Gesundheitspolitik

Schlappe für BMG und Google

ks | Vorläufiger Sieg für Burda und die freie Presse: Die „Knowledge Panels“ mit Gesundheitsinfos des Gesundheitsministeriums sind bei Google vorerst verschwunden.

Ein Sieg für die freie Presse – so wertet die Medienbranche die beiden Urteile, die das Landgericht München I am vergangenen Mittwoch gefällt hat. Es geht um einen Deal zwischen Google und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG): Seit vergangenem November erschien bei einer Google-Suche nach bestimmten Krankheits­bildern ein prominent platzierter Kasten mit Gesundheitsinfos des vom BMG finanzierten Gesundheitsportals gesund.bund.de – sogenannte Knowledge Panels. Das Ziel von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Die eigenen Informationen des nationalen Gesundheitsportals – angepriesen als „unabhängig, wissenschaftlich belegt und leicht verständlich“ – sollten bei der Google-Suche nach Krankheiten oder Symptomen nicht mehr, wie zuvor, auf den hinteren Plätzen der Trefferliste landen. Es hagelte umgehend von vielerlei Seiten Kritik. Allen voran aus der Verlagsbranche, die sich nun mit ihren eigenen Angeboten im Hintertreffen sah. Aber auch vom Bund der Steuerzahler, aus der Opposition und von Arzneimittelherstellern weht Spahn seither ein scharfer Wind entgegen.

Foto: imago images/photothek

Im vergangenen November gaben Gesundheitsminister Jens Spahn und Philipp Justus, Vice President Google Zentral-Europa, ihre Zusammenarbeit bekannt – jetzt liegt sie auf Eis.

Auch Hubert Burda Media missfällt die Kooperation – der Medienkonzern ist besorgt um seine eigenen Gesundheitsangebote und will die Bevorzugung des staatlichen Portals bei der Google-Suche nicht hinnehmen. Mit seinem Informa­tionsportal Netdoktor.de zog er daher – zunächst im Eilverfahren – vor das Landgericht München. Einer der Vorwürfe: Google han­dele in seiner Monopolisten-Posi­tion marktmissbräuchlich und das BMG leiste dazu Beihilfe. BMG und Google sind sich hingegen keiner Schuld bewusst. Das Ministerium meint, es werde nur seiner staatlichen Informationsaufgabe gerecht. Eine kartellrechtlich relevante Absprache streiten die Partner ab.

Nachdem im Januar eine münd­liche Verhandlung vor dem Landgericht stattfand, fielen am vergangenen Mittwoch die beiden Entscheidungen – eine gegen Google Ireland Ltd., eine gegen die Bundesrepublik, vertreten durch das BMG. Die auf Kartellrecht spezialisierte 37. Zivilkammer des Landgerichts München I hat dem BMG und Google vorläufig eine Zusammenarbeit untersagt, die darauf gerichtet ist, bei der Google-Suche nach Krankheiten prominent hervorgehobene Infoboxen (sogenannte Knowledge Panels) mit Gesundheitsinformationen anzuzeigen, die aus den Inhalten des Nationalen Gesundheitsportals des BMG (gesund.bund.de) gespeist und mit einem Link zu diesem Portal versehen sind.

Gericht bejaht Kartellrechtsverstoß

Das Gericht nimmt einen Kartellrechtsverstoß an. Laut einer Pressemitteilung des Gerichts führte die Vorsitzende Richterin, Dr. Gesa Lutz, in ihrer mündlichen Urteilsbegründung aus, dass der Betrieb des Nationalen Gesundheitsportals durch das BMG keine rein hoheit­liche Tätigkeit sei, sondern eine wirtschaftliche, die anhand des Kartellrechts zu prüfen sei. Das BMG sei mit Google eine Verein­barung eingegangen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Gesundheitsportale bewirke. Denn die bestmögliche Position auf der Ergebnisseite der Google-Suche, nämlich die neu geschaffene, prominent hervorgehobene Position „0“ in der Infobox, stehe privaten Anbietern von Gesundheitsportalen von vornherein nicht zur Verfügung.

Medien- und Meinungs­vielfalt in Gefahr

Als Betreiber eines Gesundheitsportals sei Netdoktor aber in besonderem Maße davon abhängig, auf der Suchergebnisseite der Google-Suche eine gute Sichtbarkeit zu erzielen – da rund 90 Prozent der Nutzer über eine Google-Suche bei Netdoktor landeten, so die Richterin. „Diese Sichtbarkeit wird stark eingeschränkt, weil die Infoboxen die Aufmerksamkeit der Nutzer von den allgemeinen Suchergebnissen ablenken und auf sich ziehen. Damit stillen sie das Informationsbedürfnis der Nutzer bereits vielfach. Dies führt zu einer Verringerung des Nutzeraufkommens bei Netdoktor und damit potenziell auch zu einem Verlust von Werbeeinnahmen, mit denen Netdoktor als privater Anbieter sein Portal finanziert.“

Die Zusammenarbeit von Google und dem BMG sei auch nicht wegen „qualitativer Effizienzgewinne“ ausnahmsweise zulässig, so das Gericht weiter, etwa wegen einer Verringerung des Suchaufwands für die Nutzer oder einer Verbesserung der Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung durch die Info­boxen. Denn etwaige mit der Zusammenarbeit verbundene Vorteile wögen jedenfalls nicht die Nach­teile auf. „Diese liegen insbesondere in einer möglichen Verdrängung der seriösen privaten Gesundheitsportale und in der damit verbun­denen drohenden Reduzierung der Medien- und Meinungsvielfalt“, führt die Richterin aus.

Sinkende Klickzahlen begründen Dringlichkeit

Die Kammer bewertete die Anträge auf Erlass der einstweiligen Ver­fügungen auch als dringlich. Netdoktor habe glaubhaft gemacht, dass sich die geringere Sichtbarkeit bei einigen besonders oft gesuchten Krankheiten seit Beginn der Zusammenarbeit von Google und dem BMG bereits in rückläu­figen Klickraten ausgewirkt habe. Den daher zu befürchtenden Verlust von Werbeeinnahmen müsse das Unternehmen nicht abwarten, ehe es gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann.

Nicht zu entscheiden hatte die Kammer übrigens über die Frage der Zulässigkeit des Nationalen Gesundheitsportals als solches. Der hierauf zielende Antrag von Netdoktor wurde nach einem Hinweis der Kammer zurückgenommen. Ein weiterer Antrag, der auf einseitiges marktmissbräuchliches Verhalten von Google gestützt war, wurde aus formellen Gründen zurückgewiesen.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Das BMG und Google können Rechtsmittel einlegen – und das ist sicherlich auch zu erwarten. Endgültige Klärung brächten erst Hauptsacheverfahren, doch diese sind nach Auskunft des Gerichts derzeit nicht beim Landgericht München I anhängig.

Verlage sehen Pressefreiheit gestärkt

Bei Burda freut man sich über die Urteile: Philipp Welte, der im Vorstand für Netdoktor zuständig ist, erklärte, sie seien „ein wichtiger Schritt in einem grundsätzlichen Verfahren, in dem nichts weniger als die Freiheit der Presse verhandelt wird“. Indirekt subventioniere das BMG mit Steuergeldern die Vermarktung des Suchmonopolisten Google, „der neben dem staat­lichen Medienangebot ungerührt Werbung verkauft“. Welte weiter: „Diese Mesalliance zwischen der Regierung und dem Monopolisten Google ist fatal, weil sie den freien Wettbewerb außer Kraft setzt und Hand anlegt an ein zentrales demokratisches Prinzip unseres politischen Systems.“

Auch Wort & Bild hat einstweilige Verfügung beantragt

Erfreut ist man über die Urteile auch beim Burda-Wettbewerber Wort & Bild Verlag. Sie seien „ein großer Erfolg für die Pressefreiheit“, erklärte Andreas Arntzen, Vorsitzender der Geschäftsführung. „Zu Recht wird die Kooperation zwischen dem BMG und Google zur Priorisierung der Inhalte des BMG in der Google-Suche unterbunden.“ Das stimmt den Wort & Bild Verlag zuversichtlich – hat er doch selbst eine einstweilige Verfügung gegen das BMG beantragt. Noch ist dieses Verfahren beim Landgericht Berlin anhängig. Für Arntzen zeigt das Münchener Urteil, „dass die Pressefreiheit in diesem Land weiterhin einen hohen Stellenwert hat und die Gewaltenteilung mit den Gerichten als unabhängiger Kontrollinstanz der Regierung funktioniert“.

Auch der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) und der Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) begrüßten die Entscheidungen: Sie seien „ein wichtiger Schritt zur Sicherung des diskriminierungsfreien Pressevertriebs im Netz. Hätte das Gericht die privilegierte Verbreitung des ministeriellen Gesundheitsmagazins durch das Suchmonopol für rechtmäßig erklärt, wäre es der Willkür der Digitalplattformen überlassen, welche Informationen und welche Meinungen die Leser zu Gesicht bekommen“. Die Verbände zweifeln ohnehin an der Zulässigkeit des staatlichen Gesundheitsportals als solches, zu der die Urteile jedoch keine Aussage treffen. Sie halten es mit der Staatsfreiheit der Medien für nicht vereinbar. Umso besorgniserregender sei es, dass die Bundesregierung das Portal nun gesetzlich legitimieren will. So sieht es der Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege vor. VDZ und BDVZ fordern daher den Bundestag auf, „diesen unannehmbaren Eingriff in den freien Pressemarkt nicht zu billigen“.

Im BMG gibt man sich zurück­haltender: Man nehme die Urteile „zur Kenntnis“. Nach Auswertung der Entscheidung werde das BMG über die weiteren Schritte entscheiden, hieß es auf Nachfrage. Auch hier betont man, dass das Angebot des Nationalen Gesundheitsportals als solches von diesem Urteil unberührt bleibe. |

Urteile des Landgerichts München I vom 10. Februar 2021, Az. 37 O 15721/20 und 37 O 15720/2.

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