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Aus den Ländern
Seit 3,5 Jahren „Warten auf Godot“
12. Zukunftskongress des Apothekerverbandes Nordrhein
Zum zwölften Mal lud der Apothekerverband Nordrhein am vergangenen Samstag zum „Zukunftskongress öffentliche Apotheke“ in den ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn ein. Neben der obligatorischen Begrüßungsrede vom Verbandsvorsitzenden Thomas Preis, einem Festvortrag und kleineren Seminaren gibt es auch immer eine Diskussionsrunde zu aktuellen politischen Themen. Und dieses politische Thema ist seit einigen Jahren fast immer dasselbe: Welche Vorschläge machen die Vertreter der einzelnen Bundestagsfraktionen zur Lösung des Versandhandelskonflikts? Wer ist für das Rx-Versandverbot, wer dagegen?
Man merkte Thomas Preis an, dass er sich zu diesen Fragen endlich gesetzgeberische Maßnahmen wünscht und nicht nur Zugeständnisse und Lippenbekenntnisse. Mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zwar nun eine konkrete Lösung vorgeschlagen, doch damit könne man nicht in Gänze zufrieden sein, so Preis, weil es nur 90 Prozent des Problems – nämlich den GKV-Markt – in Sachen Gleichpreisigkeit regeln würde. Trotzdem befürwortet der Verbandsvorsitzende einen zügigen parlamentarischen Prozess. An die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundesgesundheitsministerium, Sabine Weiß, gerichtet, stellte er die Frage, was die Bundesregierung als Alternative beabsichtigt, sollte die Sozialrechtsregelung von der EU-Kommission gekippt werden. Darüber hinaus appellierte er, dass es ein striktes E-Rezept-Makelverbot geben müsse. Das E-Rezept sei ein essenzielles, heilberufliches Versorgungsinstrument und kein Wettbewerbsinstrument, das kommerziell orientierten Dritten zum Selbstzweck und zur eigennützigen Bereicherung dienen dürfe.
Ashok Sridharan, Oberbürgermeister der Bundesstadt Bonn, beteiligt sich an der bundesweiten Bürgermeister-Aktion der ABDA. Sridharan betonte in seinem Grußwort, dass er der Apothekenstruktur eine hohe Bedeutung beimesse: Apotheken seien ein bedeutendes Element im Gesundheitsnetzwerk. Im Hinblick auf die aktuell unübersichtliche Lage bei der weltweiten Coronavirus-Epidemie verwies er darauf, dass sich verunsicherte Patienten vor allem in den Apotheken informieren würden. Seine Rede schloss er mit dem Satz „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Arzt und Apotheker“ ab und fügte hinzu: „und nicht Siri und Alexa!“
Das Warten scheint auch im Bundesgesundheitsministerium ein unliebsamer Zustand zu sein. Immerhin habe man das VOASG bereits im Sommer 2019 vom Bundeskabinett beschließen lassen. Doch konnte es vom Parlament bisher noch nicht behandelt und verabschiedet werden. Die Staatssekretärin versicherte, dass man alles dafür tue, von der EU-Kommission bald ein Signal zu erhalten. Dabei geht das Ministerium offensichtlich von einer positiven Rückmeldung aus: „Wir erwarten ein ‚Go‘ von der Kommission“, so Weiß. Unabhängig davon habe man über andere Gesetze aber bereits einiges an apothekenrelevanten Maßnahmen auf den Weg gebracht. Sie verwies auf die Wiedereinführung von Wiederholungsrezepten und die im Masernschutz-Gesetz verabschiedete Möglichkeit, dass vom Gesetzgeber nach vorausgegangenen Modellprojekten in Apotheken Grippeimpfungen als zusätzliches Angebot zum bestehenden vorgesehen seien. Über einen anderen Weg habe man Vergütungserhöhungen beim Nacht- und Notdienst und der Betäubungsmittelgebühr für Apotheken umsetzen können.
Auf die Frage, was man im Falle einer Absage der EU-Kommission tue, erläuterte Weiß, dass man sich dann mit den Fachpolitikern im Bundestag über Alternativen austausche.
Einer dieser Fachpolitiker ist zum Beispiel Dr. Georg Kippels, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Rhein-Erft-Kreis und Mitglied im Gesundheitsausschuss. Er machte in der anschließenden Diskussionsrunde deutlich: „Wenn nicht bald etwas kommt, dann fordern die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft ‚Gesundheit‘ der Union das Rx-Versandverbot.“ Auf die Nachfrage, bis wann man der EU-Kommission Zeit geben würde, nannte Kippels das erste Quartal 2020. Dirk Heidenblut, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Essen, bestätigte, dass man diese Entscheidung als Koalitionspartner mittrage. Immerhin stünde das Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag. An der Podiums- und Plenardiskussion nahmen darüber hinaus Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Jörg Schneider (AfD) teil.
Kippels nutzte das Forum aber auch, um der ABDA einen deutlichen Seitenhieb zu verpassen. In den letzten Jahren hätte man hauptsächlich die standespolitische Forderung der Apotheker nach einem Rx-Versandverbot vernommen. Eine Offenheit für eine grundlegendere Systemveränderung oder Reform wäre dabei an keiner Stelle deutlich geworden.
Zum Thema Arzneimittellieferengpässe ließ Sabine Weiß die Besucher wissen, dass man die Herausforderung auf europäischer Ebene angehen müsste. Deutschland hat ab Juli die EU-Ratspräsidentschaft inne und das Thema stünde daher ganz oben auf der Agenda. Darüber hinaus sollen Lösungen gefunden werden, die zeitnah die Probleme abschwächen. Dazu würde auch eine Gegenfinanzierung in Anbetracht des enormen Aufwands in der Apotheke bei Lieferengpässen gehören. Diesen Aspekt werde man in Berlin prüfen.
Weiß betonte außerdem, dass man beabsichtige, das Makeln von E-Rezepten zwischen Ärzten und Apotheken zu verhindern. Den Patienten soll demnach die freie Apothekenwahl weiterhin garantiert werden. Der Referentenentwurf für das Patientendaten-Schutzgesetz enthält das Makelverbot für E-Rezepte. Die Formulierung stammt aus dem Entwurf für das VOASG. Die geplante Vorschrift wendet sich jedoch an „Vertragsärzte“ und „Krankenkassen“ – nicht an Dritte. Damit hat das Bundesgesundheitsministerium in den aktuellen Formulierungen eine wichtige Forderung der Apotheker (noch) nicht berücksichtigt. Ob das konkret nachgebessert werden soll, konnte man von Weiß nicht erfahren. Dafür aber, dass es voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2020 eine „objektive“ Gesundheits-App geben soll, die in Zusammenarbeit mit der Gematik und dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) entwickelt bzw. eingeführt wird.
Der IT- und Telematikexperte der ABDA, Sören Friedrich, präsentierte zum Schluss der Veranstaltung den aktuellen Fahrplan zur Einführung der elektronischen Patientenakte und Rezepte. Friedrich wies in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass für die Kostenübernahme der erforderlichen Konnektoren durch die gesetzlichen Krankenkassen unbedingt eine Zulassung als E-Health-Konnektoren vorliegen müsse.
Plädoyer für einen „guten“ Journalismus
Der Tübinger Medienwissenschaftler Prof. Dr. Bernhard Pörksen diskutierte in einem beeindruckenden Festvortrag die Frage: „Wie bewältigen wir den kommunikativen Klimawandel?“ Pörksen zeigte anhand von vielen Beispielen auf, wie tragische Ereignisse im In- und Ausland zur öffentlichen Empörung führen und einen Wandel in unserer Kommunikations- und Informationswirklichkeit bewirken. Ausschlaggebend dafür sei die enorme Geschwindigkeit, mit der die neuen Medien über Ereignisse informieren. Galt früher die Annahme „Mehr Informationen machen uns mündiger“, so gelte heute eher das Gegenteil im Sinne von Desinformation. Nicht zu unterschätzen sind zudem die Manipulationsmöglichkeiten neuer Massenmedien.
Pörksens Ausweg und Lösung für die Medienmisere: die Einführung eines Schulfaches, um Menschen bereits in jungen Jahren mit Medienkompetenz zu befähigen, einen „Beipackzettel“ für seriösen und „guten“ Journalismus und die Schaffung eines „Plattform-Rates“, der die Qualität und Politik der jeweiligen Medienplattform bewertet und transparent macht.
Der nächste „Zukunftskongress öffentliche Apotheke“ wird am 20.02.2021, wieder im World Conference in Bonn (ehem. Dt. Bundestag) stattfinden. |
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