Beratung

Pilzinfektionen in Zeiten von Corona

Mykosen der Kopfhaut nehmen bei Kindern zu

Von Hans-Jürgen Tietz und Ulrike Gunkel | Das Thema „Corona“ ist weiterhin in aller Munde. Im Windschatten des Virus breiten sich jedoch auch andere Infektionen stärker aus. Ein Paradebeispiel ist die Zunahme von Mykosen bei Kindern und Jugendlichen, durch anthropophile Erreger wie Tinea rubrum, Malassezia furfur, Candida albicans, aber auch zoophile Keime wie Trichophyton benhamiae.

Die Gründe sind vielfältig. Die größte Gefahr besteht in der häuslichen Isolation, mit intensiveren Kontakten der Kinder zu den wichtigsten Infektionsquellen, den Eltern und zu Haustieren. Vater und Mutter, auch Oma und Opa, kümmern sich derzeit weniger um die Therapie ihres Fuß- oder Nagelpilzes. Teils aus Angst, sich in Apotheken oder Arztpraxen mit SARS-CoV-2 anzustecken. Teils aufgrund geschlossener oder sich in Kurzarbeit befindlicher Hautpraxen oder Kliniken. Andererseits suchen Kinder in der psychologisch belastenden Situation mehr denn je innigen Kontakt und Trost bei ihren Haus­tieren, „Oskar ist doch der einzige, der mich versteht“.

Tinea capitis auf dem Vormarsch

Die Folge sind Mykosen, wie eine Tinea corporis. Wenn diese Mykose des Rumpfes und der Extremitäten nicht rechtzeitig erkannt wird, kann sie sich auf den Kopf (Tinea capitis) ausbreiten und häufig auch aufgrund einer unzureichenden Therapie über Monate persistieren (Abb. 1.) Meerschweinchen und Hasen können zwei Dermatophyten beherbergen: T. mentagrophytes und T. benhamiae, der erst vor wenigen Jahren von Skinny pigs aus Japan eingeschleppt wurde und inzwischen der häufigste zoophile Erreger in Deutschland ist [1].

Fotos: H.-J. Tietz

Abb. 1: Tinea capitis bei einem zehnjährigen Mädchen nach halbjähriger topischer Therapie (links), Heilerfolg nach zusätzlich 1 × 100 mg Itraconazol-Polymer pro Woche vier Monate später (rechts).

Beide Erreger vereint neben Klinik und Erregerreservoir auch das therapeutische Herangehen. Das Fundament der Therapie ist eine gründliche Lokalbehandlung. Eine Option bei Kindern ist das breit und sporozid wirkende Ciclopirox. Als ölige und alkoholfreie Lösung ist es galenisch ideal, da es an entzündeten und damit hoch empfindlichen Hautstellen gut toleriert wird. Bei der Tinea capitis kann aufgrund der Schwere vieler Infektionen die Hinzunahme eines zweiten topischen Wirkstoffs, Bifonazol oder Sertaconazol, empfohlen werden. Am besten als Spray, was sich gut zur Anwendung am behaarten Kopf eignet. Mit Ciclopirox bilden beide Azole, die ebenfalls eine hohe Wirksamkeit gegen die Erreger der Meerschweinchen besitzen, eine synergistische lokale kombination [2].

Eine Tinea capitis muss jedoch neben der lokalen Therapie stets auch systemisch behandelt werden, gemäß der neuen Leitlinien zur Tinea capitis [3] und den Erfahrungen der eigenen täglichen Praxis. Eine innere anti­mykotische Therapie ist bei Kindern in Deutschland leider (noch) nicht zugelassen. Nicht wegen den von vielen Eltern und einigen Ärzten befürchteten Nebenwirkungen, sondern mangels Interesse seitens der Industrie und Politik.

Zur Wahl stehen drei Wirkstoffe: Itraconazol, Terbinafin und Fluconazol, welchesbei fehlender Alternative ab dem ersten Lebensjahr für zugelassen gilt. Fluconazol und Itraconazol sind auch als Saft bzw. Liquid verfügbar. Terbinafin kann prinzipiell bei schwerer Trichophytie eingesetzt werden. In Österreich und in der Schweiz ist es bei Kindern zugelassen. Das vormals in Deutschland einzige vollumfänglich auch für Kinder zugelassene Griseofulvin wurde vom Markt genommen.

Die Aufgabe besteht zunächst darin, die Eltern von einer systemischen Therapie und ihrer sehr guten Verträglichkeit zu überzeugen. Die systemische antimykotische Therapie hat sich in den letzten Jahren fundamental verändert. Zum einen aufgrund der galenischen Optimierung der Wirkstoffe, zum anderen im Modus der Anwendung. Das moderne Konzept der systemischen Mykose-Therapie besteht heute in einer gering dosierten, kontinuierlichen Therapie mit einer Dosis Fluconazol oder Itraconazol pro Woche, nach einer kurzen Anflutphase von drei (Onychomykose) bis zu sieben Tagen bei einer Tinea capitis (siehe Tab.).

Tab.: Systemische Therapie der Tinea corporis et capitis [Tietz HJ, Gunkel U 2020].
Wirkstoff
Fluconazol
Terbinafin
Itraconazol*
Erreger
Trichophyton rubrum
T. tonsurans
Epidermophyton floccosum
Microsporum canis
M. audouinii
T. rubrum
T. interdigitale
T. mentagrophytes
T. benhamiae
T. verrucosum
T. equinum
T. tonsurans
T. violaceum
T. soudanense
T. schoenleinii
E. floccosum
T. rubrum
T. interdigitale
T. mentagrophytes,
(alle Varianten, Typen)
T. benhamiae
T. verrucosum
T. equinum
T. tonsurans
T. violaceum
T. soudanense
T. schoenleinii
M. canis
M. audouinii
E. floccosum
Dosis für Erwachsene
(Kinder > zwölf Jahre)
200 mg
250 mg
200 mg*
Dosis für Kinder
(sieben bis zwölf Jahre)
100 mg
125 mg
100 mg*
Dosis für Kinder
(unter sieben Jahre)
50 mg
62,5 mg
50 mg*
Anflutphase
drei bis sieben Tage täglich, danach eine Dosis pro Woche

*angegebene Dosierung gilt für die auf Polymer-Technologie (SUBA®) hergestellten Itraconazol-Kapseln (Itraisdin®)

Mittel der Wahl vieler Dermatologen und Experten ist Itraconazol in einer neuartigen, besonders wirkeffizienten und gut verträglichen Galenik [5]. Itraconazol gilt auch als Mittel der Wahl aufgrund seines alle Erreger umfassenden Wirkspektrums, was in akuten Fällen auch eine breite empirische Therapie ermöglicht. Das Herangehen mit einer Dosis pro Woche ist nicht nur gut verträglich. Es wird auch der Komplexität der Erreger gerecht. Denn diese wachsen häufig langsam, was in der Infektiologie grundsätzlich eine Langzeittherapie erfordert. Sie besitzen zudem umweltrobuste Sporen, auch im Gewebe, die im Wochenzyklus jedoch gegenüber Flucon­azol und Itraconazol gut empfindliche Keimschläuche ausbilden, die dann dank der Langzeittherapie Schritt für Schritt beseitigt werden. Das heißt, je länger die Therapie mit einer Dosis pro Woche durchgeführt wird, desto größer ist die Aussicht, dass jede Spore entfernt ist und kein Rezidiv entsteht. Das Institut für Pilzkrankheiten Berlin (mycoclinic) und viele Dermatologen empfehlen Terbinafin mittlerweile nicht mehr, denn

  • es treten Nebenwirkungen auf wie Psoriasis, Lupus, Lichen ruber,
  • es existieren keine besser verträglichen Originalpräparate mehr,
  • es verbreiten sich zunehmend Resistenzen, nicht nur gegenüber T. mentagrophytes, sondern auch gegenüber T. rubrum [6].

Das war überraschend für die Pilz­therapie, galt doch Terbinafin über lange Zeit als die gegenüber Derma­tophyten wirksamste Substanz.

Das Ende einer Therapie wird auch in der Mykologie heute am sichersten mithilfe der modernen Gendiagnostik, der PCR, angezeigt (Abb. 2). Sie ist bei Kindern aufgrund ihrer Schnelligkeit und Exaktheit ein besonderer Gewinn und wird auch bei schwer identifizierbaren und extrem langsam wachsenden Kulturen wie Trichophyton benhamiae oder T. verrucosum erfolgreich eingesetzt (Abb. 3). Das ist ein immenser dia­gnostischer Fortschritt, auch aus epidemiologischer Sicht [5].

Foto: H.-J. Tietz

Abb. 2: Schnellnachweis von T. verrucosum mithilfe der Microarray-PCR innerhalb von 48 Stunden, vor (links) und nach einer Therapie (rechts).

Foto: H.-J. Tietz

Abb. 3: In Kultur schwer identifizierbare bzw. langsam wachsende Erreger: T. benhamiae (links) und T. verrucosum.

Bei der Tinea capitis dauert die Therapie ca. sechs Monate, bei schweren Infektionen mitunter länger. Auch in dieser Frage ist von Ärzten und Eltern Geduld und Verständnis gefragt. Die Therapie erfolgt bis zur klinischen Heilung, erkennbar am gesunden Nachwachsen der Haare, was fast immer der Fall ist, und einer negativen Kultur bzw. PCR. Im Falle der beiden Meerschweinchen-Pilze ist die Kultur nach relativ kurzer Zeit steril. Bei Microsporum canis (Katzen) bleiben Kultur und PCR über den klinischen Erfolg hinaus oft noch lange positiv. Die Gesetzgebung erlaubt Ärzten im Falle einer Mykose nicht die Anordnung einer Quarantäne. Antiepidemische Sanktionen obliegen einzig der Kindereinrichtung oder dem Gesundheitsamt. Aufgrund der nach wenigen Behandlungstagen nur noch geringen Kontagiosität könnte das Kind jedoch bereits eine Woche nach Therapie­beginn wieder die Kita oder Schule besuchen, was ärztlich bescheinigt werden kann. Bei einer klinisch schweren Tinea capitis ist es emp­fehlenswert, das Kind so lange vom Besuch zu befreien, bis der auffällige klinische Befund abgeheilt ist.

Mykosen beim Tier

Bei Tieren sind Mykosen klinisch nur selten auffällig. Pilz und Tier haben sich hier evolutionär optimal einander angepasst. Auch mithilfe einer diagnostischen Wood-Licht-Lampe, mit der sich fluoreszierende Krankheitsherde und Pigmentveränderungen der Haut begutachten lassen, ist der Befall eines Tieres bei beiden Meerschweinchen-Pilzen nicht erkennbar. Im Unterschied zur Mikrosporie einer Katze, bei der mit der Wood-Licht-Lampe die Fluoreszenz grün ausfällt. Der Tierarzt müsste erwägen, das Tier als potenzielle Quelle eventuell trotzdem empirisch mit zu behandeln. Infrage kommt Itrafungol®, was für Katzen entwickelt wurde, jedoch auch bei Meerschweinchen und Hasen wirksam ist. Sichtbare Stellen am Fell sollten parallel in gleicher Weise topisch behandelt werden, wie beim Kind. |

Literatur

[1] Nenoff P. Trichophyton Spezies von Arthroderma benhamiae – ein neuer Infektions­erreger in der Dermatologie. JDDG 2014;12:571-582

[2] Tietz HJ, Gunkel U. Mykosen bei Kindern und Erwachsenen. 2. Auflage 2021

[3] Mayser P, Nenoff P, Reinel D et al. SD1-Leitlinie Tinea capitis. J Dtsch Dermatol Ges 202018:161-180

[4] Tietz HJ. Moderne Onychomykose-Therapie mit SUBA-Itraconazol (Itraisdin®) und Ciclopirox: Fortschritte in der Galenik führen zu nachhaltigen Heilerfolgen. derm 2016;4:300-308

[5] Tietz HJ, Gunkel U. PCR revolutioniert Diagnostik. Der Deutsche Dermatologe 2020:68:688-695

[6] Yamada T, Maeda M, Alshahni MM, Tanaka R, Yaguchi T, Bontems O, Salamin K, Fratti M, Monod M. Terbinafine resistance of Trichophyton clinical isolates caused by specific point mutations in the Squalene Epoxidase Gene. Antimicrob Agents Chemother 2017;61:115-117

Autoren

Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie; 1991 – 2004: Oberarzt für Mykologie der Hautklinik der Charité, seit 1998 Professor der Humboldt-Universität zu Berlin; seit 2004: Leiter der mycoclinic, Institut für Pilzkrankheiten Berlin

Dr. med. Ulrike Gunkel, Fachärztin für Innere Medizin 1994 – 2002: Assistenzärztin an der Universität Leipzig, Innere Medizin; 2004 – 2007: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Virologie der Universität Leipzig; 2007 – 2017: Hausärztin; seit 2017: Ärztin an der mycoclinic Berlin

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