DAZ aktuell

„Auseinzel“-Verbot sorgt für Unverständnis

Selbsttests häufig nur in 25er-Packungen / Apothekerin einzelt aus und erstattet „Selbstanzeige“

eda/cha | Verwirrende Corona-Regeln, Verordnungen über Verordnungen, Zentren für Impfungen und Testungen – die grassierende Pandemie scheint sich inzwischen zu einem regelrechten Feuerwerk der Bürokraten und Technokraten zu ent­wickeln. Pragmatische Lösungen, vor allem bei den vielen Alltags­problemen, bleiben dabei auf der Strecke. Nachdem sich die Corona-Selbsttests in den Discountern inzwischen zu einer Mangelware entwickelt haben, werden die Apotheken im Land vermehrt um Hilfe und Rat gefragt. Doch die Abgabe von Selbsttests an die Bevölkerung scheitert an regulatorischen Hürden. Eine Apothekerin aus Marburg will das nicht akzeptieren.

In Österreich ist man (mal wieder) einen Schritt weiter: Dort geht man bei der Versorgung der Bürger mit Corona-Antigentests zur Selbstanwendung pragmatisch vor. Jeder, der vor 2006 geboren ist, hat in der Alpen­republik Anspruch auf fünf kostenlose „Wohnzimmertests“ im Monat. Die Verteilung erfolgt über die öffentlichen Apotheken. Diese erhalten laut Auskunft der Österreichischen Apothekerkammer die Testkits in größeren Gebinden aus Beständen des Bundes. Ausgeliefert werden diese über den pharmazeutischen Großhandel. Daraus werden dann Packungen zu jeweils fünf Stück ausgeeinzelt. Die Gebrauchsanweisung wird kopiert und dazugepackt, dann wird das Ganze abgegeben (AZ 2021, Nr. 12, S. 1/2).

Aber, was in Österreich auf Initiative der Regierung hin erfolgt und sich inzwischen auch bewährt hat, steht in Deutschland auf keiner politischen Agenda. Im Gegenteil: Diese Vorgehensweise würde hierzulande sogar gegen Gesetze verstoßen. „Für das Produkt SARS-CoV-2 Rapid Antigen Test zur Selbstanwendung ist eine Sonderzulassung des BfArM erteilt, welche an bestimmte Auflagen geknüpft ist. Eine dieser Auflagen beinhaltet, dass Tests aus Großpackungen durch einen Vertreiber nicht vereinzelt und separat an den Endverbraucher abgegeben werden dürfen“, erklärt ein Sprecher der Firma Roche Diagnostics auf Anfrage. Mit dem sogenannten Vereinzelungsverbot aus Großverpackungen soll dem Risiko von falsch oder unvollständig zusammengestellten kleineren Verpackungseinheiten entgegengewirkt werden, so die offizielle Begründung.

Nachfrage groß – Discounter können nicht liefern

Und was für die Hersteller gilt, das müssen auch die Apotheken befolgen. Laut Auskunft des Regierungspräsidiums Tübingen, das bezüglich des Vertriebs von Medizinprodukten für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, ist ein solches Verbot für sämtliche Vertriebsstufen – und damit auch für die öffentlichen Apotheken – bindend.

Doch die Nachfrage in der Bevölkerung nach den Corona-Selbsttests ist immens. Nachdem vor wenigen Wochen Discounter wie Aldi oder Lidl den medienwirksamen Startschuss für den Verkauf gaben und sich eine bemerkenswerte Preisschlacht lieferten, können diese und weitere Verkaufsstellen inzwischen nur noch sehr eingeschränkt Selbsttests anbieten. Lieferengpässe bestimmen den Distributionsalltag der Filialisten. Daher würde es sich angesichts der prekären Lage geradezu anbieten, 1er-Packungen aus lieferbaren Großpackungen auszueinzeln – wenn da nicht Kollisionsgefahr mit geltendem Recht bestünde.

Eine Marburger Apothekeninhaberin und DAZ-Leserin will die aktuelle Situation nicht akzeptieren. In einem Schreiben, das sie gleichzeitig an das Regierungspräsidium Darmstadt, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die ABDA sowie die DAZ richtet, erstattet sie jetzt „Selbstanzeige“. Seit 10. März verkaufe sie Schnelltests von der Firma Roche an Laien. Die Nachfrage sei gewaltig, weil die unmittelbare Bevölkerung bis auf einen nur sehr kurzen Zeitraum von wenigen Stunden, in denen Discounter wie Aldi lieferfähig waren, keine Zugriffsmöglichkeiten mehr hat. Vor allem am Wochenende sei der Wunsch groß, sich auf das Coronavirus selbst zu testen.

Im Auseinzeln sieht die Inhaberin überhaupt keine Probleme, geschweige denn Risiken: „Die schlimmste, daraus denkbare Folge wäre, dass der Käufer einen nicht durchführbaren Test hätte“, schreibt sie. Und diesen würde er sicher reklamieren. Eine Gefährdung vor allem durch die Tätigkeit in der Apotheke schließt sie aus. Der Alltag in der Apothekenrezeptur würde ohnehin darin bestehen, gewissenhaft zum Teil gefährliche Stoffe aus Gebinden zu entnehmen und zu hochwirksamen Arzneimitteln zu verarbeiten.

Ähnliche Situation zu Beginn der Pandemie

Sie fordert die Bundesregierung auf, die Regelwerke genauso flexibel an die aktuelle Realität anzupassen wie am Anfang der Pandemie. Damals wurden die gesetzlichen Hürden ausgesetzt, damit Apotheken Desinfektionsmittel für Pflegedienste, Altenheime, Firmen und Behörden herstellen konnten. „Ich war damals stolz auf die Regierung. Ich fordere eine ähnliche Weitsicht bei der Beurteilung dieser Situation“, schließt die Apothekerin ihr Schreiben ab. |

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