Arzneimittel und Therapie

Romosozumab kommt nach Europa

Osteoporose-Antikörper mit Einschränkungen zugelassen

cst | Mit der Zulassung durch die europäische Kommission steht der Einführung von Romosozumab (Evenity®) nun nichts mehr im Weg: Bei manifester Osteoporose kann der monoklonale Antikörper postmenopausalen Frauen mit deutlich erhöhtem Frakturrisiko zukünftig eine weitere Behandlungsoption bieten. Das Sicherheitsprofil des Sclerostin-Hemmers sorgte im Vorfeld allerdings für Diskussionen – bei einem Myokardinfarkt oder Schlaganfall in der Vorgeschichte ist Romosozumab kontraindiziert.

Nach einigem Hin und Her war es im Dezember 2019 so weit: Romosozumab wurde von der europäischen Kommission zugelassen. Der humanisierte monoklonale IgG2-Antikörper ist der erste Vertreter einer neuen Substanzklasse zur Behandlung der Osteoporose. Die osteoanabole Wirkung des neuartigen Arznei­mittels beruht auf der Hemmung von Sclerostin. Das Glykoprotein wird von Osteozyten gebildet und spielt eine entscheidende Rolle im Knochenstoffwechsel. Es vermindert die knochenbildende Aktivität von Osteoblasten und verstärkt die knochenresorptive Wirkung der Osteoklasten (s. Abbildung). Romosozumab schlägt so gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe und verschiebt das bei Osteoporose gestörte Gleichgewicht aus Knochenabbau und -aufbau hin zu einer verstärkten Knochenbildung.

Mehr Knochenaufbau, weniger Abbau. Die Hemmung von Sclerostin durch Romosozumab führt zur Aktivierung von Knochen­belegzellen und Osteoblasten sowie zur Rekrutierung von Osteoprogenitorzellen. Die Knochenbildung wird dadurch verstärkt. Zusätzlich werden weniger Botenstoffe gebildet, die Osteoklasten aktivieren. Die Knochenresorption wird so vermindert.

Überzeugende Wirksamkeit

Der Wirkmechanismus überzeugt. Und auch die klinische Wirksamkeit konnte in zwei zulassungsrelevanten Phase-III-Studien demonstriert werden. So reduzierte der Antikörper in der randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie FRAME (Fracture Study in Postmenopausal Women with Osteoporosis) mit 7180 postmenopausalen Frauen das absolute Risiko für Frakturen der Wirbelkörper nach zwölf Monaten um 1,3%. Relativ betrachtet entspricht dies einer Risiko­reduktion um 73% im Vergleich zu Placebo. In der ARCH-Studie (Active-Controlled Fracture Study in Post­menopausal Women with Osteoporosis at High Risk) mit 4093 postmenopausalen Frauen mit hohem Frakturrisiko bewährte sich Romosozumab im direkten Vergleich zu Alendronat. Neue Wirbelkörperfrakturen traten unter dem Sclerostin-Hemmer sowohl nach zwölf als auch nach 24 Monaten signifikant seltener auf als unter dem Bisphosphonat (3,2% vs. 5,0% bzw. 4,1% vs. 8,0%). Das Risiko für andere Frakturen war unter Romosozumab ebenfalls reduziert.

Umstrittene Sicherheit

Diese positiven Daten konnten die europäische Zulassungsbehörde allerdings nicht auf Anhieb überzeugen. Der Humanarzneimittelausschuss CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) der euro­päischen Arzneimittelagentur (EMA) stimmte erst im dritten Anlauf für eine Zulassung des neuen Antikörpers. Grund dafür waren Sicherheitsbedenken. Denn aus den randomisierten, kontrollierten Zulassungsstudien hatten sich Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse unter Romosozumab ergeben. Zwar konnten in der FRAME-Studie keine Unterschiede im kardiovaskulären Risiko zwischen den Behandlungsgruppen festgestellt werden, wohl aber in der ARCH-Studie. Während der zwölfmonatigen doppelblinden Behandlungsphase war dort bei 16 Frauen (0,8%) unter Romosozumab ein Myokardinfarkt aufgetreten, unter Alendronat waren hingegen nur fünf Frauen (0,2%) von solch einem Ereignis betroffen. 13 Frauen (0,6%) erlitten einen Schlaganfall unter der Therapie mit dem Antikörper, unter dem Bisphosphonat waren es sieben (0,3%). Diese kardiovaskulären Ereignisse wurden sowohl bei Frauen mit als auch bei Frauen ohne einen Myokardinfarkt oder Schlaganfall in der Vor­geschichte beobachtet. Des Weiteren wurden unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten bei Patienten über 75 Jahre, die mit dem Antikörper behandelt worden waren, vermehrt Todesfälle registriert. Nach Begutachtung zusätzlicher Datenauswertungen und Beratung mit Experten für Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie mit Patientenvertretern stimmte der CHMP einer Zulassung unter Einschränkungen dennoch zu: Sofern kein Myokardinfarkt oder Schlaganfall in der Anamnese vorliegt, ist eine Therapie mit Romosozumab bei postmenopausalen Frauen mit deutlich erhöhtem Frakturrisiko zur Behandlung der manifesten Osteoporose möglich. Ob der osteoanabole Nutzen das kardiovaskuläre Risiko im Einzelfall überwiegt, muss bei der Therapieentscheidung individuell abgewogen werden. Dabei sind kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Rauchen oder Nierenfunktions­störungen zu berücksichtigen. Den Patienten muss zudem eine Patientenkarte ausgehändigt werden, auf der Anzeichen und Symptome eines Myokardinfarkts oder Schlaganfalls auf­geführt sind. Auf weitere relevante Nebenwirkungen wird darauf ebenfalls hingewiesen. So sollten Patienten unter Romosozumab hinsichtlich Hypo­calcämie und einer Osteonekrose des Kiefers überwacht werden.

Markteinführung geplant

Die Therapie mit Romosozumab dauert für gewöhnlich ein Jahr, im Anschluss wird eine antiresorptive Therapie empfohlen. Verabreicht wird der monoklonale Antikörper einmal im Monat in einer Dosierung von 210 mg. Dazu wird der Inhalt von zwei Fertigspritzen à 105 mg subkutan injiziert.

Romosozumab wurde von Amgen und UCB gemeinsam entwickelt. Wie Zulassungsinhaber UCB bekannt gab, sind Markteinführungen von Romosozumab im Europäischen Wirtschaftsraum für das erste Halbjahr 2020 geplant – wann das neue Osteoporose-Arzneimittel in Deutschland verfügbar sein wird, dazu äußerte sich UCB bislang nicht.

In den USA ist Romosozumab ebenfalls zugelassen. Dort stellt eine kardiovaskuläre Vorerkrankung wie Herzinfarkt oder Schlaganfall keine absolute Kontraindikation dar. In der Produktinformation wird allerdings auch hier in Form einer „boxed warning“ auf das kardiovaskuläre Risiko hingewiesen. „Eine Therapie mit Evenity® sollte nicht begonnen werden, wenn in den zurückliegenden zwölf Monaten ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall aufgetreten war“, ist dort zu lesen.

Was ist nun von dieser neuen Therapieoption zu halten? Welche Patienten könnten von Romosozumab profitieren? Und wie ist das Sicherheitsprofil zu bewerten? Die Einschätzung von Dr. Friederike Thomasius, der Koordinatorin der Leitlinienkommission des Dachverbandes deutschsprachiger Osteologen, lesen Sie auf S. 27. |

Literatur

Europäische Kommission erteilt die Zulassung von Evenity® (Romosozumab) zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit deutlich erhöhtem Frakturrisiko. Pressemitteilung der UCB Pharma GmbH vom 16. Dezember 2019. www.ucb.de

Romosozumab (Evenity®). Summary of product characteristics. www.ucb.de

European Medicines Agency (EMA). Approval of the marketing authorisation for Evenity (romosozumab) Re-examination leads to recommendation to approve (EMA/565564/2019, EMEA/H/C/004465). Mitteilung vom 18. Oktober 2019. https://www.ema.europa.eu/en/documents/medicine-qa/questions-answers-approval-marketing-authorisation-evenity-romosozumab_en.pdf

Müller C. CHMP empfiehlt Romosozumab. Neuer Osteoporose-Antikörper – jetzt doch! News auf DAZ.online vom 14. November 2019. www.deutsche-apotheker-zeitung.de

Romosozumab (Evenity®). Prescribing information (Stand 04/2019), www.accessdata.fda.gov

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