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Technologie

Cave Kühlschrank!

Arzneimittel und Medizinprodukte richtig lagern und aufbewahren

„Muss das in den Kühlschrank?“ Diese Frage eines Patienten spricht für das Bewusstsein, dass höhere Temperaturen Arzneimitteln schaden könnten. Doch vielen ist nicht bewusst, dass auch zu niedrige Temperaturen die Wirksamkeit vor allem wasserhaltiger Zubereitungen negativ beeinflussen können. Denn selbst moderate Temperaturabweichungen können zu erheblichen physikalischen Veränderungen führen. In den Gebrauchsinformationen finden sich nur selten Hinweise, wie Patienten ihre angebrochenen Arzneimittel lagern sollten. | Von Wolfgang Kircher

Bei den Hinweisen der pharmazeutischen Unternehmer in der Packungsbeilage und auf der Umverpackung zur sachgerechten Lagerung ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen

  • Lagerhinweisen für Fachkreise wie etwa Pharmagroßhandlungen und Apotheken und
  • Aufbewahrungshinweisen für Verbraucher, also für Patienten und Pflegepersonal.

Diese Differenzierung wird im pharmazeutischen und medizinischen Alltag nicht immer konsequent eingehalten. Als Synonyme für die Aufbewahrung wird manchmal auch von der „Lagerung beim Patienten“ oder (nicht völlig bedeutungsgleich) von der „Lagerung nach Anbruch“. Die Lager- und Aufbewahrungshinweise können Angaben zur Temperatur sowie zum Feuchte- und Lichtschutz enthalten.

Für die abgabebegleitenden Erläuterungen der Apotheke an den Verbraucher sind natürlich nur die Aufbewahrungshinweise relevant. Da diese aber in der Praxis meist von den Lagerhinweisen für ­Fachkreise abgeleitet werden, sollen zunächst die Temperaturangaben in diesen Lagerhinweisen betrachtet werden.

Temperaturangaben in den Lagerhinweisen für Fachkreise

Das Europäische Arzneibuch unterscheidet bei den Begriffsbestimmungen (Ph. Eur. 10. Ausg, Allg. Vorschriften) vier Temperaturbereiche:

  • Raumtemperatur: +15 bis +25 °C,
  • kalt oder kühl: +8 bis +15 °C,
  • Kühlschrank: +2 bis +8 °C,
  • tiefgekühlt: unterhalb von -15 °C.

In den einzelnen Monographien der Arzneibücher und des DAC finden sich noch weitere Temperaturintervalle.

Fertigarzneimittel werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens nach einer internationalen Leitlinie (ICH Guideline) auf die Stabilität bei der Lagerung geprüft [1, 2], und darauf aufbauend legt der pharmazeutische Unternehmer präparatespezifische Laufzeiten und Lagerungsbedingungen fest. Das Arzneimittelgesetz (AMG) fordert vom pharmazeutischen Unternehmer, Lagerungs- und Aufbewahrungshinweise auf dem Behältnis, gegebenenfalls der Umverpackung, in der Gebrauchsanweisung und in der Fachinformation anzugeben.

Ergibt die Langzeitprüfung keinen Hinweis auf ein Haltbarkeitsproblem, so müssen auch keine Lagerungshinweise genannt werden, z. B. ist das bei Metformin der Fall. Die „Leitlinien zu den Grundsätzen der guten Vertriebspraxis für Wirkstoffe von Humanarzneimitteln“ (GDP für Wirkstoffe) soll gewährleisten, dass die Arzneimittelqualität während aller Stationen der Vertriebskette vom Hersteller bis zur Apotheke erhalten bleibt. Für Apotheken regelt die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO, §§ 4, 16, 17), dass Arzneimittel, Ausgangsstoffe, Medizinprodukte und apothekenübliche Waren sowie Prüfmittel so zu lagern sind, dass ihre Qualität nicht nachteilig beeinflusst wird. Seit Oktober 2019 wird zusätzlich geregelt, dass die Temperaturanforderungen auch während des Transportes bis zur Abgabe an den Empfänger eingehalten werden müssen (ApBetrO § 17 Abs. 2a), da der Transport eine mobile Lagerung darstellt.

Auf den Verpackungen von Medizinprodukten werden die Hinweise zur Lagerungstemperatur durch ein Symbol angegeben: Es zeigt ein Thermometer mit diagonalem Strich, wobei am oberen und/oder unteren Strichende die Temperaturlimits genannt werden. Tabelle 1 listet einige Beispiele von Fertigarzneimitteln und Medizinprodukten mit zugehörigen Temperaturintervallen auf.

Tab. 1: Lagerungshinweise für Fachkreise für Fertigarzneimittel und Medizinprodukte (Auswahl)
Lagerungshinweis
Beispiele für Fertigarzneimittel(teilweise Temperaturintervall angegeben)
Beispiele für Medizinprodukte (jeweils Temperaturintervall angegeben)
-25 bis -15 °C
Jetrea® Injektionslösung
Coronavirus RT-PCR Detection Kit Fairmed
2 bis 8 °C in Kühlkette
Erypo® Fertigspritze, Foster® 100/6 µg Dosieraerosol, Gynoflor® Vaginaltabletten, MMR Vaxpro®Fertigspritze, Polyspectran® HC Salbe
2 bis 8 °C
Bromelain-POS® Tabletten, Duac Akne Gel, Infecto-Bicillin® 750 Saft, L-Thyroxin Henning® Tropfen
Granulox® Dosierspray, Hypo-A 4 Vag® Vaginalzäpfchen, Lipitear® Augentropfen, Remogen® Omega Augentropfen, Vagiflor® Vaginalzäpfchen
nicht < 8 °C
s. Tab. 3
Cerustop® Spray, Evotears® Augentropfen, Gelositin® Nasenöl, Genteal® Augentropfen, Hylo Dual Intense® Augentropfen
nicht < 10 °C
Verrumal® Lösung
nicht < 15 °C
Aciclovir ratiopharm® 50 mg/g Crème, Kavit® Tropfen
Cellufresh® Augentropfen, Endwarts® Pen, Systane® Balance Augentropfen, Vaxol® Ohrenspray, Voskolix® Ohrenspray
< 20 °C
Troxerutin-ratiopharm® 300 mg Weichkapseln
Accu Chek® Aviva Teststreifen, Askina® Calgitrol® Ag Kompresse, Chloräthyl Dr. Henning Spraydose, Döderlein Vaginalkapseln, Hautpflegesalbe Pharmachem
< 25 °C
betrifft den überwiegenden Teil aller Fertigarzneimittel und Medizinprodukte
< 30 °C
Aspirin® 500 mg überzogene Tabletten, Concor® 5 mg Filmtabletten, Thomapyrin® Classic Tabletten
Cationorm® MD sine Augentropfen, Systane® ultra Benetzungstropfen
< 40 °C
Infecto-Pedicul® Lösung

Die meisten Arzneimittel und Medizinprodukte sind unterhalb 25 bzw. 30 °C zu lagern. Geringe, kurzzeitige und kontrollierte Überschreitungen dieser Obergrenzen gelten in vielen Fällen unter rein chemischen Aspekten als unkritisch [3, 4]. Die meisten thermisch induzierten Abbaureaktionen wie etwa hydrolytische oder oxidative Zersetzung und Racemisierung (nicht aber photoinduzierte Reaktionen) gehorchen einer Kinetik 1. Ordnung bzw. lassen sich mit guter Näherung darauf zurückführen. In Folge der exponentiellen Verknüpfung von Temperatur und Reaktionsgeschwindigkeit (Arrhenius-Beziehung) gilt vereinfacht, dass die Erhöhung der Lagertemperatur um 10 °C die Haltbarkeit etwa auf die Hälfte bis ein Drittel senkt (Regel nach van’t Hoff). In der Praxis betreffen die Wärmebelastungen aber meist nur einmalig geringe Anteile der gesamten Lagerzeit. In vielen Fällen ist dabei die mittlere kinetische Temperatur (MKT; s. u.) relevant. In einer Simulation für einen instabilen Wirkstoff (t90% bei 25 °C: 52 Wochen) zeigte eine zehnwöchige Überschreitung der einjährigen Lagerung (zwischen 21 und 25 °C) um 5 °C auf 30 °C eine zusätzliche Wirkstoffeinbuße von maximal 1,5% [4, 5].

Ob die mittlere kinetische Temperatur auch zur Bewertung von temperaturbedingten Stabilitätsaspekten unter Alltagsbedingungen der Arzneimitteldistribution und nicht unter definierten Laborparametern verwendetet werden kann, wird jedoch kontrovers diskutiert. Denn dieses Konzept ist nicht generell einsetzbar, sondern nur in begründeten Situationen. So etwa nicht im Fall von mehrmaligen, unzureichend dokumentierten Temperaturüberschreitungen, physikalischen Veränderungen (s. u.) oder Veränderungen in biologischen Produkten (z. B. Impfstoffen). Insbesondere die Beurteilung letztgenannter Instabilitäten erfordert anspruchsvolle kinetische Modelle [6, 7]. Beispiele für Wirkstoffe mit einer für die Praxis relevanten thermischen Instabilität sind neben den Inhaltsstoffen von kühl zu lagernden Präparaten Clavulansäure [8], Levothyroxin [9, 10] und Promethazin [11]. Toxische Abbauprodukte sind etwa das aus Tetracyclin gebildete nierenschädigende 4-Epianhydrotetracyclin oder allergene Polymerisationsprodukte von β-Laktam-Antibiotika [12, 13].

Problematisch sind bei kurzzeitigen Überschreitungen der 25 °C-Grenze also oftmals weniger chemische Veränderungen des Wirkstoffs, als vielmehr physikalische Instabilitäten der Arzneiform. Beispielsweise Veränderungen

  • der gelösten Wirkstoff-/Hilfsstoffmengen,
  • rheologischer Eigenschaften,
  • der Konsistenz oder Härte,
  • der Anteile der Dispersionsphasen oder
  • der Wirkstoffverteilung zwischen verschiedenen Phasen der Arzneiform.

So können größere Temperaturschwankungen die Wirkstoffverteilung in Suspensionen therapierelevant verändern. Beispielsweise kristallisiert schwer lösliches Metronidazol, welches in einer Creme gelöst und suspendiert vorliegt, unter Umständen aus, wenn diese Zubereitung nach einer Aufbewahrung bei 40 °C wieder auf 20 °C abkühlt [14]. Emulsionssysteme können ihre Phasenverteilung und damit etwa ihre rheologischen Eigenschaften bei Temperaturschwankungen in praxisrelevantem Umfang ändern. Dies ist jedoch nicht grundsätzlich der Fall. So ergab etwa eine Lagerung von nicht-medizinischen Emulsionen (Sonnenschutzmittel in streichfähiger und flüssiger Form) bei -5 °C über 24 Stunden und anschließend bei 40 °C über zehn Tage keine visuellen Veränderungen [15]. Die Temperaturüberschreitungen der 25-°C-Obergrenze sind daher in jedem Einzelfall differenziert zu betrachten. Dies wird auch bei der amtlichen Überwachung von Apotheken berücksichtigt [16].

Tipp für die Praxis

Die oft bei Laien herrschende Vorstellung, dass eine Aufbewahrung im Kühlschrank immer eine längere Verwendbarkeit eines Arzneimittels als die Aufbewahrung bei Raumtemperatur biete, ist unzutreffend. Falsche Kühllagerung kann Arzneimittel empfindlich schädigen.

Bemerkenswert ist, dass für einige identisch zusammengesetzte Fertigarzneimittel verschiedener pharmazeutischer Unternehmer unterschiedliche Lagerungshinweise festgelegt wurden. Auch zwischen deutschem Originalpräparat und entsprechenden Importarzneimitteln können die Hinweise divergieren.

Kühl zu lagern, also zwischen 2 und 8 °C zu lagern, sind laut ABDA-Artikelstamm rund 6500 Fertigarzneimittel, knapp 3000 davon sind zusätzlich kühlkettenpflichtig. Kühlkettenpflicht bedeutet, dass das Arzneimittel beim Transport vom pharmazeutischen Unternehmer zum Pharmagroßhandel und zur Apotheke durchgängig streng auf 2 bis 8 °C gekühlt werden muss. Davon sind nicht nur Impfstoffe und Präparate mit rekombinanten Wirkstoffen betroffen, sondern beispielsweise auch einige Oph­thalmika, Dosieraerosole und Vaginalia.

Bei Hinweisen zur Kühllagerung bzw. zur Kühlkettenpflicht finden sich auch oft widersprüchliche Angaben auf den Sekundärpackmitteln bzw. in den Fachinformationen und im ABDA-Artikelstamm. Teilweise sind Hinweise auf die Kühlkettenpflicht nur in der Apothekensoftware genannt, nicht aber auf den Umkartons. Hauptsächlich betroffen sind hiervon Arzneimittel mit zentraler europäischer Zulassung (z. B. bei Orencia®). Den Begriff Kühlkette im oben genannten deutschen Sinn gibt es nicht auf europäischer Ebene, wo die Kennzeichnung „Kühl lagern“ nur in besonderen Ausnahmefällen verwendet wird [17].

Temperaturangaben in Aufbewahrungshinweisen
Bei vielen Fertigarzneimitteln entsprechen die Temperaturangaben in den Aufbewahrungshinweisen für Verbraucher denen in den Lagerhinweisen für Fachkreise. Abweichende Angaben finden sich aber beispielsweise bei

  • Selbstinjektabilia und anderen wässrigen Zubereitungen mit thermolabilen Inhaltsstoffen,
  • unkonservierten wässrigen Zubereitungen und vor allem bei
  • Trockenpräparaten, die vom Anwender mit Wasser zubereitet werden (z. B. Granulate,Trockensäfte, Lyophilisate von Selbstinjektabilia).

Tabelle 2 nennt entsprechende Präparatebeispiele mit Temperaturangaben.

Tab. 2: Aufbewahrungshinweise für Fertigarzneimittel, die von den Lagerungshinweisen abweichen (Auswahl) [18, 19]
Aufbewahrungshinweise für Verbraucher
Lagerungshinweise für Fachkreise
Fertigarzneimittel (gegebenenfalls Zeitlimit für Aufbewahrungstemperatur)
2 bis 8 °C
kein Hinweis/nicht > 25 °C / 30 °C
Macrogol-ratiopharm® Balance (24 Stunden), Plantago Hustensaft Wala® (4 Wochen), Symbioflor® 1 Tropfen (4 Wochen)
2 bis 8 °C oder 15 bis 25 °C (mit unterschiedlichen Aufbrauchfristen)
kein Hinweis
Atosil® Tropfen (12 Wochen bei 2 bis 8 °C, 6 Wochen bei 15 bis 25 °C)
2 bis 8 °C; nur einmalig für limitierte Zeit bei < 25 °C
2 bis 8 °C
Avonex® Fertigspritze (7 Tage), Copaxone® Fertigspritze (7 Tage), Enbrel® Fertigpen (4 Wochen), Humira® Fertigpen (14 Tage), Kineret® Fertigspritze (12 Stunden)
20 bis 25 °C, nicht < 8 °C
kein Hinweis
Sobelin® Granulat (14 Tage, gebrauchsfertige Lösung)
nicht > 25 °C
2 bis 8 °C
A.T. 10® Tropfen (60 Tage), Bromelain-POS® Tabletten (4 Wochen), Duac Akne Gel (2 Monate), Foster® Dosieraerosol (3 Monate), Latanoprost Pfizer Augentropfen (4 Wochen), Otobacid® N Ohrentropfen (3 Wochen)
nicht > 25 °C
nicht > 30 °C
Dorzo-Vision® Augentropfen
nicht > 30 °C
2 bis 8 °C
Forair® Druckgasinhalation (3 Monate), NuvaRing® (4 Monate), Saxenda® Injektionslösung in Fertigpen (1 Monat)

Hinweise zur Temperatur für den Verbraucher

Die Angaben zur Aufbewahrungstemperatur können von denen zur Lagerungstemperatur abweichen (s. Tab. 2). Bekannte Beispiele hierfür sind Insulinpräparate und verschiedene Augentropfen, die im Apothekenkühlschrank zu lagern sind, die aber vom Patienten während des vierwöchigen Gebrauchs bei Raumtemperatur aufbewahrt werden dürfen.

Nicht alle bei Raumtemperatur aufzubewahrenden Arzneimittel dürfen vom Verbraucher auch in den Kühlschrank gelegt werden. Vorwiegend sind solche wässrigen Lösungen, Hydrogele und Cremes vor Temperaturen unter 8 °C zu schützen, die gelöste Wirk- und Hilfsstoffe enthalten, welche entweder wenig wasserlöslich sind und/oder deren Sättigungslöslichkeit stark temperaturabhängig ist. Das Löslichkeitsprodukt solcher Stoffe wird in der Kälte überschritten, wodurch es zu irreversiblen Ausfällungen kommen kann. Arzneistoffe, die bei Kühlschranktemperaturen praxisrelevant schlechter löslich sind als bei Raumtemperatur, sind beispielsweise Metronidazol, Morphin-HCl/-sulfat oder Ribavirin [2, 20, 21].

Daneben verändern sich durch die Kälte rheologische Charakteristika flüssiger und halbfester Zubereitungen und damit verbundene Gebrauchseigenschaften wie Tropf- und Sprühfähigkeit, Streichbarkeit oder Hauthaftung. Ölige Tropfen lassen sich beispielsweise infolge der erhöhten Viskosität nicht mehr mit ihren Topffläschchen dosieren. Die als Emulgator, Lösungsvermittler und Gelbildner eingesetzten Poloxamere (z. B. Pluronic F 127) führen in der Kälte zu verflüssigten Zubereitungen. Bei Weichkapseln, Zäpfchen, verschiedenen Vaginalia und Transdermalsystemen können Aus­härtungen und Versprödungen auftreten. Bei zwei- oder mehrphasigen Systemen wie Cremes, Matrixpflastern oder Dosieraerosolen ändert sich unter Umständen die Wirkstoffverteilung zwischen den Phasen und damit die Abgabekinetik. Bei Mehrphasensystemen in Treibgasdosen mit Dosierventilen kann sich die abgegebene Wirkstoffmenge auch infolge der Druckverminderung und Volumenkontraktion der flüssigen Hilfsstoffe verringern (vgl. Dosieraerosole weiter unten). Viele der genannten Veränderungen sind irreversibel. Schließlich kann der in kalter Luft verringerte Feuchtigkeitsgrad vor allem bei inhalativen Pulverformen ungünstige Effekte auslösen. So etwa Kondenswasser, das sich nach der Entnahme aus dem Kühlschrank in den Kanälen des Inhalators niedergeschlagen kann, Tabelle 3 nennt Beispiele von Fertigarzneimitteln, bei denen Kühlschranktemperaturen zu derartigen Veränderungen führen können.

Tab. 3: Fertigarzneimittel, die nicht im Kühlschrank ­aufbewahrt werden dürfen (Beispiele)
Fertigarzneimittel
Begründung für die Kältempfindlichkeit
Aciclovir Creme 1A Pharma
Viskosität und Hauthaftung können sich verringern
Activelle Filmtabletten
erhöhte Luftfeuchte und Kondenswasser können in Drehblister ein­dringen
Andriol® Testocaps
Konsistenzänderungen können ­auftreten
AT 10® Tropfen
erhöhte Viskosität der öligen Grundlage verhindert Tropfendosierung
Beclohexal 100 µg Dosieraerosol
unter anderem Druckabfall in der Dose und damit veränderte Aerosol­eigenschaften
Braltus® Hartkapseln mit Pulver zur Inhalation
erhöhte Luftfeuchte und Kondenswasser können im Inhalator Pulver­eigenschaften verändern
Budenofalk®Rektalschaum
unter anderem Druckabfall in der Dose
Ciloxan® 3 mg/ml Augentropfen/Ohrentropfen
Ciprofloxacin-HCl kann (reversibel) ausfallen
Kentera® transdermales Pflaster
Veränderung der Wirkstoffverteilung zwischen den Matrixkomponenten und damit veränderte Abgabekinetik
Metrogalen® Gel
Metronidazol kann auskristallisieren
Mometasonfuroat Glenmark 1 mg/g Creme
Mometasonfuroat kann ausfallen
Paracetamol Stada Saft
Paracetamol kann ausfallen
Phardol® Ketoprofen Schmerzgel
Ketoprofen kann ausfallen

Zu berücksichtigen ist auch, dass sich der keimreduzierende Effekt vieler Konservierungsmittel bei Kühlschranktemperaturen deutlich verringert. So fand man für Benzalkoniumchlorid eine Erniedrigung der Absterbekonstanten verschiedener Testkeime um etwa den Faktor 15, wenn die Temperatur von 25 °C auf 3 °C reduziert wurde. Das gleiche Konservierungsmittel ist bei 3 °C in üblicher Dosierung (0,014%) nicht mehr fungizid gegenüber Aspergillus niger, während es diesen Testkeim bei Raumtemperatur innerhalb weniger Stunden um eine Zehnerpotenz reduziert [22].

Einige Fertigarzneimittel, Medizinprodukte und Rezepturarzneimittel sind wegen des Risikos solcher kältebedingten Veränderungen bereits von Lagertemperaturen unter 10 °C oder 15 °C ausgeschlossen (s. Tab. 1). In Rezepturen häufig eingesetzte Hilfsstoffe mit geringer Wasserlöslichkeit sind etwa die 4-Hydroxybenzoesäureester (PHB-Ester). Konserviertes Wasser DAC und einige der damit hergestellten Rezepturarzneimittel dürfen daher nicht dauerhaft unter dieser Temperaturgrenze gelagert bzw. aufbewahrt werden. Die Benzoesäureester würden irreversibel ausfallen. Unter die Medizinprodukte mit dem Temperaturkorridor von 15 bis 25 °C fallen etwa verschiedene ophthalmologische Benetzerlösungen und ölige Zubereitungen.

Diese Kälteeffekte sind besonders in der kalten Jahreszeit beim Transport und bei der Lagerung in Anlieferschleusen zu beachten. Auch (über-)vorsichtige Patienten, die vor allem auch Anbrüche ungeprüft im Kühlschrank aufbewahren, sind aufzuklären. Beim Versand von Arzneimitteln ist die oftmals genannte kritische Temperaturuntergrenze von 8 °C nicht generell zutreffend, es können vielmehr bereits Temperaturen unter 15 °C problematisch sein.

Leider divergieren die Angaben in der Apothekensoftware zur Lagerung nicht unter 15 °C oftmals gegenüber den Angaben in Packungsbeilage und Fachinformation. Der ­ABDA-Artikelstamm nennt bei kühlschrankunverträglichen Präparaten vielfach 15 °C als minimale Lagertemperatur.

Zur Klärung der Frage, ob ein Arzneimittel nicht unter 15 °C oder nicht unter 8 °C gelagert werden darf, ist die Apothekensoftware nur bedingt tauglich. Hierzu muss jeweils beim Zulassungsinhaber nachgefragt werden.

Temperaturbedingte physikalische Veränderungen mit teilweise therapeutischer Relevanz sollen am Beispiel von Salbutamol-Dosieraerosolen verdeutlicht werden. In einer Untersuchung wurden vier unterschiedliche, in Deutschland im Handel befindliche Präparatetypen mit diesem Wirkstoff (mit u. a. unterschiedlichen Hilfsstoffzusammensetzungen und Dosierventilen) untersucht. Temperaturen außerhalb des zugelassenen Temperaturintervalls („Nicht über 25/30 °C lagern“) führen bei ihnen zu einer wärmebedingten Verminderung des Sprühstoßgewichtes und zu einer kältegesteuerten Steigerung (Abb. 1 und Abb. 2 zeigen beispielhaft die Ergebnisse). Der hier dominierende Mechanismus ist die Kontraktion bzw. Expansion der volumendosierten Zubereitung. Daneben beeinflussen eine Vielzahl zusätzlicher Faktoren das Sprühstoßgewicht. So etwa die veränderten Druckverhältnisse in Dose und Dosierkammer, die wärmegetriggerte Verringerung der Grenzflächenspannung der Formulierung (relevant an den kapillarweiten Öffnungen) und der Temperaturgradient zwischen Dose und Dosierkammer, insbesondere bei Dosierkammern aus Kunststoff. Das Ausmaß des Temperatureffektes auf das Sprühstoßgewicht unterschied sich bei den vier ­Dosieraerosol-Typen nur geringfügig. Bei der ethanolfreien Variante (Sultanol®) war es am geringsten, ein Befund, der im Widerspruch zu Untersuchungen an anderen Präparaten (jedoch nicht Suspensionen) steht [21]. Auffallend sind die sehr ausgeprägten Gewichtsabweichungen des jeweils ersten und manchmal zweiten Sprühstoßes nach dem Temperaturwechsel (Abb. 2). Bemerkenswert sind dabei sowohl die abweichenden Mittelwerte, als auch die zugehörigen hohen Standardabweichungen. Diese Tendenz wurde auch für die abgegebene Dosis (entspr. PhEur-Def.) anderer Dosieraerosole beschrieben [23].

Abb. 1: Sprühstoßgewicht von Salbutamol Dosier­aerosolen in Abhängigkeit verschiedener Aufbewahrungstemperatur. Sprühstoßgewicht als Gewichtsdifferenz des Dosieraerosols vor/nach Sprühstoß; Angabe in % des deklarierten Sprühstoßgewichtes bzw. des Wertes bei 22 ⁰C; nach Aufbewahrung des Dosieraerosols für 90 Minuten bei der genannten Temperatur in aufrechter Position (Ventil unten); jeweils Sprühstoß 3 bis 23 aus drei Dosen gemessen; Mittelwerte mit Standardabweichung

Abb. 2: Sprühstoßgewicht der drei ersten Sprühstöße des Salbutamol AL N Dosieraerosols nach Aufbewahrung bei verschiedenen Temperaturen. Sprühstoßgewicht wie in Abb. 1 ermittelt; Wechsel von 22 ⁰C zu den genannten Temperaturen; an drei Dosen gemessen

Neben diesen unterschiedlichen Sprühstoßgewichten sind auch noch weitere therapierelevante Änderungen der Aerosolcharakteristik in Abhängigkeit der Aufbewahrungstemperatur zu erwarten. So etwa variierende Geschwindigkeiten und Durchmesser der Aerosolpartikel [24] und daraus resultierende Veränderungen in der Lungendeposition [25].

Aus diesen Befunden ist der allgemeingültige Hinweis an Patienten abzuleiten, bei Dosieraerosolen mit Aufbewahrung bei zu niedrigen oder zu hohen Temperaturen vor der Anwendung ein bis zwei ungenützte Sprühstöße abzugeben. In der Packungsbeilage eines Fluticason/Formoterol-Dosier­aerosols (Flutiform®) wird auf diesen Aspekt hingewiesen. Das Präparat muss nach Aufbewahrung bei Minusgraden vor der Anwendung 30 Minuten bei Raumtemperatur verbleiben und danach ist ein ungenutzter Sprühstoß abzugeben.

Tab. 4: Publizierte unerwünschte klinische Konsequenzen von zu hohen oder zu niedrigen Lager-/Aufbewahrungstemperaturen
Fertigarzneimittel
Lagerungs-/Aufbe­wahrungs-hinweis
Fehler bei der Lagerung/Aufbewahrung
unerwünschteWirkung(en)
Literatur
Pneumokokokken-Polysaccharidimpfstoff
2 bis 8 °C
von Praxis bei Raumtemperatur gelagert
u. a. Herzrasen, Lippenzittern
[26]
Medroxyprogesteron-Fertigspritze
nicht > 25 °C
von Praxis im Kühlschrank < 0 °C gelagert
Schwangerschaft
[27]
Insulin, in Pumpe
von Patient Temperaturen > 35 °C und direktem Sonnenlicht ausgesetzt
Ketoazidose
[28]
von Patient Insulin im Katheterschlauch Temperaturen < 0 °C ausgesetzt
Ketoazidose
[29]
Levothyroxin-Tabletten
von Patient bei > 25 °C aufbewahrt
kein Therapieerfolg
[30]

Unerwünschte klinische Konsequenzen von zu hohen oder zu niedrigen Lager- bzw. Aufbewahrungstemperaturen wurden für verschiedene Fertigarzneimittel beschrieben (Tab. 4). |
 

Literatur

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Autor

Dr. Wolfgang Kircher, Pharmaziestudium an der Universität München; Promotion im Fach Pharmazeutische Technologie an der Universität Regensburg; Fachapotheker für Allgemeinpharmazie, Geriatrische Pharmazie und für Arzneimittelinformation; betreibt zusammen mit seinem Sohn die St. Ulrich-Apotheke in Peißenberg; bis 2016 Mitglied der Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker; bis 2019 Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands;

Autor und Koautor verschiedener Bücher im Deutschen Apotheker Verlag, unter anderem „Arzneiformen richtig anwenden“

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