen bei der Einnahme von Arzneimitteln beeinträchtigt sind, bei der sachgemäßen Arzneimitteltherapie. Eine weitergehende Hilfe durch Verabreichung der Medikamente ist – außer in Notfällen – dagegen aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Demgegenüber sind auf freiwilliger Grundlage im Schullalltag nach vorangegangener umfassender Information durch die Eltern medizinische Unterstützungsmaßnahmen durch Lehrkräfte bei der Verabreichung eines Medikamentes denkbar. |

 

Literatur

[1] Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 22 Rz. 1

[2] Brox/Walker a.a.O.

[3] Pfeil – Pieck, Apothekenbetriebsordnung, Kommentar, § 20 Rz. 79 ff.

[4] Vgl. hierzu beispielhaft Empfehlungen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Recht/Schulgesundheitsrecht/Chronische-Erkrankungen-und-Diabetes/2016-07-01---Handreichung-zur-Medikamentengabe.pdf

Autor

Harald Küper, Rechtsanwalt, Nottuln

 

 

1 Kommentar

Ihr Beitrag "Ist das erlaubt?"

von Claudia Bruhn am 12.02.2020 um 9:45 Uhr

Sehr geehrter Herr Küper, vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Sie schreiben, dass „…medizinische Maßnahmen wie Injektionen, Sondenlegung oder Schleimabsaugung durch Lehrkräfte nicht vorgenommen werden (dürfen). Derartige Aufgaben können und dürfen Lehrkräfte auch nicht freiwillig übernehmen.“ Wie verhält es sich aber, wenn ein Kind beispielsweise wegen einer Wespengiftallergie einen Autoinjector mit Adrenalin ständig bei sich trägt, also auch in der Kita oder Schule? Im Falle eines Wespenstichs und beginnender Schwellungen wäre doch auf jeden Fall eine Injektion durch eine Lehrkraft notwendig! Und das sogar gegen den Willen des Kindes, um sein Leben zu retten...!

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