Pandemie Spezial

Vektorimpfungen leicht erklärt

Wie man Apothekenkunden zur Corona-Impfung motiviert – Teil 1

(Grafik: nadrosia – sketchnote-love.com)
Von Christine Gitter | Mein Gemüse und ich sind un­gespritzt. Was ich beim Grünfutter durchaus schätze, würde ich in meinem Fall mit Blick auf die andauernde Corona-Pandemie gerne möglichst flott geändert haben. Mittels mRNA-Impfstoff oder Vektorimpfstoff? Die Wahl stellt sich im Augenblick nicht und ehrlich gesagt, mir wäre es egal. Einigen unserer Kundinnen und Kunden geht das vielleicht anders, sie möchten mehr Informationen. Beginnen wir also mit den aktuell heiß diskutierten Vektorimpfstoffen.

Erinnern Sie sich noch an den gesamteuropäischen Aufschrei der Empörung, als bekannt wurde, dass die Liefermengen des britisch-schwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca an die EU weit unter den zugesicherten Vereinbarungen lagen? „Wir wollen, dass die Lieferzusagen erfüllt werden!“ stampfte man im Präsidium der Europäischen Union wütend mit dem Fuß auf. Nicht ahnend, dass nur wenige Zeit später kein Liefer-, sondern ein Lagerproblem daraus werden würde: Bundesweit lagern Millionen gut gekühlte Impfdosen des Vektorimpfstoffes von AstraZeneca auf ihren Einsatz. Bis Anfang April sollen insgesamt 5,6 Mio. Impf­dosen ausgeliefert werden. Nur, wohin mit dem ganzen Zeug? Obwohl Mitte Februar etwa zwei Drittel der Deutschen angegeben haben, sich auf jeden Fall impfen lassen zu wollen, ist die Nachfrage nach diesem Vakzin eher gering. Der Impfstoff von AstraZeneca hat ein Imageproblem.

Grafiken: nadrosia – sketchnote-love.com

Dabei ist die Impfbereitschaft hierzulande insgesamt gar nicht so schlecht: Nur 3,9% wollen auf keinen Fall den Ärmel hochkrempeln, während sich 66,8% auf jeden Fall impfen lassen wollen. Lediglich 11,9% sind noch unentschlossen. Der Rest sieht sich irgendwo dazwischen.

Die Lage ist die: Wir wollen mit der Impfung ein wirkungsvolles Mittel in einen gesunden Körper hineinbringen, und das gestaltet sich psychologisch einfach anspruchsvoller, als einem kranken, leidenden Menschen ein Medikament zu verabreichen. Und wenn der gesunde Mensch darüber hinaus den Eindruck hat, er soll einen Impfstoff zweiter Klasse erhalten, wird es noch kniffliger. Laut der COVIMO-Studie des Robert Koch-Instituts zu Impfverhalten, Impfbereitschaft und -akzeptanz in Deutschland (alle Informationen auf www.rki.de/covimo) fühlen sich bei aller Impfbereitschaft 28,7% der Befragten mäßig informiert, 9,1% sogar nur schlecht.

Was also tun? Es ist ja schon für Angehörige von Gesundheitsberufen äußerst schwierig, an vertrauenswürdige und belegte Informationen zu kommen – für Patientinnen und Patienten scheint es häufig unmöglich. Und was schon immer schwierig war, gestaltet sich aktuell noch heraus­fordernder, denn jetzt muss man auch noch mit dem Faktor der Verschwörungsgläubigen rechnen.

Keine Frage, diese „Wirrologen“ werden wir auch mit noch so guter Beratung nicht überzeugen können. Doch den Unsicheren und denen, die sich nicht gut informiert fühlen, können wir wenigstens ein kleines Stück Sicherheit durch die Plexiglastrennwand geben. Und seien wir ehrlich: Zwischen all dem Masken-Voucher-hin- und FFP2-Sixpack-herschieben ist so ein echtes Beratungsgespräch doch auch mal wieder ganz willkommen.

Was treibt die Menschen also um? Sicher werden auch Ihnen im HV am häufigsten Fragen zur Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe gestellt: Wie kann es sein, dass die Impfstoffe so schnell zugelassen wurden, wo man doch überall liest, dass es mehr als zehn Jahre dauern kann, bis ein neues Medikament auf den Markt kommt? Wie sieht es mit Spätfolgen aus? Und können die Impfstoffe mein Erbgut verändern? ­Bevor Sie den Fragenden an dieser Stelle ganz nonchalant die Websites des RKIs oder des PEIs empfehlen: Wir haben ­Ihnen auf diesen Seiten die wichtigsten Antwortvorschläge in Wort und Bild zusammengetragen.

„Was ist ein Vektor-Impfstoff?“

Dieser Impfstoff bringt unsere Körperzellen dazu, die sogenannten Spikeproteine des Corona-Virus herzustellen. Der dazugehörige Bauplan wird mittels eines Trägers (lateinisch: vector) in die Zelle geschickt. Als „Trägerrakete“ nutzt man harmlose Viren, wie etwa das Adenovirus, das normalerweise nur leichte Erkältungssymptome verursacht. Damit diese Trägerviren uns aber wirklich nicht schaden können, werden sie vorher umgebaut. Dabei werden die krankmachenden Gene und die, die für die Vermehrung des Virus zuständig sind, entfernt. In die nun ziemlich leere Virushülle wird dann der Bauplan für die Spikes eingesetzt.

„Wie funktioniert die Impfung mit einem Vektor-Impfstoff?“

Bei der Impfung werden die Muskelzellen am Oberarm angeregt, Spikeproteine herzustellen. Allerdings liegt der Bauplan für die Spikes in Vektorimpfstoffen in einer für unsere „Eiweißfabriken“ unleserlichen Sprache (DNA) vor, und muss erst in sogenannte mRNA übersetzt werden. Das entsprechende Übersetzungsbüro befindet sich im Zellkern unserer Muskelzellen. Im Unterschied zu den mRNA-Impfstoffen muss der Impfstoff also erst mal dort hinein. Nach erfolgter Übersetzung kann die Herstellung der Spikes beginnen. Anschließend übernimmt das Immunsystem und bildet Antikörper.

„Verändert eine Impfung mit einem Vektor-Impfstoff unser Erbgut?“

Die virale DNA kann nicht in unser Erbgut eingebaut werden. Dafür wäre ein spezielles Werkzeug notwendig, die sogenannte Integrase. Dieses Enzym ist in den Trägerviren (Adenoviren) aber gar nicht enthalten.

Wenn Ihnen eine Kundin oder ein Kunde jetzt dennoch „Aber die Gene!“ entgegenruft? Abgesehen von der Tatsache, dass sowieso schon ungefähr acht Prozent unseres Genoms aus unterschiedlichster Viren-DNA besteht – was für die meisten Menschen jedoch ein ähnlich verunsichernder Gedanke ist, wie der Umstand, dass das Gewicht der im menschlichen Körper lebenden Mikroben stattliche zwei Kilogramm zählen kann – könnten Sie folgenden Gedanken mit auf den Weg geben: Durch die Impfung gelangt ein kleiner, ungefährlicher Teil des Virus in unsere Zellen. Bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 hat das Virus seine gesamte RNA im Schlepptau – pathogen und vermehrungsfähig!

„Und was ist mit den gefürchteten Langzeitschäden?“

Langzeitschäden sind bei der Impfung ebenfalls nicht zu erwarten. Die mRNA wird von unseren Zellen nämlich nach kurzer Zeit abgebaut. Danach hält auch das Immun­system die Füße still, bis der „echte“ Erreger auftaucht. Der Impfstoff kann im Körper auch nicht zu einem gefährlichen Stoff umgebaut werden oder sich anreichern. Nebenwirkungen sind demnach sehr bald – nach Stunden oder Tagen – sichtbar, selbst in den seltenen Fällen von Autoimmun­erkrankungen nach nur einigen Wochen.

Wir brauchen Langzeitdaten dennoch, um sehr seltene Nebenwirkungen erkennen zu können, die vielleicht nur bei einem von 50.000 Menschen auftreten. Und die erkennt man erst, wenn bereits sehr viele Menschen geimpft sind.

Es zeigt sich im persönlichen Gespräch, wo die Stolperfallen der Informationsvermittlung liegen. Kann man von einem „Protein“ sprechen oder ist „Eiweißbaustein“ besser verständlich? Oder muss ich diesen Begriff gar ganz streichen?

„One fits all“ funktioniert bei unserer Beratung nicht, zumal jede und jeder ganz eigene Fragen und eine ganz individuelle Vorbildung hat. Es erfordert daher eine Menge Fingerspitzengefühl, Ratsuchende nicht mit zu viel Details zu überfordern. Und bekanntlich ist Rat wie Schnee: je leiser er fällt, desto länger bleibt er liegen. |

Autorin

Foto: Petra Homeier

Christine Gitter, Apothekerin, sammelte über zwanzig Jahre Erfahrung in der Offizin, davon 16 Jahre als Inhaberin. Die Buchautorin engagiert sich in unterschiedlichen Projekten zur Förderung der AMTS.

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