Arzneimittel und Therapie

Goldregen gegen den blauen Dunst

Cytisin – Revival eines alten Wirkstoffs zur Tabakentwöhnung

Goldregen wird hierzulande gerne als Zierpflanze in heimischen Gärten angepflanzt. Doch er kann noch mehr: Seit Dezember 2020 ist Asmoken® zur Raucherentwöhnung auf dem deutschen Arzneimittelmarkt erhältlich. Als Wirkstoff enthält es Cytisin, einen sekundären Pflanzeninhaltsstoff des Goldregens.

Die satten gelbgoldenen Blüten des Goldregens (s. Abb. 1) leuchten verlockend schön. Vergiftungen kommen leider nicht selten vor, am häufigsten bei Kindern, die zum Beispiel mit den Früchten spielen. Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen, Bewusstlosigkeit und Krämpfe sind die Folge. Goldregen kann aber noch mehr: Die Verwendung von Laburnum anagyroides blickt auf eine lange Geschichte zurück. So sollen im Zweiten Weltkrieg die getrockneten Blätter von russischen Soldaten in Ermangelung an echtem Tabak als Ersatz geraucht worden sein. Später entdeckte man, dass das enthaltene Alkaloid Cytisin Nicotin-ähnliche Wirkung hat, ohne dabei suchterzeugend zu sein wie Nicotin. Cytisin wurde bis Ende der 1980er-Jahre erfolgreich in den osteuropäischen Ländern unter dem Handelsnamen Tabex® zur Raucherentwöhnung verwendet. Nach der Wende geriet es jedoch weit­gehend in Vergessenheit.

Foto: 7horses/AdobeStock

Abb. 1:Goldregen (Laburnum anagyroides)

Cytisin ist ein partieller Agonist am α4β2-Subtyp des nicotinischen Acetylcholinrezeptors. Dieser Rezeptor ist schon länger bekannt und gilt als hauptverantwortlich für die Entwicklung und Auf­rechterhaltung der Nicotin-­Abhängigkeit. Durch seine ähnliche Struktur zu Nicotin und seine höhere Bindungs­affinität verdrängt Cytosin das Nicotin von den Rezeptoren und beeinflusst so die Neurotransmitterfreisetzung. Eine moderate Freisetzung von Dopamin soll die Symptome des Nicotin-Entzugs lindern. Der Wirkmechanismus von Asmoken® ist demnach ähnlich zu dem von Vareniclin (Champix®), das bereits erfolgreich zur Raucherentwöhnung eingesetzt wird.

Asmoken® wird seit Dezember 2020 von der polnischen Firma Aflofarm in Deutschland vertrieben. Es ist zugelassen zur Verminderung des Verlangens nach Nicotin bei Erwachsenen, die gewillt sind, das Rauchen aufzu­geben. Die Behandlungsdauer beträgt 25 Tage. Wenn die Therapie nach etwa zwei Wochen nicht anschlägt, muss die Behandlung abgebrochen werden. Sie kann zu einem späteren Zeitpunkt (nach zwei bis drei Monaten) erneut begonnen werden.

Absteigendes Dosierungsschema

Eine Packung Asmoken® enthält 100 Filmtabletten mit je 1,5 mg Cytisin. In den ersten drei Tagen kann alle zwei Stunden eine Tablette eingenommen werden, jedoch nicht mehr als sechs Tabletten pro Tag. Das Einnahmeintervall soll ab dem vierten bis zum zwölften Tag weiter eingehalten werden. Allerdings muss hier die maximale Tagesdosis auf fünf Tabletten reduziert werden, sonst drohen starke Nebenwirkungen. Vom 13. bis zum 16. Tag verringert sich die Tageshöchstdosis dann noch einmal auf maximal vier Tabletten, mit einem Dosierungsintervall von etwa drei Stunden. Ab Tag 17 gilt dann für die nächsten drei Tage eine maximale Tagesdosis von drei Tabletten. Die Einnahmeabstände vergrößern sich dementsprechend auf alle fünf Stunden. Die letzten vier Tage der Behandlung (Tag 21 bis Tag 25) dürfen nur noch maximal zwei Tabletten pro Tag eingenommen werden. Wird einmal eine Einnahme vergessen, darf die fehlende Dosis nicht mehr nachgeholt werden. Während der Behandlung muss das Rauchen eingestellt werden, da sonst verstärkt Nebenwirkungen auftreten können.

Was bei der Anwendung beachtet werden muss

Eine konkrete Kontraindikation gilt für Menschen mit instabiler Angina pectoris, Arrhythmien, kürzlich auf­getretenem Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie bei schwangeren oder stillenden Patientinnen. Die Neben­wirkungen sind bei korrekter An­wendung moderat. Zu den häufigsten zählen Appetitsteigerungen, Gewichtszunahme, Schwindel, Stimmungsschwankungen, Mundtrockenheit, Hypertonie und Kopfschmerzen. Symptome, die typischerweise bei einer Raucherentwöhnung berichtet werden. Relevante Wechselwirkungen ergeben sich hauptsächlich durch den Entzug des Rauchens. Die im Rauch enthaltenen polyzyklischen Kohlenwasser­stoffe führen zu einer signifikanten Induktion von CYP1A2. Durch die Abstinenz könnte sich das auf Arzneistoffe auswirken, die überwiegend über CYP1A2 abgebaut werden.

Ein Blick in die Vergangenheit

Cytisin hat einen holprigen Start hingelegt. Nach jahrelangem Einsatz in den Ländern des alten Ostblocks verschwand es nach der Wende in der Versenkung. Die erste publizierte placebokontrollierte Studie stammt aus dem Jahr 1968. Berliner Mediziner aus der DDR berichten in „Das Deutsche Gesundheitswesen“ von ihrem erfolgreichen Einsatz von Cytisin zur Raucherentwöhnung (Abbildung 2). Über 40 Jahre danach erscheint Cytisin wieder auf der Bildfläche. Eine neue Zeit, ein erneuter Versuch, und dieser sollte von Erfolg gekrönt sein. 2011 konnte eine Forschergruppe des University College London in einer placebokontrollierten Studie in Polen die Wirksamkeit und Sicherheit von Cytisin belegen. Von 1542 gescreenten Rauchern wurden 740 in die Studie eingeschlossen. Je 370 Studienteilnehmer erhielten über einen Zeitraum von 25 Tagen randomisiert Cytisin oder Placebo, in Kombination mit einer moderaten Abstinenz-Beratung. Die Abstinenzrate nach zwölfmonatiger Beobachtung war gut: In der Cytisin-Gruppe betrug sie ganze 8,4% im Vergleich zu 2,4% in der Placebo-Gruppe [Differenz 6 Prozentpunkte; 95%-KI: 2,7 bis 9,2, p = 0,001]. Zugegeben, eine überschaubare Studienpopulation, aber als erster Aufschlag ein guter Vorbote für weitere Studien [1].

Abb. 2: Ausschnitt aus „Das Deutsche Gesundheitswesen“, Jahrgang 23/1968

Vielversprechende Ergebnisse

Im Jahr 2014 folgte dann eine weitere 1 : 1-randomisierte Studie von Walker et al. aus Neuseeland mit 1310 starken Rauchern. Verglichen wurde Cytisin (Behandlungsdauer 25 Tage) gegen bereits etablierte Nicotin-Ersatzpräparate wie Pflaster, Kaugummis und Lutschtabletten (Behandlungsdauer acht Wochen). Bereits nach vier Wochen konnte bei 40% der Cytisin-Anwender eine kontinuierliche Rauch­abstinenz festgestellt werden. Unter den Teilnehmern, die Nicotin-Ersatzpräparate erhielten, waren es 31% [Differenz 9,3 Prozentpunkte, 95%-KI: 4,2 bis 14,5]. Die Wirksamkeit von Cytisin zur kontinuierlichen Abstinenz war der Nicotin-Ersatztherapie nach einer Woche, zwei Monaten und sechs Monaten überlegen [2].

In einer im März 2021 veröffentlichten Studie der gleichen neuseeländischen Forschergruppe wurde die Wirkung von Cytisin gegen die Wirkung von Vareniclin getestet. Die randomisierte offene Studie wurde unter indigenen Maoris durchgeführt. Die 679 Studienteilnehmer erhielten 1 : 1-randomisiert für zwölf Wochen entweder Cytisin oder Vareniclin zusätzlich zu einer moderaten verhaltenstherapeutischen Unterstützung. Die Ergebnisse der neuseeländischen Forscher sind gut: Die kontinuierliche Abstinenzrate nach sechs Monaten betrug 12,1% in der Cytisin-Gruppe und 7,9% in der Vareniclin-Gruppe [Risikodifferenz 4,29%, 95%-KI: -0,22 bis 8,79, relatives Risiko: 1,55 95%-KI: 0,97 bis 2,46] [3].

Eine günstigere Alternative?

Mit Asmoken® erweitert sich nun das verschreibungspflichtige Produktportfolio für Menschen, die gewillt sind, das Rauchen aufzugeben. Ebenso wie Vareniclinist es als Tablette erhältlich, was dem einen oder anderen Patienten sicherlich angenehmer ist als ein Pflaster oder Kaugummis. Eine kostengünstige Alternative stellt Asmoken® jedoch nicht dar: Liegen die Kosten für eine 112er-Packung Vareniclin bei knapp 199 Euro, so muss für Asmoken® etwa das Doppelte bezahlt werden (399 Euro). |

Literatur

[1] West R et al, Placebo-controlled trial of cytisine for smoking cessation. N Engl J Med, 2011. 365(13): p. 1193-200

[2] Walker N et al, Cytisine versus nicotine for smoking cessation. N Engl J Med, 2014. 371(25): p. 2353-62

[3] Walker N et al, Cytisine versus varenicline for smoking cessation in New Zealand indigenous Māori: A randomized controlled trial. Addiction, 2021

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi, MPH

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