Management

Anstand im Apothekenalltag

Auf der Suche nach klaren Regeln für den Umgang im Team und mit Kunden

Ist Anstand auch heutzutage noch eine Kategorie, die eine Rolle spielen sollte? Etwa bei der Mitarbeiterführung und im Kundenkontakt oder im Umgang miteinander im Apothekenteam? Und wenn das so ist: Was genau ist mit „Anstand“ ­gemeint, wie lässt sich dieser Wert im Apothekenalltag leben?

„Das erfordert der Anstand“, „Der Mensch hat keinen Anstand“, „Diese problematische Mitarbeiterbesprechung will ich mit Anstand hinter mich bringen“ – von anständigem Verhalten ist oft die ­Rede – was genau aber ist ­damit gemeint?

Leitwerte festlegen und ­diskutieren

Was ist zu tun, wenn „Anstand“ eine Kategorie ist, die in der Apotheke Beachtung finden soll? Entscheidend ist, dass der Apothekenleiter den Begriff mit seinen Mitarbeitern diskutiert. Denn was einen anständigen Menschen auszeichnet, ist Auslegungssache und eine Frage der Interpretation. Wenn man ein Apothekenteam fragen würde, was es unter Anstand versteht, würden wohl ­verschiedene Definitionen und Ansichten geäußert.

Wir können wohl davon ausgehen, dass das Team zu dem Ergebnis gelangt, es handele sich um einen moralischen Begriff – es geht um die Art und Weise, wie man sich insbesondere im Umgang mit anderen Menschen gut, richtig und angemessen verhält. Zu empfehlen ist, genau zu definieren, was „Anstand in der Apotheke“ bedeutet, und daraus Regeln für die Kommunikation mit Kunden, aber auch innerhalb des Teams abzuleiten.

Der Prozess lässt sich in einem Teammeeting anstoßen, in dem Apothekenleiter und Mitarbeiter entweder einen vorhandenen Wertekatalog diskutieren oder einen solchen aufstellen, indem sie Leitwerte festlegen und besprechen, welche „Un-Werte“ im Apothekenalltag keine Rolle spielen sollen. Im Rahmen der Werteorientierung können sie dann auch den anständigen Umgang mit Kunden und untereinander thematisieren.

Diskursethik statt normative Festlegungen

In diesem Sinne ist die Diskussion um „Anstand“ Diskursethik: Das Ziel besteht nicht darin, ein normatives Set an Regeln vorzugeben, an die sich alle zu halten haben. Im Fokus steht vielmehr die Diskussion und Festlegung dessen, was der Apothekenleiter und sein Team unter Werteorientierung und Anstand verstehen. Wir können und wollen dem Diskussionsergebnis nicht vorgreifen, aber vorstellbar ist, dass „Anstand“ als ein fairer, wertschätzender Umgang miteinander bestimmt wird, bei dem alle Beteiligten es vermeiden, andere zu verletzen, in ihrem Selbstwertgefühl zu kränken und sie zu etwas zu überreden, statt sie argumentativ zu überzeugen.

Foto: luckybusiness /AdobeStock

Fair play nicht nur im Tennis, auch im Arbeitsleben wirkt es positiv. Nur sollte jeder eines Teams wissen, was es bedeutet.

Anstandsregeln formulieren und festlegen

Axel Hacke hat in seinem Buch „Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen“ darauf aufmerksam gemacht, dass Anstand insbesondere in schwierigen Situationen – etwa in Konflikten, beim Streit, beim Austausch von Kritik – eine elementare Bedeutung für einen zivilisierten Umgang hat.

Was heißt das für den Apothekenalltag? Zum einen: Der Apothekenleiter kann und soll als Vorbild vorangehen. Bei der Mitarbeiterführung ist es „anständig“, wenn er seine Machtposition als Vorgesetzter nicht dazu missbraucht, Mitarbeiter zu gängeln, zu bevormunden und ihnen seinen Willen aufzuzwingen.

Zum anderen bedeutet das: In einem weiteren Schritt werden im Teammeeting ein Anstandsleitbild, ein Anstandskodex und Anstandsregeln für potenzielle Probleme in schwierigen kommunika­tiven Mitarbeiter- und Kundensituationen formuliert. Wie laufen Gespräche zwischen Apothekenleiter und Mitarbeitern mit Anstand ab? Wie sollen die Kollegen im Team interagieren? Welche Konsequenzen ergeben sich für komplexe und herausfordernde kommunikative Situationen?

Kein unnötiger „Sozial­klimbim“

Etliche Apothekenleiter desavouieren Gespräche und Festlegungen zu moralisch-ethischen Themen als Sozialklimbim und halten sie für unnötig. Sie übersehen, dass umgangsorientierte Anstandsregeln weitreichende positive Folgen für das Betriebsklima haben. Wenn in Leitbild und Kodex Dinge wie zum Beispiel Respekt, gegenseitige Wertschätzung, Selbstbestimmung, gegenseitige Anerkennung, Taktgefühl, Kollegialität und Solidarität, Vertrauen und kommunikative Regeln beschrieben sind, nimmt erfahrungsgemäß die Tendenz zu Machtspielen, Intrigen und (selbst-)zerstörerischen Konflikten ab.

Keine Friede-Freude-Eierkuchen-Atmosphäre. Ein harmonisches Arbeitsklima hat aber positive Folgen für den Zufriedenheits­faktor aufseiten der Mit­arbeiter und die Arbeitsproduktivität in der ­Apotheke.

Sich in Konfliktsituationen fair verhalten, stets das Selbstwert­gefühl des Gegenübers achten und ihm mit Respekt, Höflichkeit, Wertschätzung und Rücksichtnahme begegnen – all dies führt nun nicht dazu, dass sich eine Friede-Freude-Eierkuchen-Atmosphäre breitmacht; eine solche wäre einem produktiven und leistungs­orientierten Arbeiten sogar ab­träglich. Ein harmonisches Arbeitsklima zeitigt jedoch in der ­Regel positive Folgen für den Zufriedenheitsfaktor aufseiten der Mitarbeiter und die Arbeitsproduktivität in der Apotheke.

Zielführend ist es, für typische schwierige Situationen zwischen Apothekenleiter und Mitarbeitern sowie zwischen Kollegen verbindliche Spielregeln festzulegen, den Anstandskatalog regelmäßig zu hinterfragen und ihn geänderten Rahmenbedingungen anzupassen.

Regeln für den Kunden­kontakt

Wie bereits angedeutet: Allgemeinverbindliche Anstandsregeln gibt es nicht. Apothekenleiter und Mitarbeiter können nicht in eine „Ethik-Schublade“ greifen und vorgefertigte Anstandsregeln herausziehen. Sie stehen darum in der Verantwortung, diese Regeln im Diskurs selbst festzulegen. Das gilt auch für den Kundenkontakt. Der Apothekenleiter und seine Mitarbeiter legen also fest, welche Umgangsformen und Anstandsregeln für den Kundenkontakt Gültigkeit besitzen sollten. Um konkret zu verbleiben, werden im Team insbesondere Situationen besprochen, in denen es zu Konflikten kommen könnte, etwa bei Reklamationen oder im Gespräch mit schwierigen Kunden, die die Auseinandersetzung suchen und aggressiv, dominant, besserwisserisch oder misstrauisch auftreten. Die Teammitglieder tauschen sich über die entsprechenden Erlebnisse aus, beschreiben ihre Erfahrungen im Umgang mit herausfordernden Kunden und legen Ver­haltensweisen und Regeln fest, mit denen sich diese Situationen mit Anstand und Würde bewältigen lassen.

Klar ist: In solchen Situationen ist ein anständiges Verhalten besonders wichtig und gefragt, aber auch besonders schwierig umzusetzen.

Fazit

„Anstand“ gehört zu den Begriffen und Verhaltensweisen, die einem Bedeutungswandel unterliegen und darum vom Apothekenleiter und seinem Team definiert werden müssen. Wenn Einigkeit darüber herrscht, was mit einem anständigen Verhalten gemeint ist, lassen sich daraus Regeln für den Umgang miteinander und mit den Kunden ableiten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit führen Anstandsregeln zu einem besseren Betriebsklima und besseren Kundenbeziehungen. |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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