Arzneimittel und Therapie

Prostata-Arzneimittel gegen Parkinson?

Weniger Erkrankungen unter Terazosin, Doxazosin und Alfuzosin

Bisherige Parkinson-Therapeutika können lediglich eine Symptomverbesserung bewirken, nicht jedoch den progredienten Verlauf der Erkrankung verhindern. Bestimmte Alpha-Blocker, die zur Therapie einer benignen Prostatahyperplasie eingesetzt werden, scheinen das Risiko zu vermindern, an einem Morbus Parkinson zu erkranken.

Derzeit sind keine medikamentösen Maßnahmen bekannt, die die neurodegenerativen Begleiterscheinungen einer Parkinson-Erkrankung verhindern oder verlangsamen können. Als ein Baustein in der Pathogenese dieser Erkrankung wird ein gestörter Energiestoffwechsel in den Mitochondrien diskutiert. Ferner ist die Glykolyse bei Patienten mit Parkinson oftmals vermindert. Aus dieser Beobachtung erwuchs die Hypothese, dass eine verbesserte Glykolyse die Mitochondrien mit mehr Energie versorgen könnte, was wiederum die Neurodegeneration verhindern könnte.

Auswertung von Registerdaten

Basierend auf dieser Annahme sollte in einer Kohortenstudie der Einfluss von Glykolyse-Verstärkern auf die Entstehung einer Parkinson-Erkrankung untersucht werden. Hier bot sich eine geeignete Patientengruppe an: Männer mit einer benignen Prostatahyperplasie. Diese Probanden sind in der Regel älter – Stichwort fortgeschrittenes Alter als Risikofaktor für Parkinson – und werden unter anderem mit einer für diese Fragestellung geeigneten Wirkstoffgruppe behandelt: den α1-adrenergen Rezeptor-Antagonisten. So erhöhen nämlich die α1-Rezeptor-Blocker Terazosin, Doxazosin oder Alfuzosin die Aktivität der Phospho­glyceratkinase 1, dem ersten ATP-erzeugenden Enzym in der Glykolyse. Eine passende Kontrollgruppe war ebenfalls gegeben: Männer mit einer benignen Prostatahyperplasie, die Tamsulosin einnehmen, ebenfalls ein α1-Rezeptor-Antagonist, der jedoch die Glykolyse nicht beeinflusst.

Dieser Therapieansatz wurde mithilfe der Daten zweier großer Kohorten untersucht. Die erforderlichen Angaben wurden dänischen Registerdaten und der US-amerikanischen Truven-Datenbank entnommen. Es wurden jeweils zwei Datenpaare (Einnahme von Terazosin, Doxazosin oder Alfuzosin [= Glykolyse-Verstärker] bzw. Einnahme von Tamsulosin [= Vergleichsgruppe]) gebildet, die miteinander verglichen wurden. Aus dem dänischen Register wurden pro Gruppe die Daten von rund 52.000 Männern, aus dem US-amerikanischen Register pro Gruppe die Daten von knapp 95.000 Männern herangezogen.

Innovative Phase-I-Studien

Bayer hat den baldigen Start zweier Phase-I-Studien bekannt gegeben, in denen innovative Therapieformen die Parkinson-Erkrankung stoppen und den Verlauf der Erkrankung umkehren sollen. In der ersten Studie erhalten die Probanden dopaminerge Neuronen in das Gehirn injiziert, die aus pluripotenten Stammzellen hergestellt wurden. Die zweite Studie befasst sich mit einer Gentherapie, bei der Adenoviren das GDNF-Gen (glial cell line-derived neurotrophic factor) in betroffene Hirnareale liefern sollen. Dort soll dann das GDNF-Protein exprimiert und sekretiert werden, welches die Regeneration der Neuronen und die motorischen Fähigkeiten verbessern soll.

Weniger Parkinson unter Glykolyse-Verstärkern

In der dänischen Kohorte erkrankten innerhalb des Follow-Up von etwa fünf Jahren 798 Männer, die die Glykolyse-Verstärker Terazosin, Doxazosin oder Alfuzosin eingenommen hatten, an Parkinson. Unter der Einnahme von Tamsulosin waren es 939; dies entspricht jeweils einer Inzidenz von 2,6 und 2,9 Erkrankungen auf 1000 Patientenjahre. Daraus errechnet sich eine um 12% verringerte Parkinson-Inzidenz unter Glykolyse-Verstärkern. In der US-Kohorte erkrankten in der Nachbeobachtungszeit von etwa drei Jahren 862 Patienten, die Glykolyse-Verstärker eingenommen hatten, an Parkinson; in der Vergleichsgruppe waren es 1368. Das entspricht einer Inzidenz von jeweils 2,4 und 3,81 Erkrankungen auf 1000 Patientenjahre. Die Risikoabnahme unter Glykolyse-Verstärkern betrug 37%. In beiden Studien wurde eine zeit- und dosisabhängige Risikoreduktion beobachtet. Der Effekt war in der US-Studie mit kürzerer Beobachtungszeit ausgeprägter als in der dänischen Studie, in der die Probanden länger beobachtet wurden. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass der protektive Effekt von Glykolyse-Verstärkern mit der Zeit abschwächt. Den Studienautoren zufolge müssen nun weitere Untersuchungen klären, ob bestimmte Patientengruppen besonders von den Parkinson-präventiven Eigenschaften bestimmter α1-Blocker profitieren. Hervorzuheben ist ihrer Aussage jedoch, dass trotz unterschiedlicher Kultur und Gesundheitssysteme sowohl in Amerika als auch in Dänemark der mögliche Benefit einer α1-Rezeptor-Blocker-Einnahme auf die Entstehung eines Morbus Parkinson ersichtlich war. |

Literatur

Simmering JE et al. Association of Glycolysis-Enhancing α-1 Blockers With Risk of Developing Parkinson Disease. JAMA Neurol. 2021;78(4):407–413. doi:10.1001/jamaneurol.2020.5157

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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