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Wirtschaft
Irritation über den Impfstart bei den Hausärzten
Länder wollen in der Woche vom 19. April beginnen / Kassenärztliche Bundesvereinigung und Hausärzteverband kritisieren Bevorzugung der Impfzentren
Zu Beginn der vergangenen Woche war noch die Rede davon, dass die Hausärzte ab Anfang April in die Impfungen gegen COVID-19 einbezogen werden sollen, nun wird angestrebt, spätestens in der Woche vom 19. April damit zu beginnen. Darüber entscheiden müssen allerdings noch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll dies am kommenden Mittwoch der Fall sein.
Hintergrund dieser reichlich undurchsichtigen Terminverschiebungen ist der wohl auch weiterhin erwartete Impfstoffmangel und die damit verbundene Frage der Aufteilung des Impfstoffs zwischen Impfzentren und Ärzten.
Einerseits strebt die Politik offenbar einen Strategiewechsel an – mehr Impfungen bei den Hausärzten und weniger Impfungen in den Impfzentren. So teilte der bayerische Gesundheitsminister und Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) Klaus Holetschek im Anschluss an eine GMK-Videokonferenz am vergangenen Mittwoch mit: „Künftig steht unsere Impfstrategie auf zwei Säulen: Wir binden ab April die Hausärzte ein, und wir halten an der bewährten Struktur der Impfzentren fest, die die Bundesländer in den vergangenen Monaten aufgebaut haben.“ Die Ärzte sollten im Regelbetrieb – wie bei anderen Schutzimpfungen üblich – über die Apotheken beliefert werden, führte Holetschek weiter aus. Konkret heißt es dazu im Beschluss der GMK: „Der Großhandel erhält seine Lieferung direkt aus dem Zentrallager des Bundes oder vom Hersteller. Die Kosten des Großhandels und der Apotheken werden durch Festzuschläge gedeckt, die der Bund trägt.“ Mit den Verbänden der Vertragsärzte, der Apotheker und des pharmazeutischen Großhandels habe das BMG ein Konzept vereinbart, das eine möglichst gleichmäßige, bevölkerungsbezogene Verteilung der Impfstoffmenge über das Bundesgebiet sicherstellt. Doch dazu, was genau in diesem Konzept steht, wollen sich die Beteiligten auf Nachfrage der AZ nicht äußern.
Was übrig bleibt bekommen die Arztpraxen
Andererseits wollen die Gesundheitsminister aber offenbar zunächst keinen Impfstoff von den Impfzentren „abziehen“. In der Pressemeldung aus dem Hause Holetschek heißt es nämlich weiter: „Konkret haben sich die Länder darauf geeinigt, dass für die Startphase im April bundesweit eine Grundmenge von 2,25 Millionen Impfdosen pro Woche für die Impfzentren zur Verfügung steht. (...) In den folgenden Monaten ist eine Steigerung je nach Verfügbarkeit des Impfstoffes geplant. Der übrige Impfstoff steht den Arztpraxen zur Verfügung.“ Holetschek betont: „Der Impfstoff ist und bleibt der Flaschenhals bei allem. Gerade in der Anfangsphase im April wird noch nicht genügend Impfstoff zur Verfügung stehen, damit die Ärzte im ganzen Land voll durchstarten können. Aber wenn die Lieferungen so kommen, wie der Bund sie uns in Aussicht gestellt hat, dann können wir die Impfungen bei den Ärzten schnell hochfahren.“ Mitmachen muss dabei nicht jeder: Länder, die im April nicht mit der Regelimpfung in den Arztpraxen beginnen wollen, sollen dies dem Bund bis zum 19. März mitteilen.
Gassen kritisiert prioritäre Lieferung an Impfzentren
Die Ärzteschaft ist damit ganz und gar nicht einverstanden. So äußerte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Gassen am vergangenen Donnerstag im ZDF Morgenmagazin: „Die Arztpraxen können das Impfen in hoher Frequenz und in großer Menge leisten – wenn sie denn Impfstoff bekommen. Das ist gestern offensichtlich zunächst mal anders entschieden worden. Der Impfstoff geht jetzt prioritär weiter in die Impfzentren, sodass ich die Haus- und Fachärzte im April eher nicht im Impf-Geschehen sehe. Weil sie schlicht und ergreifend nicht genug Impfstoff bekommen werden, sodass wir auf diese Ressourcen wohl dann erst im Mai zurückgreifen können und es bei dem bisherigen Impftempo bleiben dürfte.“ Den Impfzentren traut Gassen offenbar nicht zu, beim Impftempo entsprechend zuzulegen: „Es ist von 2,25 Millionen Impfstoffdosen in der Woche die Rede. Damit könnten die Impfzentren theoretisch dann 325.000 Impfungen am Tag machen. Ob sie das schaffen, schauen wir uns dann in Ruhe an. Das wäre eine gute Verdopplung der aktuellen Leistung der Impfzentren.“
Zudem wäre es, so Gassen weiter, gerade in den Arztpraxen „natürlich für unsere hochbetagten Mitbürger wesentlich einfacher, sich impfen zu lassen“. Die Impfzentren seien häufig sehr weit weg von den Orten, wo die Menschen leben, und in den Praxen sind die Patienten bekannt. „Das heißt, auch hier kann man sehr viel einfacher die wirklich Kranken herausfischen.“
KBV: Rasches Durchimpfen geht nur mit den Praxen
Die Schuld für die Verzögerungen sieht die KBV-Spitze vor allem bei den Ländern: KBV-Vorstandschef Gassen und sein Stellvertreter Stephan Hofmeister zeigen sich in einer Pressemeldung überzeugt davon, dass ein rascheres Einbinden der Praxen mit dem Konzept des Bundesgesundheitsministers möglich gewesen wäre. „Doch die Länder haben das Verfahren unnötig verkompliziert.“
Hofmeister empört sich vor allem über die Bevorzugung der Impfzentren: „Die Politik will zuerst die Impfzentren mit Impfstoffen ausstatten und deren Finanzierung absichern, danach folgen die Praxen mit den übrig gebliebenen Resten. Das ist ein Unding! So wird das Engagement der Kolleginnen und Kollegen mit Füßen getreten.“
Beide KBV-Vorstände betonen, dass ein schnelles Durchimpfen der Bevölkerung selbst mit aufgestockten Impfzentren nicht zu erreichen ist. „Das geht nur mit den Praxen: Fünf Millionen Impfungen in der Woche sind dort absolut machbar. Es geht darum, maximale Geschwindigkeit bei den Impfungen zu erreichen – es gibt aber offensichtlich noch einige, die das nicht verstanden haben“, so KBV-Chef Gassen abschließend.
Weigeldt: Hausärzte sollen Impfzentren ablösen
Auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes Ulrich Weigeldt kritisierte im Interview mit dem Fernsehsender Phoenix das viel zu langsame Impfen in Deutschland. Es könne nicht sein, dass vier Millionen Impfdosen im Kühlschrank gelagert werden, um Impfzentren am Laufen zu halten, anstatt dafür zu sorgen, dass viele Menschen in kurzer Zeit geimpft werden.
Gegenüber der Augsburger Allgemeinen fordert Weigeldt sogar, die Corona-Impfungen komplett von den Impfzentren in die Hausarztpraxen zu verlegen. „Man mag die jetzt dort noch gebuchten Impftermine ja abarbeiten, aber parallel dazu muss das Feld der Impfungen endlich den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten überlassen werden“, sagte der Hausärztevorsitzende. „Die Praxen könnten sofort mit dem Impfen loslegen.“
AKNR: Die Apotheker stehen bereit
Auch vonseiten der Apotheker wird die Einbeziehung der Ärzte in die Impfungen gegen COVID-19 begrüßt. „Das wird für viele Bürgerinnen und Bürger des Landes die Realität werden“, erklärt Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, in einer Pressemeldung. Denn in der Fläche, also bei den Hausärzten, sei Herdenimmunität deutlich leichter herzustellen als in zentralen Impfzentren. Möglich werde dies durch Fortschritte bei Transport, Lagerung und sonstiger Logistik der Impfstoffe. „Wenn keine Hochleistungskühlung mehr nötig ist, um Impfstoffe sicher von A nach B zu bringen, dann steht einer Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nichts mehr im Wege“, heißt es weiter. Dafür müsse natürlich ausreichend Impfstoff vorhanden sein. Dieser werde jedoch laut Bundesgesundheitsministerium im zweiten Quartal 2021 erwartet. „Sobald das gewährleistet ist“, betont Hoffmann, „ist keiner schneller als wir.“
Ausbau der Impfzentren wird gestoppt
Kritik gibt es aber auch von der anderen Seite. So werden laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur angesichts der geänderten Impfstrategie die bayerischen Impfzentren nicht weiter ausgebaut, die geplante gute Verdopplung der Kapazitäten bis April wird gestoppt. Entsprechend verschnupft reagierte die Stadt München. Nach der Ankündigung des Gesundheitsministeriums, dass die Stadt ab April täglich rund 13.000 Impfdosen erhalte, sei mit großer Kraftanstrengung begonnen worden, die Impfkapazität in der Messe auf täglich 6000 Impfungen auszubauen, äußerte Münchens Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek am vergangenen Mittwoch gegenüber dem Münchener Merkur. Zugleich seien Voraussetzungen für weitere Impfzentren mit 7000 Impfungen täglich geschaffen worden. „Heute dann der für uns alle sehr überraschende Sinneswandel, dass die Kapazitäten in den Impfzentren nicht ausgebaut und stattdessen die Impfungen wesentlich durch Hausärzte erfolgen sollen“, so Zurek.
In Bayern startet das Impfbündnis am 1. April
Unterdessen informierte Bayerns Gesundheitsminister Holetschek am vergangenen Freitag, dass Bayern „mit den niedergelassenen Ärzten, den Apothekern sowie den Landkreisen und kreisfreien Städten mit ihren Impfzentren ab Anfang April ein Impfbündnis“ starte. „Wir erwarten, dass die Impfstofflieferungen des Bundes die Arztpraxen in die Lage versetzen, ihren Patienten zum 1. April ein Impfangebot machen zu können“, stellt Holetschek in Aussicht. Aber auch hier soll der bayerische Anteil an den vom Bund zugesagten 2,25 Millionen Dosen pro Woche an die Impfzentren geliefert werden und erst darüber hinausgehende Mengen an die Arztpraxen. Bezüglich der zusätzlichen Lieferungen zeigt sich Holetschek optimistisch: „Auf Basis der Prognose des Bundes gehen wir davon aus, dass beispielsweise schon in der Woche nach Ostern rund 121.000 Impfdosen in den Arztpraxen verimpft werden können“, heißt es in der Pressemeldung. |
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