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Beratung

Rätselhafte Pessare

Nicht nur zur Verhütung eingesetzt

Pessare gehören nicht zu den Medizinprodukten, die im Studium ausgiebig erklärt werden. Doch es gibt großen Beratungsbedarf, denn hinter dem Begriff verbergen sich Produkte für zwei völlig verschiedene Indikationen. Hätten Sie es gewusst? | Von Sabine Fischer 

Bei Pessaren (von lateinisch pessum/pessarium „Gebärmutterzapfen“) handelt es sich um Medizinprodukte, die entweder zur Verhütung oder zur Therapie eingesetzt werden können.

Pessare zur Verhütung

Zu dieser Art von Pessaren gehören Intrauterinpessare, Diaphragmen und Portiokappen. Die häufigste Form des Intrauterinpessars ist die Kupferspirale. Dabei handelt es sich um eine T-förmige Plastikspirale, welche mit einem Kupferdraht umwickelt ist. Diese wird vom Gynäkologen in die Gebärmutterhöhle eingesetzt und verbleibt dort bis zu fünf Jahre. Durch die kontinuierliche Abgabe von Kupferionen kommt es zur Schädigung der Spermien und somit zur kontrazeptiven Wirkung. Der Pearl-Index dieser Verhütungsmethode liegt bei 0,4 bis 1. Geeignet ist eine solche Kupferspirale aufgrund der langfristigen Tragedauer für Frauen, die über einen längeren Zeitraum verhüten möchten oder deren Familienplanung bereits abgeschlossen ist. Auch Frauen, die auf Hormone verzichten möchten, können auf die Kupferspirale zurückgreifen.

Vorteile

  • geringer täglicher Aufwand
  • nur alle drei bis fünf Jahre einmaliger Eingriff
  • keine Anwendungsfehler möglich
  • nach Entfernen sofortige Schwangerschaft möglich

Nachteile

  • richtige Lage muss alle sechs Monate per Ultraschall kontrolliert werden
  • Spirale schützt nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten
  • bei Verrutschen (Risiko 1 bis 3%) verminderte Wirk­samkeit
  • verlängerte und verstärkte Regelblutung möglich
  • in sehr seltenen Fällen Entzündung von Gebärmutter und Eileiter (0,4%) [1]

Ein Diaphragma wird im Gegensatz zur Kupferspirale von der Frau selbst bei Bedarf eingesetzt. Beim Diaphragma handelt es sich um einen flexiblen Federring, der mit Silikon überspannt ist. Dieser bedeckt nach Einführen in die Scheide bei richtigem Sitz den Muttermund. Diaphragmen gibt es in unterschiedlichen Größen. Da eine gute Passgenauigkeit essenziell für die kontrazeptive Wirkung ist, sollte ein geeignetes Modell nach Rücksprache mit dem Arzt gewählt werden. Eine Überprüfung der Größe erfolgt alle ein bis zwei Jahre sowie nach einer Geburt oder Gewichtsveränderung von mehr als drei bis fünf Kilogramm. Um die Wirkung des Diaphragmas zu steigern, wird dieses mit einem chemischen Verhütungsmittel (Caya®Gel, Contragel® grün, beide rezeptfrei) kombiniert. Diese Verhütungsgele bilden zum einen durch darin enthaltene Cellulose eine mechanische Barriere vor dem Muttermund. Zum anderen senkt die enthaltene Milchsäure den vaginalen pH-Wert ab. Erhöhung von Viskosität und Säuregrad haben gemeinsam einen motilitätshemmenden Einfluss auf die Spermien [3, 4]. Der Pearl-Index liegt zwischen 1 und 20 und ist stark abhängig von der richtigen Anwendung und Anpassung. Geeignet ist ein Diaphragma für Frauen, die nur gelegentlich Geschlechtsverkehr haben oder aus gesundheitlichen Gründen keine hormonelle Kontrazeption vertragen.

Abb. 1: Richtiger Sitz eines Diaphragmas [1]

 

Vorteile:

  • Anwendung erfolgt nur, wenn es zum Geschlechtsverkehr kommt
  • kann selbst eingesetzt und entfernt werden
  • latex- und hormonfrei

Nachteile

  • nur bei geübter Handhabung sicherer Schutz
  • kein Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten
  • Anpassung muss durch Arzt erfolgen und regelmäßig kontrolliert werden
  • nicht geeignet bei Frauen mit Fehlbildungen an Geschlechtsorganen oder starker Gebärmuttersenkung
  • keine Anwendung im Wochenbett
  • bei manchen Frauen vermehrtes Auftreten von Blasen­entzündungen
  • bei Verbleib von mehr als 24 Stunden in der Scheide Gefahr von Ausfluss und Scheidenentzündung [1, 2]

Analog zum Diaphragma kann auch eine Portiokappe (in Deutschland nur FemCap®) verwendet werden. Diese besteht aus Hartgummi, festem Plastik oder Latex und hat die Form eines Fingerhutes. Drei unterschiedliche Größen stehen zur Verfügung. Zur Versagensrate der FemCap® gibt es keine genauen Angaben [2].

Richtig anwenden

Foto: medintim GmbH, www.medintim.de

Das (Scheiden-)Diaphragma ist eine Kappe, die aus einem elastischen Ring mit einer gewölbten Latex- oder Silikonmembran besteht. Es muss bei jedem Verkehr vorher tief in die Scheide zwischen dem hinteren Scheidengewölbe und Schambein eingeführt werden, wo es verhindert, dass die Spermien in die Gebärmutter eindringen:

1. Innenseite und innerer Rand des Diaphragmas werden mit einem Teelöffel Verhütungsgel bestrichen. Bei der FemCap® muss ein halber Teelöffel des chemischen Verhütungsmittels in die innere Kappe und ein weiterer halber Teelöffel in die der Vagina zugewandten kleinen Öffnung gegeben werden.

CAVE: Diaphragma/FemCap® frühestens zwei Stunden vor dem Geschlechtsverkehr einführen, da sich das Gel durch Körperwärme und Schleim verflüssigt und an Wirkung verliert. Optimal ist eine halbe Stunde vorher. Bei mehrmaligem Geschlechtsverkehr hintereinander muss das Gel erneut auf­getragen werden. Dies erfolgt mittels Einführhülse oder dem Finger von der Außenseite.

2. Das Diaphragma wird mit der Innenseite dem Muttermund zugewandt tief in die Scheide eingeführt. Die FemCap® wird leicht zusammengedrückt und mit der kleinen Öffnung voran eingeführt.

CAVE: Diaphragma/FemCap® muss den Muttermund komplett bedecken, der richtige Sitz muss mit dem Finger geprüft werden. Sinnvoll ist vor der ersten Anwendung eine Trockenübung.

3. Entfernung von Diaphragma/FemCap®

CAVE: Spermien können sechs bis acht Stunden in der Scheide überleben, frühestens nach Ablauf dieser Frist darf das Diaphragma entfernt werden. Eine Verweildauer über zwölf bis 24 Stunden hinaus sollte vermieden werden.

4. Die Reinigung erfolgt nach Entfernen mit lauwarmem Wasser und etwas Seife. Anschließend muss das Diaphragma/die FemCap® gründlich abgetrocknet werden. Die Haltbarkeit des Diaphragmas beträgt so bis zu fünf Jahre, die der FemCap® bis zu zwei Jahre. Die Frau sollte Diaphragma/FemCap® jedoch regelmäßig auf kleine Risse und Löcher hin untersuchen.

(nach [1, 2])

Verschiedene Pessare

Vaginalpessare gibt es in unterschiedlichen Ausführungen und Größen. Sie werden zur Unterstützung des Halteapparates bei Senkungsbeschwerden eingesetzt und zur Behandlung einer bestehenden Inkontinenz. Ein Würfelpessar (A) haftet aufgrund der konkaven Flächen gut an der Scheidenwand, durch Perforationen wird das Abfließen von Sekreten und ein einfacheres Entnehmen ermöglicht. Ein Hodge-Pessar (B) enthält einen Metallkern und ist verformbar, so dass es manuell nach individuellen Bedürfnissen angepasst werden kann. Mit Siebpessaren (C) werden Patientinnen mit milderen Formen von Scheiden- und Gebärmuttersenkung oder Stressinkontinenz behandelt.

Foto: Dr. Arabin GmbH & Co KG, www.dr-arabin.de

Pessare zur Therapie

Pessare können nicht nur zur Verhütung eingesetzt werden, sondern auch zur Behandlung von Inkontinenz oder Prolapsbeschwerden. Beckenorgane wie Gebärmutter, Blase oder Darm können aufgrund der Schwäche des Gewebes, das sie normalerweise stützt, in die Vagina hineinragen (Prolaps). Die auftretenden Symptome variieren je nach Art des Prolaps, möglich sind z. B. ein Druckgefühl nach unten, fühl- und tastbare „Fremdkörper“ am äußeren Genital, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder unwillkürlicher Urinabgang. Pessare werden in der Vagina platziert, um die Organe wieder an ihre normale Position zu bringen, Prolapssymptome zu verringern und das Fortschreiten des Prolaps zu verhindern. Sie können den Prolaps jedoch nicht rückgängig machen. Pessare werden häufig verwendet, wenn eine konservative Behandlung mit Beckenbodentraining und Operation entweder fehlgeschlagen oder nicht geeignet ist, z. B. aufgrund eines erhöhten perioperativen Risikos durch Begleiterkrankungen. Auch eine noch nicht abgeschlossene Familienplanung stellt eine Indikation zur Pessartherapie da. Pessare bestehen hauptsächlich aus Gummi oder medizinischem Silikon, seltener aus starren Materialien wie Porzellan und können unterschiedliche Formen und Größen aufweisen (s. Kasten „Verschiedene Pessare“) [5, 6]. Zur Behandlung der Inkontinenz werden Ring- und Schalenpessare eingesetzt. Sie stützen Harnröhre und Blasenwand und verursachen eine sanfte Kompression der Harnröhre gegen das Schambein. Dadurch werden Häufigkeit und Ausmaß der Inkontinenz reduziert [7]. Ring- und Schalenpessare eignen sich ebenfalls gut bei einer Absenkung der vorderen Scheidenwand. Würfel- oder Gellhornpessar können auch bei einer Rektozele (Aussackung des Mastdarms zur Scheide hin) hilfreich sein, werden aber überwiegend bei einer Senkung des Scheidenstumpfes eingesetzt. Patientinnen sollten wenn möglich geschult werden Pessare selbst einzusetzen und z. B. über Nacht zu entfernen [8]. Wichtig ist die optimale Größe des Pessars. Ist das Pessar zu groß, kann es zu Schmerzen, Schleimhautverletzungen oder Problemen beim Wasserlassen führen, ist es zu klein, verrutscht es oder fällt gar heraus. Ein passendes Pessar wird von der Frau nicht gespürt. Die erste Kontrolle nach Anpassung erfolgt nach ein bis zwei Wochen, dann nach drei Monaten und schließlich halbjährlich. Ist die Patientin nicht in der Lage das Pessar selbst einzusetzen und zu entfernen, erfolgt der Wechsel alle sechs bis acht Wochen durch den Arzt [9]. |
 

Literatur

[1] Frauenärzte im Netz, Intrauterinpessar/Kupferspirale, Stand 04/2018, www.frauenaerzte-im-netz.de/familienplanung-verhuetung/intrauterinpessar-kupferspirale/

[2] Diaphragma bzw. Femcap. Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Familienplanung, Stand Juli 2019, www.familienplanung.de/verhuetung/verhuetungsmethoden/diaphragma-co/diaphragma/ bzw. www.familienplanung.de/verhuetung/verhuetungsmethoden/diaphragma-co/femcap/

[3] Produktblatt Caya Gel, www.caya.eu/infos/downloads/fachinformationen/fachinformationen-fuer-sie/, abgerufen am 27. Januar 2021

[4] Produktblatt Contragel grün, www.medintim.de/med_products/diaphragma-gel-contragel-gruen/, abgerufen am 27. Januar 2021

[5] Cheryl B et al. Pelvic organ prolapse. Am Fam Physician 2017;96(3):179-185

[6] Bugge C et al. Pessaries (mechanical devices) for pelvic organ prolapse in women. Cochrane Database Syst Rev 2013;(2): CD004010

[7] Al-Shaikh G et al. Pessary use in stress urinary incontinence: a review of advantages, complications, patient satisfaction, and quality of life. International journal of women‘s health 2018;10:195-201

[8] Diagnostik und Therapie des weiblichen Descensus genitalis. S2e-Leitlinie, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, AWMF-Registernummer: 015/006, Stand April 2016

[9] Klein F. Empfehlungen zur Pessartherapie bei Deszensus und Inkontinenz, gynäkologie+geburtshilfe 2016;21:35

 

Autorin

Dr. Sabine Fischer ist Apothekerin aus Stuttgart. Seit dem Pharmaziestudium in Freiburg und einer Promotion in Tübingen arbeitet sie an einer PTA-Schule und in öffentlichen Apotheken. Nebenbei schreibt sie als freie Journalistin.

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