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Rückblick und Ausblick

Interview mit dem ADEXA-Vorstand

Die Corona-Pandemie brachte ganz neue Aufgaben und Belastungen für die Apothekenangestellten, aber auch erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit und Wertschätzung der Apotheken. Ein berufs- und tarif­politischer Rückblick und Ausblick von Andreas May und Tanja Kratt.
Foto: Fokussiert – stock.adobe.com
Was bringt 2021 für die Apothekenangestellten und ihre Gewerkschaft?

ADEXA: Was hat 2020 aus Ihrer Sicht überwogen – die problematischen Auswirkungen der Pandemie auf die Apothekenteams oder positive Aspekte wie das Lob von Politikern aller Parteien?

Andreas May: Ja, das vergangene Jahr hat den Apothekenteams viele Herausforderungen beschert: Schichtbetrieb und Kurzarbeit, erschwerte Kommunikation mit Kunden durch Plexiglas und Alltagsmasken, Pilotprojekte zur Grippeimpfung, zuletzt die Verteilung der FFP2-Schutzmasken und für einige auch die Meldung zum Einsatz im Corona-Impfzentrum. Dazu für Eltern vielfach Probleme mit der Kinderbetreuung und dem Homeschooling in der ersten Phase der Pandemie sowie auch wieder jetzt im Winter.

Leider gab es dafür aus meiner Sicht nicht annähernd genug spürbare Anerkennung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Schade auch, dass die Systemrelevanz der Apotheken und aller Apothekenberufe, die ja in allen Phasen bestand und besteht, von der Politik nicht angemessen gewürdigt und beachtet wird.

ADEXA: Was erwarten Sie für 2021? Wird es so weitergehen – oder rechnen Sie mit einer baldigen Entspannung durch die Impfungen? Und welche Unterstützung kann ADEXA hier geben?

May: In diesem Jahr kehren wir hoffentlich zu einer neuen Form der Normalität zurück, aber mit echter Wertschätzung der Vor-Ort-Apotheken und ihrer Beschäftigten. Zeit­liche Prognosen überlasse ich dabei den Experten und Wissenschaftlern; als Gewerkschaft haben wir dafür keine Glaskugel.

Für mich ist im Jahr 2021 wichtig, dass wir alle Solidarität leben – beruflich und privat. Wir müssen auf Augenhöhe agieren: Angestellte mit den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, aber auch die Apothekenteams und die Standespolitik mit den anderen Akteuren im Gesundheitsbereich und in der Politik.

ADEXA: Was steht für 2021 auf der Agenda der ADEXA-Tarifkommission?

Tanja Kratt: Zunächst ist unser Ziel, den Tarifvertrag für den Kammer­bezirk Sachsen zum Abschluss zu bringen. Die Corona-Pandemie hat uns leider etliche Steine in den Weg gelegt, sodass die Verhandlungen teilweise abgesagt werden mussten und so viel mehr Zeit in Anspruch nahmen.

Wir befinden uns aber dennoch auf einem guten Weg. Die Verhandlungen mit dem Sächsischen Apothekerverband (SAV) laufen durchweg konstruktiv. Beide Seiten wollen zu einem schnellen Abschluss kommen.

Und spätestens im Herbst 2021 stehen die nächsten Gehaltsverhand­lungen mit dem ADA und der TGL Nordrhein an.

Foto: Angela Pfeiffer/Adexa

Andreas May und Tanja Kratt: Der ADEXA-Vorstand fordert mehr Wertschätzung der Vor-Ort-Apotheken und ihrer Beschäftigten.

ADEXA: Wie bewerten Sie die Änderungen bei der Honorierung, die den Apotheken jetzt zum Beispiel durch das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) beim Botendienst zustehen oder ab dem 15. Dezember 2021 bei den neuen Dienstleistungen? Welchen Einfluss könnte das auf die Tarifverhandlungen haben?

Kratt: Den Botendienst zu honorieren ist aus meiner Sicht längst überfällig. Allerdings ist bei der Höhe der Ver­gütung noch Luft nach oben. Aktuell dürfte die Honorierung nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Genau wie bei dem Boni-Verbot für verschreibungspflichtige Medikamente gilt diese Regelung auch nur für gesetzlich Versicherte, also nicht für Privatpatienten. Diese Ungleichbehandlung ist kaum nachvollziehbar.

Die Honorierung zusätzlicher Dienstleistungen der Apotheken, die ja erst im ersten Halbjahr 2021 ausgehandelt werden muss, ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Ob sich das positiv auf Tarifverhandlungen auswirkt, ist aber vom Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und den Krankenkassen abhängig.

Leider lässt hier das Gesetz auch Lücken. So ist z. B. nicht geregelt, wie die Verteilung der zusätzlichen Vergütung an die einzelnen Apotheken geregelt sein soll.

ADEXA: Und was ist eigentlich aus dem Corona-Bonus für Apotheken­angestellte geworden?

Kratt: Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass ein Corona-Bonus an alle Mitarbeitenden ausgezahlt wird. Dies ist aber bedauerlicherweise nicht der Fall.

Ich kann nicht beurteilen, ob es schlicht an finanziellen Möglichkeiten der Apothekeninhaberinnen und -inhaber lag oder an mangelndem Willen. Verdient hätten es die Mit­arbeitenden aber auf jeden Fall!

ADEXA: 2021 ist ein Wahljahr – in fünf Bundesländern, im September auf Bundesebene, aber auch bei ADEXA. Was bedeutet das für die Apothekengewerkschaft, für Ihre Mitglieder und für Sie persönlich?

May: Stichwort Bundestagswahl: Da müssen wir den Parteien deutlich machen, dass die Interessen der 146.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig sind – in der Gesundheits­politik, in der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik u. a.

Und für die Wahlen bei den Regionalen Vollversammlungen bei ADEXA bauen wir wieder auf das tolle ehrenamtliche Engagement von Gewerkschaftsmitgliedern, die sich für ihre Region einsetzen. Diese Aktiven machen unsere Arbeit vor Ort erlebbar und bringen einen ganz wichtigen ­Input aus ihrer Arbeit in der Apotheke in die Vorstandsarbeit.

ADEXA: Wenn Sie mit einem Mitglied der Bundesregierung für eine Woche tauschen könnten: Wer sollte das sein und was würden Sie durchsetzen wollen?

May: Ich würde als „Undercover-Gesundheitsminister“ dahin gehen, wo es brennt, um mich zu informieren und dann Verbesserungen für die Beschäftigten durchzusetzen: in die Apotheke bei der Verteilung der FFP2-Schutzmasken, im Nachtnotdienst und bei der Belieferung von Heimen, in die Hausarztpraxis im Kiez und auf dem Lande, in das Pflegeheim und die Notfallambulanz. Man hört zwar ab und an von Einladungen an Politiker in Apotheken, aber das sind vermutlich keine Alltagsbedingungen, die Spahn und Co. dort erleben. Um die Probleme zu verstehen, muss man wirklich eintauchen und mitarbeiten.

Kratt: Die Mitarbeitenden in Gesundheitsberufen sind „durch die Bank“ nicht gut genug bezahlt, vielleicht einmal abgesehen von Ärztinnen oder Ärzten.

Wie wichtig und essenziell diese Berufe sind, hat die Pandemie gezeigt. Die Gesundheitsberufe arbeiten derzeit alle am Limit, ob in Alten- oder Pflegeheimen, Krankenhäusern, Arztpraxen und natürlich auch Apotheken.

Auch ich würde gern einmal „Bundesgesundheitsministerin auf Zeit“ sein, um die Rahmenbedingungen und Gehälter für alle diese Berufe angemessen zu verbessern. |

Die Fragen stellte Sigrid Joachimsthaler

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