Direktabrechnung

„Prozesse, die in anderen Branchen Standard sind“

Scanacs-Geschäftsführer verknüpft Apotheken mit Krankenkassen

eda | Wer aktuell über die Möglichkeiten der Direktabrechnung zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen sprechen will, wird Scanacs nicht ausklammern können. Das Dresdener Unternehmen wurde 2016 von Frank Böhme gegründet, der nun einer der beiden Geschäftsführer ist. Böhme war zuvor bei einer Krankenkasse, einem großen Pharmaunternehmen und anschließend bei einem Unternehmen zur Rezeptprüfung tätig. Scanacs bietet Apotheken bereits eine Zuzahlungsprüfung sowie weitere Services an. Im Interview erläutert Frank Böhme, welche weitere Chancen er sieht, wenn Apotheken über einen direkten Link zu den Krankenkassen verfügen.
Foto: Scanacs

Sicherheit vor Zahlungsausfall In der Direktabrechnung sieht Scanacs-Geschäftsführer Frank Böhme einen wirtschaftlichen Mehrwert für Apotheken und Krankenkassen.

DAZ: Herr Böhme, Ihr Unternehmen Scanacs ist in Apothekerkreisen mit der Echtzeitüberprüfung des Zuzahlungsstatus von GKV-Versicherten ­bekannt geworden. Wie viel Über­zeugungsarbeit mussten Sie bei den Krankenkassen eigentlich leisten?
Böhme: Eine der Herausforderungen bei B-to-B-Plattformen besteht darin, eine Lösung zu entwickeln, bei der ausreichend Partner auf der jeweils anderen Seite mitmachen. Für uns bedeutete das zuerst, die Kostenträger, also die Krankenkassen, von unserer Vision zu überzeugen. Dies ist uns direkt mit dem Projektstart 2017 bei vier Partnern gelungen. Diese Early-Adopter übernahmen dann natürlich eine wichtige Kommunikationsfunktion, und wir merken seit dem Marktstart 2020 deutlich veränderte Gespräche mit der GKV. Das liegt sowohl an der wachsenden Anzahl teilnehmender Krankenkassen und Apotheken als auch an Themen wie der Einführung der elektronischen Verordnung oder der Insolvenz von AvP.

DAZ: In den Warenwirtschaftsprogrammen der Apotheken fehlt nach wie vor ein direkter Link zur GKV. Woran liegt das?
Böhme: In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Arzneimittelversorgung streng in die Seite der Apotheken und die der Krankenkassen unterteilt. Das verbraucht aus unserer Sicht nicht nur Ressourcen, sondern verstellt auch den Blick für innovative Ansätze. Mit dem Scanacs-Ansatz streben wir an, dass beide Partner künftig auf Augenhöhe zusammenarbeiten können und von den Vorteilen dieser Zusammenarbeit profitieren können. Denn nur so entstehen neue Ideen für mögliche gemeinsame Schritte.

DAZ: Die Überprüfung des Zuzahlungsstatus wie auch die Nutzung weiterer Angebote von Scanacs finden in einem Internetbrowser statt. Weshalb sind diese Services und Schnittstellen nicht längst in den ­Warenwirtschaftsprogrammen ­integriert?
Böhme: Der entscheidende Mehrwert der Scanacs-Plattform besteht in der Echtzeitkommunikation zwischen Apotheken und Krankenkassen. Hierfür haben wir vor allem auf der Seite der Leistungserbringer unsere Technologie so entwickelt, dass sie jederzeit über Schnittstellen in Warenwirtschaftssysteme integriert werden kann und damit die Nutzerinnen und Nutzer noch besser unterstützt. So funktioniert es beispielsweise bereits bei der Warenwirtschaft Aposoft, aber auch bei der Telepharmazie-Plattform Apomondo oder bei zwei Anbietern von Lösungen in der Rezepturherstellung und der Heimversorgung. Mit weiteren Anbietern von Warenwirtschaftssystemen, auch aus dem Bereich der sonstigen Leistungserbringer, sind wir im Gespräch.

DAZ: Scanacs bietet auch den Rezeptscan an. Auch dies findet abseits der Warenwirtschaft im Browser statt. Außerdem verfügen inzwischen fast alle Apothekensoftware-Anbieter über dieses Feature. Weshalb sehen Sie Ihr Angebot trotzdem als relevant für die Apotheken an?
Böhme: Der Rezeptscan stammt aus einer Zeit, in der niemand an die baldige Einführung der elektronischen Verordnung geglaubt hat. Unser Fokus ist ganz klar auf die elektronische Verordnung ausgerichtet. Sollte ein Kunde jedoch auch Papierrezepte prüfen und selbst abrechnen wollen, beispielsweise bei BtM-Rezepten, so erhält er bei Scanacs alles aus einer Hand.

DAZ: In der Telematikinfrastruktur wird es das Versichertenstammdaten-Management geben. Sehen Sie Ihr eigenes Geschäftsmodell durch diese TI-Anwendung nicht in Gefahr?
Böhme: Überhaupt nicht. Wir haben gerade mit der VIACTIV Kranken­kasse und der Siemens BKK die Funktionen des Versichertenstammdaten-Managements in unsere Prüfprozesse integriert. Die Inhalte ergänzen die fachlich-pharmazeutischen Prüfungen hervorragend und bieten zudem Chancen für patientenindividuelle Dienstleistungen in den Apotheken. So können wir uns vorstellen, dass Krankenkassen und Apotheken auf Grundlage des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG) regionale Vereinbarungen für einzelne Personengruppen schließen, eine Echtzeitprüfung erfolgt und diese Leistungen dann sofort abgerechnet werden.

DAZ: Elektronische Rezepte schienen bis vor wenigen Jahren ja noch in sehr weiter Ferne zu sein. Erst durch Gesundheitsminister Spahn wurde dieses Kapitel effektiv angegangen. Welche Perspektiven eröffnen sich mit der Einführung der E-Rezepte für Sie?
Böhme: In den vergangenen zwei Jahren wurde für die elektronische Verordnung immer nur das Teilstück Arzt-Apotheke beleuchtet. Hier ging es häufig um die Frage, wie kommt die Verordnung in die Apotheke, per App oder mit einem ausgedruckten Token? In jedem Fall aber wird der anschließende Abrechnungsprozess ausschließlich digital erfolgen. Hier besteht ein sehr großes Potenzial für die Scanacs-Plattform.

„So können wir uns vorstellen, dass Kranken­kassen und Apotheken regionale Vereinbarungen für einzelne Personengruppen schließen, eine Echtzeit­prüfung erfolgt und diese Leistungen dann sofort ab­gerechnet werden.“

DAZ: Die Ankündigung des deutschen E-Rezeptes sorgte bekanntlich in der EU-Versandhandelsbranche für eine neue Dynamik. Die Schweizer Zur-Rose-Gruppe profiliert sich als universeller Gesundheitsdienstleister und stellt sich breit auf. Nun existiert zwischen Scanacs und der Zur-Rose-Tochter eHealth-Tec eine Kooperation. Was bedeutet dies für die deutschen Vor-Ort-Apotheken?
Böhme: Die Zusammenarbeit mit eHealth-Tec ist rein technologischer Natur. Auf die deutschen Vor-Ort-Apotheken hat dies keinen Einfluss.

DAZ: Scanacs hat sich in einem White Paper öffentlich zur Pleite des Apothekenrechenzentrums AvP geäußert und damit ein Plädoyer für die Direktabrechnung verfasst (AZ 2021, Nr. 13-14, S. 5). Weshalb halten Sie es für realistisch, dass Apotheken und andere Leistungserbringer zukünftig direkt mit den Kostenträgern abrechnen können – und nicht über Dienstleister wie die Rechenzentren?
Böhme: In unseren Gesprächen mit Apotheken wird immer wieder der Wunsch nach einer technischen Lösung zur direkten Abrechnung mit Krankenkassen geäußert. Das hat teilweise strategische, teilweise aber auch ganz handfeste kaufmännische Gründe. Da Apotheken nach der direkten Abrechnung mit den Krankenkassen auch direkt das Geld von ihr erhalten, schaffen wir Sicherheit vor einem erneuten Zahlungsausfall. Gleichzeitig können so natürlich ­Liquiditätsvorteile erzielt und Zwischenfinanzierungen vermieden ­werden. Im Übrigen halten damit nur Prozesse Einzug, die in anderen Branchen und selbst in anderen ­Bereichen des Gesundheitswesens seit Langem Standard sind.

DAZ: Neben der Rezeptverwaltung und dem Datenmanagement geht es bei der Abrechnung natürlich um den Cashflow und die Vorfinanzierung. Im Falle der Apotheken müssen auch die Herstellerabschläge verwaltet werden. Das sind alles Argumente für die Zwischenschaltung von Abrechnern und Finanzdienstleistern. Wie sollen die meisten Apotheken eine Liquidität aufweisen können, wenn es dieses Angebot nicht gäbe?
Böhme: Das Liquiditätsmanagement ist eines der zentralen Themen jeder Apotheke. Gleiches gilt für die Herstellerrabatte. Beide Prozesse lassen sich vollständig digitalisieren. So können die Herstellerrabatte bereits heute über die Scanacs-Plattform abgerechnet werden. Für das Liquiditätsmanagement wird es entsprechende Lösungen geben, denn direkte und transparente Prozesse sehen wir als Grundlage für deutlich weiterführende Lösungen in diesem Bereich.

DAZ: Durch die Echtzeitabfrage im Vorhinein versprechen Sie den Apotheken eine signifikante Reduktion von potenziellen Fehlern bei der Rezeptbelieferung. Auf Seiten der Krankenkassen könnten Kosten bei der Überprüfung von Rezepten eingespart werden. Was ist Ihre Vision? Wie wird das Miteinander von Apotheken und Krankenkassen zukünftig laufen?
Böhme: Wir kennen sowohl in Apotheken als auch in Krankenkassen innovative Menschen, die die jeweils andere „Seite“ als Partner verstehen und sich dafür einsetzen, den Ver­sorgungsauftrag bestmöglich zu realisieren. Daher glauben wir an ein partnerschaftliches und kreatives ­Zusammenarbeiten unserer Kunden, zugunsten der Patienten.

DAZ: Herr Böhme, vielen Dank für das Gespräch. |

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