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E-Rezept soll für neuen Auftrieb sorgen

Wie sich Zur Rose und Shop Apotheke Europe an der Börse entwickeln

ts | Die Aktienkurse der beiden führenden Arzneimittelversender Zur Rose und Shop Apotheke Europe haben seit ihren jeweiligen Allzeithochs im Februar 2021 – beide Papiere profitierten unter anderem von der Corona-Pandemie – deutlich Federn gelassen. Mit der auf den 1. Dezember 2021 verschobenen bundesweiten Einführung des E-Rezeptes haben die Anteilscheine nun aber Chancen, wieder Fahrt aufzunehmen, wie Analysten sagen.

Dass die Börse keine Einbahnstraße ist, haben die Aktionäre der Schweizer E-Commerce-Apotheke Zur Rose Group und ihres niederländischen Gegenspielers Shop Apotheke Europe in den vergangenen Monaten schmerzlich erfahren. Noch im Februar dieses Jahres notierten beide Papiere auf ihren jeweiligen Allzeithochs – Zur Rose bei 509 Schweizer Franken und Shop Apotheke bei 249 Euro. Seitdem ging es mit den Kursen überwiegend bergab. Am 6. Mai lotete Zur Rose mit 272 Franken den vorläufigen Tiefpunkt aus, seitdem arbeitet sich das Papier wieder mühsam nach oben – unterbrochen allerdings von einem Dämpfer, nachdem das Unternehmen am 21. Oktober seine Umsatzprognose für das Jahr 2021 aufgrund schwacher OTC-Geschäfte nach unten reduzieren musste. Aktionäre von Shop Apotheke mussten besonders hart im Nehmen sein, die Tendenz des Anteilscheins gibt bislang wenig Anlass zur Freude. Teilweise hatte sich der Wert gegenüber Februar glatt halbiert.

Foto: imago images/Action Pictures

Kunden „schlechter Qualität“ – gemeint sind Käufer, die sich von Boni und Preisnachlässen zu nur einmaligen Käufen animieren lassen.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Da sind zum einen hausgemachte Gründe. So hatte Shop Apotheke in den vergangenen Monaten mit Engpässen in der Logistik zu kämpfen, bedingt durch einen Umzug in ein neues Logistikzentrum und damit verbundenen Personalproblemen. Das hinterließ Bremsspuren in den jüngsten Quartalsabschlüssen. Kürzlich verkündete Konzernchef Stefan Feltens allerdings, dass dieser Flaschenhals nun aufgelöst sei: „Anfang September haben wir den Umzug in unser neues hochmodernes Logistikzentrum erfolgreich abgeschlossen. Unsere Kapazitätsengpässe sind inzwischen beseitigt, es gibt keinen Personalmangel mehr in der Logistik.“

Rx-Bonusverbot verschreckt Kunden

Zu schaffen hat dem niederländischen Unternehmen auch die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers zum Rx-Bonusverbot Ende 2020 gemacht. In den Jahren zuvor hatte Shop Apotheke nach den Worten von Alexander Thiel, Analyst von Jefferies International in Frankfurt, zahlreiche Kunden gewonnen, die „schlechter Qualität“ gewesen seien. Gemeint sind damit Käufer, die sich von Boni und Preisnachlässen animieren lassen, damit auch bei einem nur einmaligen Kauf in der Firmen­statistik auftauchen, bei Wegfall von Boni und höheren Preisen aber nicht noch mal bestellen. Viele dieser Kunden seien mittlerweile weitergezogen, was sich auch beim Blick auf die stark gefallenen Rx-Umsätze bei Shop Apotheke zeigt. In diesem Segment musste das Unternehmen in den ersten neun Monaten 2021 einen Umsatzeinbruch um über 30 Prozent gegenüber der Vorjahreszeit hinnehmen.

Zur Rose wiederum zeigte nach den Worten von Michael Heider, Analyst bei Warburg Research, im ersten Halbjahr 2021 eine deutlich schwächere Profitabilität als erwartet. Belastend wirkten sich unter anderem hohe Ausgaben für das Marketing sowie Investitionen in neue Geschäftsfelder wie die Telemedizin oder Plattform-Partnerschaften aus. Das Ziel, im laufenden Jahr den Break-even, also die Gewinnschwelle zu erreichen, geriet damit außer Reichweite. Die Investoren reagierten verschnupft.

Warten auf das E-Rezept

Besonders aber die Diskussionen um eine verzögerte Einführung der digitalen Verordnungen haben den Investoren beider Firmen in den vergangenen Monaten auf die Mägen geschlagen. Das ist nachvollziehbar, denn das E-Rezept hat das Zeug, die Geschäftslage für die Online-Unternehmen auf eine neue Ebene zu hieven. Aktuell macht das Online-Geschäft mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hierzulande lediglich nur etwa ein Prozent des auf jährlich etwa 50 Milliarden Euro taxierten Marktes aus. Den Grund sehen die Analysten vor allem darin, dass die Kunden aktuell ihre Papierrezepte noch an die Online-Apotheken schicken müssen, um das gewünschte Arzneimittel zu erhalten. Das sei vielen schlicht zu aufwendig.

Dieser Prozess würde durch das elek­tronische Rezept stark vereinfacht, eine wesentliche Hürde bei der Bestellung würde wegfallen. Shop Apotheke informiert auf seiner Webseite beispielsweise darüber, dass die Kunden ein E-Rezept künftig einlösen können, indem sie den Token entweder als PDF und Bild hochladen oder den Papierausdruck mit der Webcam bzw. Smartphone-Kamera scannen. Ähnlich bei der Zur Rose-Tochter DocMorris: Kunden könnten den Code des E-Rezeptes per App einscannen und würden somit die verordneten Arzneimittel direkt in den Warenkorb platzieren. DocMorris will darüber hinaus Vor-Ort-Apotheken an die eigene Bestellplattform binden.

Analyst Thiel schätzt, dass der Rx-Anteil im Onlinehandel durch das digitale Rezept innerhalb von vier Jahren auf über zehn Prozent steigen dürfte. Damit liegt er über den etwas konservativeren Schätzungen der Unternehmen selbst. Zum Vergleich führt er das Beispiel Schweden an, wo es gelungen sei, den Rx-Anteil im Onlinehandel nach Einführung des digitalen Rezeptes innerhalb von viereinhalb Jahren von Null auf 20 Prozent zu katapultieren.

Zudem weist Thiel darauf hin, dass etwa 80 Prozent des jährlichen 50-Milliarden-Euro-Volumens im Rx-Segment – das entspricht rund 500 Millionen Rezepten pro Jahr – auf chronisch Kranke entfallen. Im Klartext: Der durchschnittliche Umsatz pro Rezept liege somit bei etwa 100 Euro – ein „gigantischer Markt“ für Zur Rose und Co.

Bereitschaft der Ärzte entscheidend

Trotz der verspäteten Einführung des E-Rezeptes und Bedenken einer lang­samen Verbreitung vor allem bei den Ärzten glaubt Thiel, dass dieser Prozess ab Anfang 2022 mit hohem Tempo vonstatten gehen wird. Etwa 95 Prozent der Ärzte seien bereits heute an Telematikinfrastruktur(TI)-Systeme angebunden, etwa 80 Prozent hätten Ver­träge mit den beiden größten Anbietern Compugroup und Medatixx. Es bedürfe lediglich eines kurzen Software-Updates, damit die Ärzte ab Anfang 2022 auch das E-Rezept ausstellen können. Ende des ersten Quartals 2022 dürften nach Thiels Einschätzung sämtliche Mediziner, die einen TI-Anschluss haben, diese neue Funktion auch nutzen.

Die Bereitschaft der Ärzte, die neuen digitalen Funktionen in der Praxis anzuwenden, dürfte denn auch ein wesentlicher Faktor bei der flächendeckenden Verbreitung des E-Rezeptes sein. Bereits vor zwei Jahren wies das „Ärzteblatt“ darauf hin, dass die Prozesse so einfach sein müssten, dass das Ausstellen der Rezepte mit einer Zeitersparnis für die Praxen einher­gehe. Hybride – teils analoge und digitale – Verfahren seien dafür hinderlich. Außerdem sei eine anwenderfreundliche elektronische Signatur nötig. Die scheint mit der „Komfort­signatur“ gefunden zu sein, bei der bis zu 250 Signaturen auf einmal freigegeben werden können.

Mit dem Fortschreiten der Telemedizin wird es für die Versicherten weitere Vereinfachungen geben, die den Online-Apotheken in die Hände spielen könnten. So können Patienten sich beispielsweise noch am Abend ein Rezept ausstellen lassen und bei den Versendern einreichen. Auch die Einführung von automatisch wiederkehrenden Bestellungen bei chronisch Kranken dürfte den Orderprozess für Patienten vereinfachen.

Foto: peterschreiber.media/AdobeStock

Analyst Thiel sieht die bevorstehende Einführung des E-Rezeptes als den „großen Katalysator“ für die Branche. Dieser Effekt dürfte in den Geschäftszahlen von Zur Rose und Shop Apotheke erstmals Ende des ersten Quartals 2022 sichtbar werden. So wie sein Kollege Heider und zahlreiche weitere Analysten hat er die Aktien beider Unternehmen denn auch mit Kaufen eingestuft – lediglich der Finanzdienstleister Kepler Chevreux bewertet Unwägbarkeiten und Risiken bei der Einführung des E-Rezeptes höher und stuft Shop Apotheke Papiere mit „Reduzieren“ ein. Die Schweizer UBS wiederum ist als eine der wenigen bei Zur Rose skeptisch eingestellt.

Sollte allerdings das von der Mehrheit prognostizierte positive Szenario eintreffen, dürften sowohl Zur Rose als auch Shop Apotheke in absehbarer Zeit die Verlustzone – bedingt durch hohe Investitionen in die Expansion, in Marketing oder IT – hinter sich lassen und Gewinne erwirtschaften.

Anleger, die an die Kraft des digitalen Rezeptes und steigende Aktienkurse glauben, müssen für sich die Entscheidung treffen, welchem Geschäfts­modell sie den Vorrang geben wollen. Während Shop Apotheke sich als führende Online-Apotheke in Europa zu positionieren versucht, fährt Zur Rose mit seiner Plattformstrategie einen deutlich breiteren Kurs. Oder wie Analyst Heider es ausdrückt: „Zur Rose will eine Art Amazon der Gesundheitsbranche werden“. |

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