Gesundheitspolitik

16 Millionen Euro für liegengebliebene Grippeimpfstoffe

Bund will Apotheken für unverbrauchte Vakzine aus nationaler Reserve entschädigen

ks | Apotheken, die noch auf den Kosten für nicht verbrauchte Grippeimpfstoffe der vergangenen Saison sitzen, dürfen aufatmen: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat in der vergangenen Woche den Referentenentwurf für eine Verordnung über die Rück­erstattung nicht genutzter saisonaler Grippeimpfstoffe („Grippeimpfstoffrückerstattungsverordnung“) vorgelegt. 16 Millionen Euro sollen demnach für die Entschädigung der Apotheken aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden. Der Hintergrund ist bekannt: Das BMG hatte für die Grippesaison 2020/2021 6 Millionen zusätzliche Impfstoffdosen beschafft, die neben den bereits von Apotheken bestellten in den regulären Vertriebsweg gespeist wurden. Man wollte vermeiden, dass die Corona-Pandemie mit einer Grippewelle zusammentrifft und setzte auf möglichst viele Influenza-Impfungen – denn COVID-19-Vakzine standen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bereit.

Doch während die Nachfrage nach den Grippeimpfstoffen zunächst groß war, ließ sie merklich nach, als zum Jahresende endlich die Dosen des Bundes in die Apotheken kamen. Im Verordnungsentwurf heißt es dazu: „Die zeitlich gestreckte Auslieferung der Grippeimpfstoffe, Doppelbestellungen von Ärztinnen und Ärzten sowie nicht wahrgenommene Impftermine führten jedoch dazu, dass nicht alle an Apotheken gelieferte Impfstoffdosen zur Verimpfung an Arztpraxen abgegeben werden konnten.“

Weil nun die Verfalldaten überschritten sind bzw. eine Verimpfung der Vakzine in der Grippe­saison 2021/2022 wegen der erforderlichen Stammanpassung nicht möglich ist, blieben die Apotheken bislang auf ihren Beschaffungs- und Entsorgungskosten sitzen. Denn grundsätzlich tragen die Apotheken das wirtschaftliche ­Risiko bei der Bestellung. Ob das aber auch für den Sonderfall gilt, dass der Bund einen Teil der Impfstoffe beschafft hatte, sollte der Deutsche Apothekerverband (DAV) mit dem BMG klären. Über Monate war nicht zu erfahren, ob DAV und BMG in diesem Punkt zusammenkommen. Mitte August erklärte dann eine BMG-Sprecherin: „Der Bund hat alle Grippeimpfstoffe aus der nationalen Reserve der letzten Saison gekauft und trägt das Risiko der Verimpfung.“

DAV übernimmt Abwicklung

Mit dem jetzt vorgelegten Verordnungsentwurf konkretisiert sich diese Aussage: Apotheken sollen einen Anspruch auf Rückerstattung der Kosten erhalten. Die Höhe des Anspruchs richtet sich demnach „nach der Anzahl der von den Apotheken nicht abgegebenen Impfstoffdosen und dem Apothekeneinkaufspreis je Dosis“ – dieser Betrag kann je nach Impfstoffhersteller variieren. Immerhin fünf verschiedene Impfstoffe unterschiedlicher Hersteller hatte der Bund beschafft. Der Bund stellt für die Erstattung bis zu 16 Millionen Euro zur Verfügung. Sollten die Apotheken mehr einfordern, wird der Rückerstattungsbetrag anteilig gekürzt, heißt es im Verordnungsentwurf.

Die Abwicklung soll über den DAV laufen. Er soll den jeweils zu erstattenden Betrag durch Bescheid für jede Apotheke festsetzen. Die Apotheken müssen dafür ihre Ansprüche zuvor innerhalb einer Frist von acht Wochen nach entsprechender Bekanntmachung geltend machen. Näheres zur Geltendmachung der Ansprüche und Details zum Verfahren soll der DAV noch festlegen. Das Bundesamt für Soziale Sicherung überweist sodann die übermittelten Beträge an den Nacht- und Notdienstfonds.

DAV-Chef Thomas Dittrich erklärte: „Mit der Verordnung setzt die Politik nun das richtige Signal, denn auch in der kommenden Grippesaison 2021/2022 werden Impfungen im Umfeld der Corona-Pandemie wichtiger denn je sein.“ Bis zum 27. August wollte die ABDA eine Stellungnahme abgeben – bis AZ-Redaktionsschluss blieb diese jedoch unveröffentlicht.

Während die Apotheken sich freuen können, regt sich bei Ärzten Widerstand. So twitterte die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz: „@jensspahn will Apotheken jetzt nicht abgerufenen Impfstoff erstatten. ÄrztInnen bleiben die Dummen. Sie zahlen aus eigener Tasche!“ |

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