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Kopf hoch – wird schon!
Über den Zusammenhang von Körperhaltung und Psyche
Zwischen Gefühlen, Körperhaltung und Motorik gibt es eine enge Beziehung. Wer beispielsweise traurig ist, lässt den Kopf hängen. In diesem Beispiel ist ein Einfluss der psychischen Verfassung auf die Haltung des Körpers offensichtlich. Doch geht es auch anders herum? Kann die Psyche durch bestimmte Körperhaltungen, beispielsweise aufrechter Gang, erhobener Kopf, freies und schwungvolles Laufen, positiv beeinflusst werden? Eine Vielzahl von Studien legt das – zumindest bis zu einem bestimmten Punkt – nahe. Wo sind die Grenzen? Und welche Vorteile – auch im Hinblick auf die Arbeit in der Apotheke – können wir daraus ziehen?
Körpersprache – ein Blick in die Seele
Wir alle tun es, bewusst oder unbewusst: Wir deuten die Körpersprache anderer Menschen. Diese sagt einiges aus über die momentane seelische Verfassung und Stimmung. Auch gewisse Rückschlüsse auf Charakter und Einstellungen sind möglich. Beispielsweise signalisieren in den Hosentaschen versteckte Hände eine ablehnende Haltung dem Gesprächspartner gegenüber. Dagegen sendet jemand, der sich mit locker herabhängenden Armen zugewandt zeigt, positive Signale. Gedeutet werden natürlich niemals nur einzelne Körpersignale, vielmehr kommt es letztlich auf das Gesamtbild an. Unterschätzen Sie jedoch nie, welche Wirkungen manchmal auch ein kleines Detail auf das Gegenüber ausüben kann. Dessen sollte man sich zumindest bewusst sein.
Es ist naheliegend, dass wir unbewusst ausstrahlen, was wir empfinden. Jeder kennt diese Zusammenhänge. Gute Laune strahlen Menschen auch über ihre aufrechte Körperhaltung aus, während Menschen, die unglücklich sind, beispielsweise die Schultern hängen lassen und allgemein ihre Körperspannung nachlässt. Auch Ängstlichkeit, Nervosität oder Unsicherheit wird deutlich widergespiegelt. Im Job – gerade im Kundengespräch – können sich diese unbewussten Signale negativ auswirken. Ergibt es jedoch Sinn, deshalb bewusst oder gar „künstlich“ auf positive Signale zu setzen? Das hat zumindest seine Grenzen und darf nie unauthentisch wirken. Denn dann würden wir ja ebenfalls signalisieren, dass irgendetwas nicht „stimmt“. Interessant ist dabei, inwieweit durch bestimmte Körperhaltungen oder Bewegungsabläufe die Psyche zu beeinflussen ist – und nicht immer nur den umgekehrten Zusammenhang zu beleuchten.
Bodyfeedback – Haltung wirkt auf Psyche
Körper und Psyche sind eng miteinander verbunden. Dieses Prinzip ist altbekannt. Meist wird hierbei allerdings eher an die körperlichen Manifestationen der Psyche als an den umgekehrten Effekt, den körperlichen Zugang zur Psyche, gedacht. Jedoch spiegeln der Körper (und somit auch die Körperhaltung) nicht nur die Seele wider, es gibt auch das umgekehrte Phänomen. Die Seele spiegelt den Körper wider. Insofern kann beobachtet werden, dass sich die Haltung des Körpers auf die Psyche auswirkt.
Diesen Zusammenhang macht sich das sogenannte Bodyfeedback zunutze. Es beschreibt die Rückmeldungen aus dem Körper an das Gehirn, beispielsweise von verschiedenen Körperhaltungen, aber auch der jeweils eingesetzten Mimik. Diese Rückmeldungen können zum Beispiel zu Veränderungen der Stimmung führen. Bodyfeedback kann eine deutliche Wirkung entfalten dank der wechselseitigen Einflüsse zwischen Körpergeschehen und Psyche. Psychische und kognitive Prozesse sind insofern stets in Bezug zum gesamten Körper zu sehen. Die Einflüsse der Körperhaltung und des Bewegungsablaufes können dementsprechend eingesetzt und so bis zu einem gewissen Grad Gefühle oder Stimmungen beeinflusst werden.
Experimente – was bewirkt die Körperhaltung?
Verschiedenste Studien beschäftigten sich mit der Frage nach den Auswirkungen der Körperhaltung auf die Psyche. Im Jahre 2020 erschien eine Übersichtsarbeit und Metaanalyse unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Universität Aarhus, der Columbia University in New York und der Universität Witten/Herdecke in der Zeitschrift „Perspective on Psychological Science“ (https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/1745691620919358). Diese untersuchte, ob sich Effekte der Haltung des Körpers robust in den verschiedenen untersuchten Studien wiederfinden. Dazu wurden über 70 Studien analysiert.
Mittels dieser Metaanalyse konnten eindeutige Auswirkungen von Körperhaltung und von Bewegungsmustern auf die Psyche nachgewiesen werden. Das motorische System beeinflusse unterschiedliche emotionale und verhaltensbezogene Variablen, so das Ergebnis. Dazu gehörten Gefühle, das emotionale Gedächtnis und die Risikobereitschaft. Nicht nachgewiesen werden konnten hingegen robuste Effekte auf das Hormonsystem. Allerdings sei die Anzahl der Studien, die Hormone untersuchten, sehr klein gewesen.
Die der Metaanalyse zugrunde liegenden 70 Studien analysierten zum Beispiel bestimmte am Computer simulierte Spielsituationen. Eine Fragestellung war beispielsweise, ob sich die Probanden durch eine stark aufrechte Körperhaltung und herausgestreckte Brust risikofreudiger verhalten. Das habe sich nicht bewahrheitetet. Wohl aber umgekehrt habe sich eine zusammengesunkene Körperhaltung deutlich ausgewirkt. Die Teilnehmer zeigten sich weniger offen und weniger risikofreudig. Grundsätzlich nahmen die Testpersonen in diesen Experimenten eine aufrechte, eine zusammengesunkene oder eine neutrale Körperhaltung ein. Das Ergebnis war: Vor allem eine zusammengesunkene Körperhaltung wirkt sich auf die Psyche aus – und zwar negativ. Ein guter Tipp für alle, die beispielsweise bei sich häufiger eine gedrückte Stimmung feststellen!
Effekte durch Power-Posing umstritten
Was ist jedoch von dem gegenteiligen Effekt zu halten, dass Menschen durch das sogenannte Power-Posing mit einer entsprechend offensiv offenen und raumgreifenden Körperhaltung risikobereiter sind und dass die Psyche auf diese Weise positiv beeinflusst werden kann?
Es wird immer wieder Situationen geben, in denen wir mit Nervosität reagieren. Die Schweißdrüsen werden aktiviert. Der Herzschlag erhöht sich. Diese Reaktionen des Körpers auf den unmittelbaren Stress werden automatisch durch das sympathische Nervensystem ausgelöst. Der Theorie nach soll Power-Posing dem bis zu einem gewissen Punkt entgegenwirken. Die weiten und raumeinnehmenden Körperhaltungen sollen das Stressgefühl vermindern.
Großes öffentliches Interesse löste eine Studie des Forscherteams um Dana Carney und Amy Cuddy von der Harvard Business School aus dem Jahre 2010 aus. Demnach erziele Power-Posing deutliche Effekte mit einem erhöhten Testosteronspiegel plus verminderter Cortisol-Ausschüttung einschließlich einer gesteigerten Risikobereitschaft und einem größeren Machtempfinden. Die Wissenschaftler gaben anschließend an, dass durch Power-Posing positive Effekte auf das Verhalten der Menschen und deren psychologische Zustände zu erreichen seien. Aufgrund der verwendeten Methoden und der gemischten Replikationsfähigkeit kam die Studie jedoch in die Kritik, sodass der Effekt durch Power-Posing – zumindest was die Wirkung auf den eigenen Körper angeht – umstritten ist.
Im Raum steht jedoch trotzdem die Frage, wie wir durch eine offene und raumeinnehmende Körperhaltung von anderen Menschen wahrgenommen werden – und welche Rückmeldungen diese daraufhin an uns zurückgeben. Auf diesem „Umweg“ könnte es eventuell dennoch zu positiven Effekten auf unsere Psyche kommen. Übertreiben sollten wir jedoch nicht. „Posen der Macht“ können sich im Miteinander auch negativ auswirken.
Motorik und Psyche – Bewegung tut uns gut
Motorik und Psyche gehören eng zusammen. Wechselwirkungen sind dementsprechend naheliegend. Körperhaltung und Bewegungsabläufe spielen eine wichtige Rolle in Bezug auf unsere psychische Verfassung. Gerade auch in schwierigen Zeiten, wie während der allgegenwärtigen Corona-Pandemie, ist es unerlässlich, ein Augenmerk auf die eigene psychische Gesundheit zu legen und nach Wegen zu suchen, besser durch die Krise zu kommen.
Ganz allgemein ist festzustellen: Bewegung ist wichtig, Bewegung ist gesund, steigert das körperliche Wohlbefinden und verbessert die Körperspannung. Diese Erkenntnisse werden wahrscheinlich die meisten Menschen aus persönlicher Erfahrung teilen können. Sport, aber auch einfach regelmäßige Bewegung, fördert die Durchblutung des Körpers, von den Muskeln bis zum Nervengewebe. Eine gute Durchblutung ist wichtig für die Informationsaufnahme der Rezeptoren im Gehirn. Bewegung spielt außerdem auch entwicklungsbiologisch eine wichtige Rolle, indem das Nervengewebe während der Kindheit ein ganzes Netzwerk an Verbindungen knüpft, um gut funktionieren zu können.
Zudem ist Bewegung gut für den Kreislauf und die Kondition, senkt die stressbedingte Ausschüttung von Cortisol und erhöht die Abgabe von körpereigenen Opioiden und den Tryptophan-Spiegel – und somit einer Vorstufe des „Glückshormons“ Serotonin. Bewegung stärkt mental, fördert die Denkfähigkeit, reduziert Stress, lindert (bis zu einem gewissen Punkt) Depressionen. Außerdem kann es zu positiven Effekten bei Angsterkrankungen kommen. Nicht umsonst werden bewegungstherapeutische Konzepte sowohl in der Prävention als auch in der Therapie psychischer Erkrankungen eingesetzt.
Psyche, Motorik und Körperhaltung – alles hängt zusammen und beeinflusst sich gegenseitig. Positive Effekte kann jeder daraus ziehen, für das persönliche Wohlbefinden und für das tägliche Arbeiten in der Offizin – und das gerade auch in schwierigen Pandemiezeiten. In diesem Sinne: Kopf hoch, Rücken gerade und lächeln – wird schon! |
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