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Pharmakotherapie
Ausgeschlafen
Die Differenzialtherapie einer schweren Insomnie
Jeder zehnte Erwachsene hat eine chronische behandlungsbedürftige Insomnie in Form einer Ein- und/oder Durchschlafstörung oder frühmorgendliches Erwachen [AASM, Bhaskar et al. 2016, ICSD 3]. Bei den Erwachsenen ist die Kombination aus Ein- und Durchschlafstörung am häufigsten, bei den Jugendlichen eher die Einschlafstörung. Dazu kommen die vielen Kinder und Jugendlichen, bei denen der Schlaf bereits gestört ist [Kansagra 2020]. Etwa 50% der Betroffenen können einen Auslöser oder Trigger der Schlafstörung benennen [Fietze et al. 2021]. Das heißt aber auch, dass die Hälfte der schlechten Schläfer nicht wissen, warum sie plötzlich unerwartet oder langsam schleichend nicht mehr gut schlafen können. Bei den Jugendlichen ist es die Verschiebung der Bettzeit nach hinten, die oft zu einer Einschlafstörung führt. Dauert eine Insomnie - mit oder ohne Trigger ausgelöst länger als vier Wochen, dann kann sie chronisch werden. Die chronische Insomnie wiederum ist eine anerkannte chronische Erkrankung, wie z. B. Bluthochdruck oder Diabetes mellitus. Sie liegt dann vor, wenn:
- man mindestens dreimal in der Woche länger als 30 Minuten zum Ein- oder Wiedereinschlafen nach nächtlichem Erwachen benötigt oder
- frühzeitig erwacht, zum Beispiel nach fünf Stunden, und danach nicht wieder einschlafen kann.
Hinzu kommt, dass die Betroffenen nicht erholt sind und sowohl die mentale als auch die physische Leistungsfähigkeit unter dem nicht ausreichenden Schlaf leiden.
Ursache ist eine Dysbalance der Schlaf-Wach-Hormone im Gehirn
Die häufigste Form der Insomnie ist die primäre Insomnie. Dieser Schlafstörung liegt ein Defekt im Schlaf-Wach-System zugrunde, ohne dass zunächst weitere provozierende Faktoren eine Rolle spielen müssen. Weniger häufig ist die sekundäre Insomnie, die gefördert wird durch z. B. Schmerzen, psychische Erkrankungen, Tinnitus, Migräne, Juckreiz, Stress, eine Infektion wie COVID-19 und andere Umstände. Die Insomnie ist immer das Resultat einer Störung, einer Imbalance der Schlaf-Wach-Hormone. Die in der Bevölkerung bekanntesten Schlafhormone sind das Melatonin und die Gammahydroxybuttersäure. Dritter, wenig bekannter Mitspieler ist das müde machende aber eher kurzwirksame Adenosin, das im Energiestoffwechsel eine entscheidende Rolle spielt.
Adenosin hat mit Coffein einen populären Antagonisten, weswegen nach dem Genuss von Coffein das Einschlafen zum Problem werden kann. Die im Schlaf-Wach-Zentrum tätigen „Wachstoffe“ sind Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Serotonin, Histamin und Orexin. Fehlt die Aktivität eines „Schlafstoffes“ oder liegt eine Überaktivität eines „Wachstoffes“ vor, dann kann man nicht mehr gut schlafen. Stimuliert man ein Schlafhormon oder hemmt einen Wachmacher (z. B. Histamin oder Orexin), dann kann man wieder besser schlafen. Das ist das Grundprinzip der medikamentösen Therapie von Schlafstörungen: die Beeinflussung, Stimulation oder Blockierung der schlaffördernden bzw. wachmachenden Hormone im Zentralnervensystem. Der Effekt einer Therapie hängt auch vom Phänotyp der Insomnie ab. Wie schwer ist der Ausprägungsgrad, wie lange die Vorgeschichte, welche Therapieversuche gab es im Vorfeld, wie alt ist der Betroffene, welche Komorbiditäten liegen vor, welcher Beruf wird ausgeübt, wie ist die familiäre Situation usw. [Fietze et al. 2021]. Auch Arzneimittel können mit Schlafstörungen einher gehen (s. Kasten „Substanzen, deren Einnahme zu einer Insomnie führen kann“). Leider wird eine derartige Charakterisierung der Betroffenen in der schlafmedizinischen Praxis noch nicht vorgenommen, wird aber mit Zunahme der therapeutischen Optionen eine immer größere Rolle spielen.
Substanzen, deren Einnahme zu einer Insomnie führen kann
- Alkohol und andere Rauschmittel
- Antibiotika (z. B. Gyrasehemmer)
- Antidementiva (z. B. Piracetam)
- antriebssteigernde Antidepressiva (z. B. selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren [SSRI])
- Blutdruckmittel (z. B. Betablocker) und Asthma-Medikamente (z. B. Theophyllin, β-Sympathomimetika)
- Diuretika
- Hormonpräparate (z. B. Thyroxin, Steroide)
- stimulierende Substanzen (Coffein und synthetische Substanzen, z. B. Amphetamine, Ecstasy)
Bei leichter Schlafstörung ist eine kognitive Verhaltenstherapie ein Muss
Präparate in der Selbstmedikation
Für Betroffene mit einem schlechter werdenden Schlaf oder einer leichten Schlafstörung (nur ein- bis zweimal pro Woche) und noch wenigen Beeinträchtigungen am Tage ist die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie das Mittel der ersten Wahl [Baglioni et al. 2020]. Zu ihr gehören:
- die Aufklärung über einen gesunden und gestörten Schlaf,
- das Erlernen von Entspannungstechniken,
- sportliche Aktivitäten und
- das Erlernen des Umgangs mit einer Schlafstörung.
Mit diesen Maßnahmen kann verhindert werden, dass die Schlafstörung stärker wird. Sie können dazu beitragen die Schlafqualität zu verbessern und – wenn man Glück hat – diese auch beseitigen. Bei Älteren ist die kognitive Verhaltenstherapie vor allem in Kombination mit einer medikamentösen Therapie sinnvoll [Kwon et al. 2021]. Leider kann man nicht voraussagen, bei wem diese Form der Therapie hilft und bei wem eher nicht und ob der Effekt anhält. Auch Apothekerinnen und Apotheker sollten wissen und gegebenenfalls vermitteln, dass sich die Betroffenen vor der Einnahme einer Schlaftablette über den gesunden und gestörten Schlaf, über die sogenannte Schlafhygiene, und Entspannungstechniken etc. informieren sollten. Eine kognitive Verhaltenstherapie sollten alle Schlafgestörten anwenden, wenngleich es an qualitativ hochwertigen Angeboten oft mangelt. Je ausgeprägter die Insomnie, desto geringer aber der Effekt von kognitiven Verhaltenstherapien.
Bei schwerer Schlafstörung ist eine medikamentöse Therapie ein Muss
Bei einer schweren Insomnie, die fast täglich auftritt, auch an freien Tagen oder im Urlaub, die selbst tagsüber keinen Schlaf zulässt und nachts meist nur weniger als sechs Stunden, und die zur dauerhaften Beeinträchtigung der Leistung und Lebensqualität am Tage führt, sind die Betroffenen medikamentös zu behandeln. In der Regel haben diese Personen die verschiedenen Formen der oben genannten kognitiven Verhaltenstherapie bereits hinter sich, ohne Erfolg. Wir schlagen in solchen Fällen eine medikamentöse Stufentherapie vor: vom leichten schlaffördernden Mittel hin zum starken Schlafmittel. Aus unserer Erfahrung ist genau hier auch die Hilfe der Apothekerinnen und Apotheker nützlich und sinnvoll. Erwähnt seien zunächst die vielen alternativen Therapiemethoden wie die Einnahme von Mineralstoffen und Vitaminen, die Anwendung einer Aromatherapie und andere Angebote. Für alle diese Maßnahmen – inklusive der Anwendung von speziellen Schlafdecken oder dem viel beworbenen Cannabidiol(CBD)-Öl – ist wissenschaftlich kein positiver Effekt für den Schlaf nachgewiesen. Zum Cannabidiol-Öl kann man die Betroffenen darüber aufklären, dass es zwar beruhigt, aber die Qualität des Schlafes nicht bessert – und sogar mindern kann. Beginnen sollte man daher aus medizinischer Sicht eher mit einer herkömmlichen Phytotherapie, z. B. der Kombination von Extrakten aus Hopfen, Baldrian und Melisse. Hier können aus dem Portfolio apothekenpflichtiger Produkte auch andere Zusammensetzungen empfohlen werden. Wenn es eher um einen beruhigenden Effekt geht, können gern die am Tag anzuwendende Kombination aus Avena sativa (Hafer), Coffea arabica(Kaffee), Passiflora incarnata (Passionsblume) und Zincum isovalerianicum (Zinkvalerat) (Neurexan®) oder vergleichbare Präparate empfohlen werden. Wenn es um den Nachtschlaf geht, ist ein Gemisch aus Extrakten aus Hopfen, Baldrian und Melisse eher zu empfehlen. Wichtig ist der Hinweis an die Anwender, die Phytopharmakotherapie mindestens vier bis sechs Wochen kontinuierlich anzuwenden. Hilft sie, dann ist die Therapie fortzusetzen. Sollte sich nach dieser Zeit kein Effekt zeigen, empfehlen wir einen Wechsel auf L-Tryptophan. Diese Aminosäure ist die Vorstufe von Melatonin und Serotonin und kann dazu führen, dass man sich am Tage besser fühlt und nachts besser schläft. Je stärker die Ausprägung der Insomnie desto geringer jedoch der mögliche positive Effekt dieses Nahrungsergänzungsmittels. Eigene Erfahrungen lassen auf eine Responder-Rate von ca. 10 bis 20% schließen, ohne dass wir mögliche Prädiktoren nennen können. Wir empfehlen den Betroffenen in den ersten zwei Wochen 500 mg L-Tryptophan pro Tag und danach für weitere zwei Wochen 1000 mg pro Tag, jeweils immer morgens oder abends eingenommen. Sollte sich hier ein positiver Effekt ergeben, dann sollte in der Apotheke auch hier zur Fortführung der Therapie geraten werden – ähnlich wie bei den Phytopharmaka. Hilft L-Tryptophan nicht, dann empfehlen wir für alle Älteren ab dem 55. Lebensjahr und bei Einschlafstörungen Melatonin. Ab dieser Altersstufe steigt die Wahrscheinlichkeit der abendlichen Abnahme des Melatonin-Spiegels. Nur bei einem Melatonin-Mangel bringt Melatonin auch einen Mehreffekt. In Deutschland sind 2 bis 4 mg Melatonin am Abendzugelassen (z. B. Circadin®), in den USA steht in der Dosierung von 8 mg der Melatoninrezeptor-Agonist Ramelteon(RozeremTM) zur Verfügung. Wir empfehlen eine Woche 2 mg Melatonin und danach bei Bedarf eine Steigerung auf 4 mg, jeweils 30 bis 60 Minuten vor der Zubettgehzeit eingenommen.
Melatonin ist als Inhaltsstoff von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) die derzeit am meisten beworbene schlaffördernde Substanz und verspricht laut Werbeaussagen einen guten Schlaf. Allerdings ist für die in NEM in der Regel enthaltenen Dosierungen von 1 bis 2 mg Melatonin wissenschaftlich keine positive Wirkung auf den Schlaf nachgewiesen, zweitens macht die Einnahme bei jungen Betroffenen wie erwähnt keinen Sinn und drittens hilft es am ehesten bei Einschlaf- und nicht bei Durchschlafstörungen. Gute Schläfer schlafen mit Melatonin auch nicht besser. Für Tryptophan und Melatonin gilt: In der Apotheke sollten Kunden darüber aufgeklärt werden, dass diese Art der Therapie nur ein Versuch ist. Zusätzlich sollte auf die Qualität der Produkte geachtet werden. Wir raten grundsätzlich von Internetbestellungen aus dem fernen Ausland ab, da der Zusammensetzung solcher Präparate im Zweifelsfall nicht getraut werden kann. Hier sollten Produkte empfohlen werden, deren verlässliche Anbieter bekannt sind.
Der nächste Schritt in der Stufentherapie ist das Agomelatin, ein verschreibungspflichtiger Wirkstoff, der bei Ein- und Durchschlafstörungen helfen kann und auch für zwei Wochen ausprobiert werden sollte, begonnen wird erst mit 25 mg Agomelatin und in der zweiten Woche dann 50 mg. Wegen seiner dualen Wirkung als Melatoninrezeptor-Agonist und Serotoninrezeptor-Antagonist ist Agomelatin als Antidepressivum und nicht als Schlafmittel zugelassen. Es ist aber eher ein Schlafmittel. Agomelatin ist übrigens das einzige schlaffördernde Mittel, bei dem wir im Fall der Dauertherapie auf eine mögliche hepatische Unverträglichkeit hinweisen müssen, die auch im Beipackzettel steht. Sollte es wirken, dann ist nach ca. drei bis vier Wochen eine Kontrolle der Leberwerte zu empfehlen. Bei Unverträglichkeit steigen sie extrem an. Dann ist die Therapie sofort zu beenden. Darüber können Sie in der Apotheke die Patientinnen und Patienten auch aufklären, denn das kann im ärztlichen Aufklärungsgespräch durchaus einmal untergehen. Die genannten milden schlaffördernden Mittel sollten die Betroffenen mit Geduld nacheinander ausprobieren, eine Kombination macht keinen Sinn.
„Der gute Schlaf mit Tablette ist gesünder als ein dauerhaft schlechter Schlaf.“
Dies war das Portfolio der eher milden schlaffördernden Arzneimittel. Eine Steigerung ist notwendig, wenn diese Mittel nicht helfen und Schlaf- als auch Lebensqualität weiterhin deutlich beeinträchtigt sind. Es folgen zunächst die wirksameren Antihistaminika, zu denen die Antihistaminika der ersten Generation Diphenhydramin und Hydroxyzin gehören, sowie das Ethanolamin Doxylamin. Mit Ausnahme von Hydroxyzin gehören sie wie L-Tryptophan und die Phytopharmaka zu den OTC-Präparaten und sind eher für eine akute Schlafstörung geeignet (ein bis vier Wochen), bei Jetlag oder als Bedarfstherapie (ein- bis zweimal pro Woche) bei einer milden bis moderaten chronischen Schlafstörung. Zu beachten ist hier ein möglicher morgendlicher Überhang (Hang-over), der bei arbeitstätigen Betroffenen und Frühaufstehern stören kann, darüber sollten die Anwender auch aufgeklärt werden. Hat man Zeit zum Ausschlafen und reagiert positiv auf ein Antihistaminikum, dann darf man damit gern mal den Schlaf nachholen.
An dieser Stelle eine Bemerkung zur Bedarfstherapie: Berichte über eine erhöhte Sturzgefahr bei Älteren unter Einnahme von schlaffördernden Mitteln scheinen auch mit der Häufigkeit der Einnahme zu tun zu haben, denn bei regelmäßiger Einnahme eines schlaffördernden Mittels ist die Sturzgefahr geringer [Min et al. 2016]. Wenn Betroffene positiv auf ein Antihistaminikum reagieren, dann sollten sie es im Rahmen einer akuten Schlafstörung für ein bis vier Wochen regelmäßig nehmen und danach nur noch bei Bedarf, dann aber eher an den Wochenenden. Vor allem Älteren sollten über eine mögliche Sturzgefahr bei der Bedarfstherapie aufgeklärt werden.
Verschreibungspflichtige Präparate
Alle folgenden stärkeren Schlafmittel sind verschreibungspflichtig. Zu ihnen gehören in der nächsten Stufe der Wirksamkeit zunächst die schlaffördernden Psychopharmaka wie Trimipramin, Mirtazapin, Doxepin, Trazodon und Quetiapin, um nur Einige zu nennen. Bei Schlafstörungen sollten sie in niedriger Dosierung wirken (Trimipramin z. B. 12,5 bis 25 mg/Abend), bei zusätzlichen psychischen Erkrankungen auch in höheren Dosen. Wichtig ist, den Betroffenen zu raten, dass sie die Tablette ein bis zwei Stunden vor dem Zubettgehen einnehmen und nicht erst mit dem Hinlegen. Liegt „nur“ eine primäre Insomnie vor, ohne psychische Grunderkrankung, dann können Psychopharmaka aber auch psychische Nebenwirkungen verursachen. Auch darüber sollte die Patienten aufgeklärt werden. Betroffene berichten zum Beispiel, dass sie das Gefühl haben, neben sich zu stehen oder einen morgendlichen Überhang verspüren. Dann sind die Psychopharmaka abzusetzen, übrigens auch bei einer möglichen Gewichtszunahme oder bei einer Provokation von unruhigen Beinen, dem Restless-Legs-Syndrom, eine weitere mögliche Nebenwirkung insbesondere der schlaffördernden Antidepressiva. Die schlaffördernden Psychopharmaka können bei Bedarf mit Phytopharmaka, Melatonin oder Hypnotika kombiniert werden, nicht aber mit L-Tryptophan. Schlaffördernde Psychopharmaka wirken insbesondere dann gut, wenn eine ursächliche oder komorbide Depression oder Angsterkrankung vorliegt oder die chronische Schlafstörung zu psychischen Auswirkungen führt. Schlaffördernd sollten bereits niedrige Dosen sein.
Die nächste und aus unserer Sicht letzte Stufe der Pharmakotherapie einer schweren Schlafstörung sind die Hypnotika. Zu ihnen zählen nicht die alten Benzodiazepine, die für die chronische Insomnie-Medikation ausdrücklich vermieden werden sollten. Sie dürfen kurzzeitig bei extremen Situationen z. B. einer akuten Schlafstörung nach Verlust eines Familienmitglieds, einer akuten psychischen Erkrankung oder im Krankenhausbett eingesetzt werden, nicht aber im häuslichen Umfeld und schon gar nicht bei jüngeren Betroffenen. Diazepam, Nitrazepam, Flunitrazepam usw. sollten demnach in der Praxis der Behandlung einer chronischen Insomnie möglichst nicht mehr angewendet werden: Sie können abhängig machen, sind auch tagsüber noch wirksam, beeinträchtigen die Atmung und können weitere schwerwiegende Nebenwirkungen auslösen, worüber die Betroffenen, denen derartige Präparate ausgehändigt werden, auch aufgeklärt werden sollten.
Zolpidem, Zopiclon und Eszopiclon hingegen haben keinen Einfluss auf die Atmung, mindern sogar die Anzahl der Atmungsstörungen bei Schlafapnoe-Patienten und haben ein deutlich niedrigeres Risiko des Wirkungsverlustes (Wahrscheinlichkeit ca. 15%) als Psychopharmaka und die Benzodiazepine, bei denen die Wahrscheinlichkeit eines Wirkungsverlustes nach unseren Erfahrungen bei ca. 30 bis 40% liegt. Zolpidem (5 bis 10 mg) ist das Einschlafmittel mit einer Halbwertszeit von ca. drei bis vier Stunden, Zopiclon (3,75 bis 7,5 mg) und Eszopiclon (1 mg, 2 mg oder 3 mg) sind Ein- und Durchschlafmittel mit Halbwertszeiten von ca. fünf bis sechs bzw. sieben bis acht Stunden. Die Einnahme sollte ca. 30 Minuten vor dem Zubettgehen empfohlen werden und am besten zu einem Zeitpunkt, an dem man Müdigkeit spürt. Die Z-Präparate sind keine Schlaf-erzwingenden Mittel und bringen keinen Schlaf, wenn man sie im „Hellwach“-Zustand einnimmt. Das neue Eszopiclon ist potenter als Zopiclon und hat noch weniger Nebenwirkungen. Daher ist es eine neue Alternative für all diejenigen Patienten, bei denen die Wirkung von Zolpidem oder Zopiclon nachgelassen hat.
Ein Wirkungsverlust – egal ob unter Baldrian oder Zolpidem – kann übrigens nach ein bis vier Wochen, nach einem Jahr, nach zehn Jahren oder auch gar nicht auftreten. Leider ist es nicht möglich, hier eine Prognose für jeden Betroffenen abzugeben. Wichtig ist es aber, die Patientinnen und Patienten über diesen möglichen Wirkungsverlust aufzuklären. Der sollte nämlich nicht dazu führen, mehr Tabletten zu nehmen, sondern dazu, zum Schlafmediziner zu gehen und nach Alternativen zu fragen, zum Beispiel einer Umstellung oder einer Kombinationstherapie.
Chronische Insomnie ist chronisch zu therapieren
Studien zu Eszopiclon bilden die Grundlage dafür, dass das Hypnotikum auch für eine Langzeittherapie über sechs Monate zugelassen ist [Rösner et al. 2018]. Dies ist ein wichtiger Punkt der Arzneimitteltherapie einer chronischen schweren Insomnie. Man kann die Therapie, wie von vielen Medizinern und aus meiner Erfahrung auch leider von vielen Apothekern empfohlen, nicht nach vier Wochen oder drei Monaten stoppen. Das macht man auch nicht mit einer Bluthochdruck-Therapie oder der Insulin-Therapie. Eine chronische Erkrankung ist chronisch zu therapieren – und es bleibt zu hoffen, dass dies auch von den deutschen und europäischen Behörden und von den Krankenkassen eines Tages für die Insomnie anerkannt wird.
Der schwere Insomniker braucht seine Therapie, ob Baldrian-Extrakt oder Z-Substanz. Nimmt er das schlaffördernde Mittel, schläft er gut, nimmt er es nicht, schläft er schlecht. Nur selten gelingt es, die chronische Erkrankung zu durchbrechen bzw. zu heilen, womit dann auch die medikamentöse Therapie beendet werden könnte. Aus medizinischer Sicht stellt es sich so dar, dass eine schwere chronische Insomnie dauerhaft zu behandeln ist, zumindest wenn man die Schlaf- und Lebensqualität wieder herstellen möchte. Wird eine Therapie beendet, zum Beispiel weil im Beipackzettel von Zolpidem steht, dass man es nur vier Wochen einnehmen sollte, dann schlafen die Betroffenen anschließend wieder schlecht und werden arbeitsunfähig oder müssen berentet werden. Mit einer schweren Insomnie ist man nicht arbeitsfähig und eine Gefahr für sich und andere. Wichtig ist es, eine schwere chronische Insomnie chronisch zu therapieren, egal ob mit Phytopharmaka, Melatonin, Agomelatin, Tryptophan, Psychopharmaka oder Hypnotika. Der gute Schlaf mit Tablette ist gesünder als ein dauerhaft schlechter Schlaf.
Behandlungspfade einer Insomnie, ob in Deutschland publiziert [S3-Leitlinie], in Europa [Riemann et al. 2017] oder in den USA [Matheson und Hainer 2017, Sateia et al. 2017] enden zwar alle mit der medikamentösen Therapie, aber auch mit dem Zusatz, diese nicht dauerhaft anzuwenden. Was jedoch mit den Betroffenen passieren soll, wenn sie keine schlaffördernden Tabletten mehr nehmen sollen, bleibt vollkommen unklar. Erwerbsunfähigkeit oder Berentung etwa? Wissenschaftlich sind diese fehlenden Empfehlungen zum Teil nachvollziehbar, denn es mangelt an Langzeituntersuchungen mit Hypnotika und anderen Schlafmitteln, aber in der Praxis ist das nicht hilfreich. Erst die neuen Generationen von Wirkstoffen wie Eszopiclon und die Orexin-Blocker (Suvorexant, Lemborexant und Daridorexant) haben in Langzeitstudien nachgewiesen, dass sie wirksam und nebenwirkungsarm sind und bleiben. Orexin ist ein wachmachendes Neuropeptid und wenn es blockiert wird, dann wird man müde. Bester Beweis dafür ist die pathologische Müdigkeit bei der Narkolepsie. Hier haben die Betroffenen einen Orexin-Mangel und sind daher müde. Die Orexin-Blocker sind in der Wirksamkeit den Benzodiazepinen und Benzodiazepin-Agonisten nicht unterlegen, sondern zum Teil besser wirksam, in Deutschland aber noch nicht verfügbar. Ihr Nebenwirkungsprofil ist besser, als das der bisherigen Hypnotika [Citrome et al. 2021]. Sie werden nicht nur bei den Erwachsenen (< 65 Jahre) [Dauvilliers et al. 2021] sondern auch bei Älteren getestet [Zammit et al. 2021] und auch bei Insomnikern mit anderen Begleiterkrankungen wie Alzheimer-Demenz [Svetnik et al. 2021]. Das ist wichtig, denn schlechter Schlaf führt zu kognitiven Defiziten und ist ein Vorbote für eine Demenzerkrankung. Es bleibt zu hoffen, dass von dieser neuen Generation auch der ein oder andere Wirkstoff zukünftig in Europa für die Langzeittherapie zur Verfügung stehen wird.
Auf einen Blick
- Die chronische Insomnie ist sehr häufig. Ursache ist eine Dysbalance der Schlaf-Wach-Hormone im Gehirn.
- Alle Schlafgestörten sollten eine kognitive Verhaltenstherapie nutzen. Je ausgeprägter die Insomnie, desto geringer ist aber der Effekt.
- Bei einer leichten bis moderaten Schlafstörung können Pflanzenpräparate, L-Tryptophan, Melatonin oder Agomelatin helfen.
- Antihistaminika sind gut wirksame schlaffördernde Mittel und sollten entweder kurzzeitig (< vier Wochen) oder nur bei Bedarf (z. B. zweimal/Woche) empfohlen werden.
- Schlaffördernde Psychopharmaka wirken vor allem, wenn eine ursächliche oder komorbide Depression oder Angsterkrankung vorliegt oder die chronische Schlafstörung zu psychischen Auswirkungen führt. Schlaffördernd sollten bereits niedrige Dosen sein.
- Eine schwere chronische Insomnie ist chronisch zu therapieren, egal ob mit Phytopharmaka, Melatonin, Agomelatin, Tryptophan, Psychopharmaka oder Hypnotika. Der gute Schlaf mit Tablette ist gesünder als ein dauerhaft schlechter Schlaf.
- Eszopiclon ist als erstes Hypnotikum für eine Langzeittherapie (sechs Monate) zugelassen.
- Orexin-Antagonisten sind eine effektive Option für die Dauerbehandlung einer schweren Insomnie, derzeit in Deutschland aber noch nicht verfügbar.
Ausblick
Die gute Nachricht für alle Betroffenen: Es gibt gute und auch in der Vielzahl zunehmend mehr medikamentöse Möglichkeiten der Therapie einer schweren Insomnie, die subjektiv und objektiv Sinn machen und Schlaf und Lebensqualität verbessern. Und es gibt auch zukunftsträchtige neue, nicht-medikamentöse Therapieansätze wie zum Beispiel die Neurostimulation. Kürzlich ist der erste Kopfhörer von der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) als Medizinprodukt anerkannt worden. Mit akustischen Wellen soll er gegen Depression und Einschlafstörungen helfen. Eigene Untersuchungen mit ähnlichen Geräten [Wagenseil et al. 2018] haben jedoch gezeigt, dass bis zur effektiven Therapie noch ein weiter Weg vor diesen Produkten liegt. Zumindest in Tierexperimenten und der Parkinson-Forschung zeigen sich hierzu hoffnungsvolle Ansätze [Hogg et al. 2017]. Vermitteln Sie bitte Ihren Kunden – und helfen damit auch den wenigen Schlafmedizinern, die sich um die Insomniker in Deutschland kümmern –, dass man den schlechten Schlaf nicht tolerieren und unter ihm nicht leiden muss. Man kann ihn bei Bedarf therapieren, dafür stehen OTC- und verschreibungspflichtige Präparate zur Verfügung. Man sollte ihn dann chronisch, mit leichten schlaffördernden Mitteln behandeln. Ist das nicht ausreichend möglich, können Hypnotika eingesetzt werden, wenn ein schlechter Schlaf die Betroffenen mindestens dreimal pro Woche für länger als drei Monate begleitet und die Betroffenen am nächsten Morgen/Tag darunter leiden. Der chronisch therapierte Schlaf ist altersunabhängig immer besser als ein gesundheitsschädigender chronisch schlechter Schlaf. |
Literatur
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