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Gesundheitspolitik
Verdacht auf Impfpassfälschung – was tun?
Dürfen Apotheken die Polizei einschalten? Wie steht es um die Schweigepflicht?
Täglich finden sich zu solchen Situationen Berichte in der Presse und den Polizeitickern. Manche Kunden, die merken, dass in der Apotheke Zweifel aufkommen, verschwinden schnell wieder mit ihrem Pass. Aber wie sollte man als Apotheker reagieren? Die ABDA-Handlungshilfe rät schlicht: „Bei begründetem Verdacht auf Fälschung der vorgelegten Impf- bzw. Genesenendokumentation ist eine Ausstellung eines digitalen Impfzertifikats zu verweigern“. Also keine Polizei?
Während sich manche Apotheken offensichtlich nicht scheuen, bei einem Fälschungsverdacht die Polizei einzuschalten, gibt es Landesapothekerkammern und -verbände, die darauf hinweisen, dass Apotheker einer Schweigepflicht unterliegen. Wenn sie ein fremdes, ein persönliches Geheimnis, das ihnen anvertraut wurde, offenbaren, droht ihnen Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe (§ 203 StGB). Sie verweisen darauf, dass der betreffende Patient zuvor eine Einwilligung unterzeichnen müsste, dass er den Apotheker von der Schweigepflicht entbindet. In Sachsen meint man, diese Einwilligung sei sogar nötig, wolle man den Arzt kontaktieren, der die Impfung bescheinigt haben soll. Dieser Rat klingt jedoch etwas lebensfremd.
Unsere Redaktion bat die Freiburger Rechtsanwälte Ilva Schiessel und Morton Douglas um ihre Einschätzung. Auch wenn sie einräumen, dass in einem solchen Fall der Tatbestand einer Schweigepflichtverletzung erfüllt sein könne, sehen sie eine Strafanzeige weniger kritisch. Sie halten es zum Schutz der Allgemeinheit für sinnvoll, bei begründetem Verdacht auf eine Fälschung entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Denn nach ihrem Verständnis ist davon auszugehen, „dass die Vorlage der gefälschten Impfdokumentation zum Zwecke der Erlangung eines Impfzertifikates einen gegenwärtigen (da unmittelbar bevorstehenden), rechtswidrigen Angriff auf die Gesundheit der Allgemeinheit darstellt“. Insoweit wäre der Verstoß gegen die Schweigepflicht durch eine Notstandshandlung gerechtfertigt. „Dies gilt selbstverständlich nur dann, wenn ein begründeter Verdacht objektiv besteht und dies belegt werden kann“, so die Anwälte.
Sie raten Apotheken, zuvor mit dem vermeintlichen Aussteller der Impfdokumentation zu klären, ob die Impfung tatsächlich stattgefunden hat. „Da es sich hierbei um einen Arzt handelt, ist diese Kommunikation durch die doppelte Verpflichtung nach § 203 StGB unproblematisch“. Sollte der Arzt nicht erreichbar sein, empfehlen sie, einen Kollegen um dessen Einschätzung zu bitten, ob das Dokument echt ist. All dies sollte dokumentiert werden, um darlegen zu können, alles Nötige versucht zu haben, wenn der Verdacht am Ende doch unbegründet ist.
Komplexe Thematik
„Die Thematik ist komplex und mit Risiken verbunden“, resümieren Douglas und Schiessel. Der Weg über die Schweigepflichtentbindungserklärung sei sicherlich für die Apotheke der sicherste. „Letztlich muss aber jede Apotheke selbst entscheiden, ob sie das – aus unserer Sicht allerdings überschaubare – Risiko eingehen möchte, sich in einem etwaigen Ermittlungsverfahren rechtfertigen zu müssen“. Eine pauschale Empfehlung geben sie daher nicht.“
Eine ganz andere Sichtweise brachte vergangene Woche das Landgericht Osnabrück auf: Hier meint man, dass Personen, die in der Apotheke einen gefälschten Impfpass vorlegen, um ihn digitalisieren zu lassen, sich gar nicht strafbar machen. Es liege eine Strafbarkeitslücke vor. Muss man sich also gar keine Gedanken über eine Anzeige machen? Ganz so einfach ist es sicher nicht. Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. |
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