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Gesundheitspolitik
AvP: Eine Person in U-Haft
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf laufen
Dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in die das Apothekenrechenzentrum AvP geriet und die im September 2020 zur Insolvenzfeststellung führten, offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen resultieren, darauf weisen einerseits die Erkenntnisse von Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos hin, über die die DAZ bereits ausführlich berichtete. Andererseits ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf seit September 2020 – zunächst gegen zwei Beschuldigte wegen Bankrotts, seit Anfang 2021 hat sich der Kreis auf insgesamt fünf Personen ausgeweitet. Wie die Behörde damals mitteilte, gehören oder gehörten alle Beschuldigten zur Führungsebene der Unternehmensgruppe beziehungsweise sind oder waren Mitarbeiter. Konkret geht es um den Verdacht der Insolvenzverschleppung, der Bilanzfälschung, der Urkundenfälschung, des Betruges beziehungsweise der Beihilfe zum Betrug, des Bankrotts sowie der Untreue. Die Ermittlungen gehen zurück auf eine Strafanzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die im September 2020 bei der Staatsanwaltschaft einging.
Akute Fluchtgefahr
In Branchenkreisen wurde in der vergangenen Woche über zwei Personen gesprochen, die sich in Untersuchungshaft befinden sollen, darunter Mathias Wettstein, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der AvP Service AG. Auf Anfrage der AZ bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, dass sich seit zwei Wochen jedoch nur eine Person aus dem Kreise der Beschuldigten in Untersuchungshaft befindet. Bereits in jenen Septembertagen nach Bekanntwerden der Pleite wurde gemutmaßt, AvP-Gesellschafter Mathias Wettstein sitze in Untersuchungshaft, weil er sich womöglich ins Ausland absetzen könnte. Wettstein ist bereits wegen Steuerhinterziehung vorbestraft, ist Gesellschafter mehrerer Firmen und hat Zugriff auf Immobilien im In- und Ausland.
Laut Gutachten von Insolvenzverwalter Hoos war es in der AvP-Unternehmensgruppe seit „geraumer Zeit“ zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen. Nach außen getreten waren diese im Jahr 2018, als es zu strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen einen Geschäftsführer der AvP Deutschland GmbH kam. Diesen vorausgegangen waren auffällige Überweisungen von Konten der AvP Deutschland GmbH auf ein bei der Stadtsparkasse Düsseldorf geführtes Konto der Dialog im Gesundheitswesen GmbH. Der Geschäftsführer leitete zeitweise auch diese Schwestergesellschaft innerhalb der AvP-Gruppe. Das Konto fand wiederum in keinen Büchern Erwähnung und die Gelder wurden für keines der Unternehmen in der AvP-Gruppe betriebsbezogen verwendet.
Fragwürdige Bilanzierungspraxis
Doch einige Dimensionen größer sind die Verluste aus der fragwürdigen Bilanzierungspaxis bei AvP: Ein Wirtschaftsprüfungsgutachten bestätigte den Verdacht, dass die Jahresabschlüsse 2018 und 2019 nichtig und neu zu erstellen waren. Kernkritik: Sowohl die Forderungen gegen Krankenkassen als auch die Guthaben der Abrechnungskonten sowie die Verbindlichkeiten aus einem Konsortialkredit, der für die Abschlagszahlungen genutzt wurde, wurden nicht bilanziert. Hinzu kam eine nicht ordnungsgemäße Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung im Hinblick auf die Abrechnungskonten. Infolgedessen konnten die Einzahlungen der Krankenkassen nicht mit den Rezeptforderungen abgeglichen werden. Hinzu kommt, dass bei AvP über Jahre hinweg Forderungen aus sogenannten Rabattverfallen (Verfall des Kassenabschlags bzw. des Apothekenrabatts) gebucht wurden, ohne dass diese von den Krankenkassen tatsächlich gezahlt wurden.
Aus diesem Missmanagement hat sich eine deutlich größere Finanzlücke gebildet: In seinem Gutachten für das zuständige Gericht zum Stichtag 22. Oktober 2020 hatte Hoos die damals noch offenen Forderungen der Apotheken gegenüber Krankenkassen auf etwa 200 Millionen Euro beziffert. Insgesamt meldeten die betroffenen Apotheken und anderen Gläubiger Forderungen in Höhe von 626 Millionen Euro zur Insolvenztabelle an. Betroffenenanwälte betonen, dass der Insolvenzantrag eine Zäsur für AvP darstelle. Gemäß Insolvenzordnung müssten die noch offenen Forderungen separiert werden und der Insolvenzverwalter müsse sich so verhalten, wie AvP sich bei gesetzeskonformer Anwendung der Verträge verhalten haben müsste. Dann seien diese Abrechnungsbeträge zuzuordnen und an die jeweiligen Apotheken auszukehren. |
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