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Jede COVID-19-Einmal-Impfung bietet nur suboptimalen Schutz

Wie weit reicht der Schutz gegen eine COVID-19-Erkrankung nach der ersten Impfung? Nicht nur in der Diskussion um die Impfstrategie spielt diese Frage eine Rolle. Die COVID-19-Vakzine Janssen von Johnson & Johnson scheint hier eine Bedarfslücke zu füllen, ist sie doch die einzige, bei der eine Spritze genügen soll. Indes legt die Datenlage nahe, dass die Impfeffektivität nach der ersten Dosis bei allen aktuell verwendeten Vakzinen ziemlich ähnlich ist – inklusive der von Johnson & Johnson. Und, dass ein besserer und nachhaltigerer Schutz Boosterimpfungen braucht.
Foto: Markus Mainka/AdobeStock

Die Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe zu vergleichen, ist nur indirekt und damit eingeschränkt möglich. Zwar wird jeweils derselbe Maßstab „relative Wirksamkeit“ angelegt, basierend auf dem Verhältnis Erkrankter mit und ohne Impfung in klinischen Studien. Diese verwendeten aber nicht die gleichen primären Endpunkte, Einschlusskriterien, Impfdosen, Zeitabstände und Studienpopulationen. Beispielsweise wurden die für die Zulassung relevanten Studien zu den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer (BNT162b2, Comirnaty®) und Moderna (mRNA-1273) überwiegend in den USA durchgeführt, jene der Vektor-Vakzinen von AstraZeneca (ChAdOx1 nCoV-19, vormals AZD1222, Vaxzevria) und Janssen (Ad26.COV2.S) in breiter gestreuten Regionen. Hier kursierten teilweise auch schon stärker ansteckende Virusvarianten. Die für den Janssen-Impfstoff zulassungsrelevante ENSEMBLE-Studie hatte 44.325 Erwachsene in den USA, Südafrika und sechs Ländern Lateinamerikas eingeschlossen und ergab eine Effektivität von 66% (vgl. Kasten Ad26.COV2.S: Wirksamkeit nach einmaliger Impfung und Tab.). Die Bilanz wäre besser ausgefallen, wäre die Vakzine nicht breit in Südafrika getestet worden, wo der Schutz gegen die SARS-CoV-2-Variante B.1.3.5. mit 40% deutlich unter dem der Gesamtgruppe lag. Andererseits ist die Janssen-Vakzine die einzige unter den vier aktuell verwendeten, die als primären Wirksamkeitsendpunkt in der zulassungsrelevanten Untersuchung nicht die Verhinderung jeglicher COVID-19-Erkrankung verwendete, sondern das Auftreten mittel- bis schwergradiger und kritischer Verläufe. Damit ist zwar der klinisch wichtigere Endpunkt gesetzt, doch könnte die Gesamtwirksamkeit im Vergleich zur Konkurrenz in besserem Licht erscheinen, da der Schutz gegen schwerere Verläufe höher liegt. Die Janssen-Vakzine von Johnson & Johnson (Ad26.COV2.S) ist seit Ende Mai bei uns im Einsatz.

Ad26.COV2.S: Wirksamkeit nach einmaliger Impfung

Mit dem Vektorimpfstoff Ad26.COV2.S (Johnson & Johnson; Janssen Biotech Inc.) erhielt am 11. März 2021 der vierte Impfstoff gegen COVID-19 eine bedingte Marktzulassung durch die Europäische Kommission (EC). Die zulassungsrelevante ENSEMBLE-Studie hatte 44.325 Erwachsene in den USA, Südafrika und sechs Ländern Lateinamerikas eingeschlossen [1]. Der primäre Endpunkt war eine ab 14 Tage (als „koprimärer“ Endpunkt später ergänzt: ab 28 Tage) nach der einmaligen Impfung beginnende, mittel- bis schwergradige COVID-19-Erkrankung. Die Wirksamkeit erreichte 66,9% (95%-KI: 59,0-73,4) nach 14 Tagen und 66,1% (KI 55,0-74) nach 28 Tagen. Unterschiede in den kumulativen Inzidenzen wurden ab 14 Tage nach der Applikation gesehen. Der Schutz gegen schwere Verläufe war mit 76,7% (nach 14 Tagen) bzw. 85,4% (nach 28 Tagen) höher, auch konnte er schon nach rund sieben Tagen beobachtet werden.

In Subgruppen gab es kaum Wirksamkeitsunterschiede; tendenziell war der Schutz höher bei Männern, bei jüngeren Geimpften und bei Fehlen von Komor­biditäten. Letztere senkten den lang­fristigen Schutz vor mittel- bis schwergradigen Verläufen bei den über 60-Jährigen auf nur noch 42% – just in der Altersgruppe, in der die Janssen-Vakzine hierzulande von der STIKO empfohlen wird.

Reaktogenität und frühe Nebenwirkungen sind ähnlich dem ersten zugelassenen Vektorimpfstoff ChAdOx1 nCoV-19 (Vaxzevria von AstraZeneca). Auch nach der Impfung mit Ad26.COV2.S werden sehr selten Thrombosen in Kombination mit Thrombozytopenien (sog. Thrombose mit Thrombozytopenie Syndrom [TTS]) überwiegend bei jüngeren Geimpften beobachtet. Laut STIKO fällt bei Menschen im Alter ≥ 60 Jahre aufgrund der ansteigenden Letalität einer COVID-19-Erkrankung die Nutzen-Risiko-Ab­wägung eindeutig zugunsten der Impfung aus.

Wesentliche Unterschiede zu anderen zugelassenen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 sind die einfachere Aufbewahrung und Verteilung des Impfstoffs und die Gabe nur einer Spritze – ein Vorteil besonders bei Massenimpfungen. Ob eine zweimalige Impfung nicht doch wirksamer ist, wird in einer noch laufenden Studie untersucht [6].

Janssen-Vakzine mit vergleichsweise mäßiger Wirksamkeit

Vollends problematisch gestalten sich Wirksamkeitsvergleiche zwischen den vier Vakzinen, wenn sie nur die erste Dosis berücksichtigen. Nur beim Janssen-Impfstoff war das Studiendesign darauf ausgerichtet, Wirksamkeit und Sicherheit einer einmaligen Impfung zu bewerten. Trotzdem finden sich Anhaltspunkte zu der Frage (Tab.). In der zulassungsrelevanten Studie von Biontech/Pfizer traten ­zwischen der 1. und 2. Impfung 39 COVID-19-Erkrankungen in der geimpften Gruppe und 82 in der Placebo-Gruppe auf, entsprechend einer Wirksamkeit von 52% während des Zeitintervalls von drei Wochen nach Erstimpfung. Die Autoren sahen eine „teilweise Protektion“ zwölf Tage nach der ersten Dosis (die volle Wirksamkeit von 95% wurde sieben Tage nach der 2. Dosis erreicht). Eine britische Übersicht fasste Daten des Intervalls 15 bis 28 Tage nach der ersten Biontech-Dosis zusammen und fand einen Schutz von 89 bis 91% . Für den gleichen Zeitraum wurden unter Mitarbeitern des größten Krankenhauses Tel Avivs im Februar dieses Jahres 85% weniger symptomatische Infektionen nach Erstimpfung gemeldet als bei Ungeimpften. Für den AstraZeneca-Impfstoff wurde 22 Tage nach der Erstdosis eine „vaccine efficacy“ von 73% berichtet, für den Moderna-Impfstoff nach > 14 Tagen von rund 92% [4].

Mit 67% nach 14 Tagen und 66% nach 28 Tagen nimmt sich die Wirksamkeit der Janssen-Vakzine somit eher bescheiden aus. Indes ist sie sicher belegt. Wie auch bei anderen Vakzinen zu beobachten, stieg die Wirksamkeit von Ad26.COV2.S mit der Dauer der Nachbeobachtung an. Gegen leichte bis mittelgradige Erkrankungen wurde der maximale Schutz nach 14 Wochen erreicht, gegen schwere Verläufe nach rund sechs Wochen.

Hersteller
Impfstoff
Impfstoffklasse
empfohlener Impfabstand
Wirksamkeit 14 Tage nach erster Impfung
Wirksamkeit nach vollständiger Impfung
Wirksamkeit gegen schwere Verläufe
Dauer in Tagen bis zur vollen Wirksamkeit
Biontech/Pfizer
Comirnaty®
mRNA
zwischen 3 und 6 Wochen (zwei Impfungen)
50 – 90%*
95%
95%
7
Moderna
COVID-19 Vaccine Moderna
mRNA
zwischen 4 und 6 Wochen (zwei Impfungen)
50 – 90%*
95%
91%
14
AstraZeneca
Vaxzevria
Vektor
12 (zwei Impfungen)
60 – 70%*
80%
100%
15
Johnson & Johnson
COVID-19 Vaccine Janssen
Vektor
Einmalimpfung
66%
66%
75%
14

* Beobachtungstudien, nicht auf diesen Endpunkt ausgelegt

[Mod. nach https://www.aponet.de/artikel/covid-19-impfstoffe-wirksamkeit-im-vergleich-1-23940 Quellen: Robert Koch-Institut, Paul-Ehrlich-Institut, Studien des CDC, aus NEJM, The BMJ, The Lancet]

Booster-Regime auch für Janssen-Vakzine?

Auch bei Janssen liebäugelt man mit einem Booster-Regime. Denn die Verabreichung einer zweiten Dosis der Vakzine acht Wochen nach der ersten ließ die Antikörper-Titer um den Faktor 2,5 bis 3 ansteigen. Die Firma setzte mit ENSEMBLE 2 („Study 3009“) eine weitere randomisierte, placebokontrollierte Phase-III-Studie auf. 30.000 Personen (18 bis ≤ 55 Jahre) aus den USA, Lateinamerika und fünf europäischen Ländern erhalten eine Zweitimpfung nach 57 Tagen, oder Placebo. Die Studie soll zwei Jahre laufen. Ob dieses Design durchgehalten werden kann, ist laut einer Bewertung der Zeitschrift „Arzneimittelbrief“ allerdings fraglich. Der pharmazeutische Unternehmer habe sich offenbar noch nicht endgültig auf ein Konzept festgelegt. |

Literatur

[1] Sadoff J et al. Safety and Efficacy of Single-Dose Ad26.COV2.S Vaccine against COVID-19. NEJM.org. April 21, 2021 DOI: 10.1056/NEJMoa2101544

[2] Arzneimittelbrief 2021,55,29 : Der vierte in der EU zugelassene Impfstoff gegen SARS-CoV-2: Ad26.COV2.S

[3] Polack FP et al. Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA COVID-19 Vaccine N. Engl. J. Med. 2020, 383, 2603

[4] Public Health England Annex A: (AZD1222).

[5] Amit S et al. Early rate reductions of SARS-CoV-2 infection and COVID-19 in BNT162b2 vaccine recipients. The Lancet February 18, 2021 DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)00448-7

[6] Arzneimittelbrief 2021,55,29 : Der vierte in der EU zugelassene Impfstoff gegen SARS-CoV-2: Ad26.COV2.S

[7] RKI, Epidemiologisches Bulletin 19/2021 v. 12.5.2021

Apotheker Ralf Schlenger

 

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