Pandemie Spezial

Über die Tücken von Plattform-Studien

Nicht vergleichbare Kontrollgruppen können das Ergebnis klinischer Studien verzerren

Auch Daten von Plattform-Studien, die derzeit häufig zur Gewinnung von Daten zu SARS-CoV-2-Erkrankungen durchgeführt werden, haben ihre Schwachstellen. So können beispielsweise unterschiedliche Zeiträume der Randomisierung die Ergebnisse verfälschen.

Seit Beginn der COVID-19-Pandemie werden häufig sogenannte Plattform-Studien genutzt, in denen mehrere randomisierte klinische Studien mit unterschiedlichen experimentellen Behandlungsgruppen mit einer einzigen Kontrollgruppe verglichen werden. Die Basis für diese Kontrollgruppe liefert eine zentrale Forschungsdatenplattform, die möglichst kurzfristig verfügbare Daten aus unterschiedlichen Quellen bereitstellt. Dies ermöglicht eine effiziente Nutzung von Ressourcen, da nicht für jeden Vergleich eine separate Kontrollgruppe generiert werden muss. Die einzelnen Studiengruppen können der Plattform zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit verschiedenen Therapieansätzen beitreten und die Plattform wieder verlassen. Dieses Vorgehen hat allerdings auch seine Tücken, wenn die Studiengruppen keine vergleichbare Studienpopulation umfassen, denn nur dann ist es möglich, unterschiedliche Ergebnisse auf eine bestimmte Intervention zurückzuführen.

Verzerrung der Daten durch die Betrachtung unterschiedlicher Zeiträume. Links (A) der Trend der 30-Tage-Sterblichkeit von COVID-19-Patienten im April und Mai 2020 sowie dem Mittelwert der beiden Monate. Rechts (B) zeigt sich ein Verzerrungseffekt einer hypothetischen Studie: Aufgrund des Vergleichs zum Mittelwert, und nicht zum eigentlichen Prüfmonat Mai, ergibt sich fälsch­licherweise ein Behandlungseffekt von 37%.

Zeitraum beachten

Folgendes Beispiel (s. Abb.), in dem die gewonnenen Daten nicht denselben Zeitraum umfassen, kann eine Verzerrung der Daten veranschaulichen: Im Frühjahr 2020 nahm die Sterblichkeit hospitalisierter COVID-19-Patienten ab; sie lag im April bei 12,9%, im Mai bei 5,9%. Betrachtet man den Zeitraum April und Mai zusammen, so betrug die Sterblichkeit 9,3% (Mittel aus den Werten von April und Mai). Nimmt man nun die Daten einer hypothetischen Studie, in der im Mai ein unwirksames Medikament eingesetzt wurde und betrachtet die Sterblichkeit lediglich für den Monat Mai, so liegt diese bei 5,9%. Vergleicht man nun diese Mortalitätsrate mit der Sterblichkeitsrate einer Kontrollgruppe für die Monate April und Mai, also 9,3%, so ergibt sich ein vermeintlicher Benefit der unwirksamen Therapie. Die Ergebnisse deuten dann fälschlicherweise darauf hin, dass die 30-Tage-Sterblichkeit mit dem ineffektiven neuen Wirkstoff um 37% niedriger wäre. Verzerrungen treten beispielsweise auch dann auf, wenn sich die Randomisierung zwischen Testgruppen im Laufe der Zeit ändert, wenn einige Studienzentren eine Randomisierung der Kontrollgruppe nicht zulassen oder wenn Länder, die unterschiedliche Sterblichkeitsraten aufweisen, die Randomisierung auf eine bestimmte Menge an Probanden beschränken. Ein möglicher Ausweg, potenzielle Verzerrungen aufgrund einer nicht vergleichbaren Kontrollgruppe abzuschwächen, ist die statistische Modellierung von Trends im Hinblick auf den Zeitverlauf und Ländereffekte. Dieser Ansatz hat allerdings auch seine Schwächen: Erstens beeinflussen Veränderungen das Design einer Studie und damit ihre Aussagekraft und zweitens gibt es keine Garantie, dass jeder Bias dadurch aufgehoben werden kann. |

Literatur

Dodd L et al. Platform Trials – Beware the Noncomparable Control Group. N Engl J Med 2021; 384:1572-1573; DOI: 10.1056/NEJMc2102446

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

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