Arzneimittel und Therapie

Ruhigere Nächte für alle

Reizhusten bei Kindern – was ist empfehlenswert?

Trockener Reizhusten ist ein unangenehmes Symptom, das der ganzen Familie schlaflose Nächte bescheren kann. Als „Nebenwirkung“ der Corona-Pandemie werden zudem ein Räuspern und umso mehr ein Hustenanfall vom Umfeld argwöhnisch betrachtet. Welche Wirkstoffe sind bei trockenem Reizhusten im Kindesalter indiziert und welche können für die Selbstmedikation empfohlen werden?

Trockener Husten und Kratzen oder Schmerzen im Hals sind oft die ersten Anzeichen einer Erkältung, die von verschiedenen Viren (Rhino-, Corona-, Parainfluenzaviren) hervorgerufen wird. Bei Kindern überwiegen Infektionen mit RSV-, Adeno-, Coxsackie- oder Echoviren. Im weiteren Verlauf entwickelt sich aus einem Reizhusten meistens ein produktiver Husten. Wenn die Erkältungssymptome abgeklungen sind, kann der Husten noch bis zu acht Wochen anhalten. Die Anwendung von Antitussiva sollte jedoch ohne ärztlichen Rat auf maximal zwei Wochen beschränkt werden.

Foto: Lightfield Studios/AdobeStock

Wann sollte ein Arzt hinzugezogen werden?

Die Grenzen der Selbstmedikation bei Husten sind im Kindesalter recht einfach zu ziehen. Unter zwei Jahren sollten die Beschwerden auf jeden Fall vom Kinderarzt abgeklärt werden. Zu den Gründen zählt beispielsweise eine mögliche Aspiration eines Fremdkörpers, für den die Wahrscheinlichkeit bei Säuglingen und Kleinkindern hoch ist. Am häufigsten sind Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und vier Jahren betroffen, Jungen etwa doppelt so häufig wie Mädchen. Neben Nahrungsmitteln wie Nüssen, Weintrauben oder Karotten zählen auch kleine Spielzeugteile zu den am häufigsten aspirierten Objekten. Nach einem plötzlichen Hustenanfall kann die weitere Symptomatik der Fremdkörperaspiration einer Atemwegsinfektion ähneln und dadurch unerkannt bleiben. Zu bedenken ist auch die Möglichkeit des Übergangs einer akuten Bronchitis in eine Lungenentzündung. Viele Kinder erleiden bereits im ersten Lebensjahr eine Infektion der unteren Atemwege, die sich zu einer Pneumonie entwickeln kann und gegebenenfalls stationär behandelt werden muss. Auch Asthma, Pseudokrupp, Mukoviszidose, Allergien sowie Kinderkrankheiten wie Masern, Keuchhusten oder Scharlach zählen zu den Erkrankungen, die bei Husten vom Arzt ausgeschlossen werden müssen.

Rezeptfreie Phytopharmaka bei Reizhusten

Eltern jüngerer Kinder bevorzugen häufig pflanzliche Hustenstiller. Hustenreiz-lindernd wirken Zubereitungen aus Schleimstoff-Drogen wie Eibischwurzel, Isländischem Moos oder Spitzwegerich-Blättern (s. Tab.). Für ältere Kinder eignen sich auch Lutschpastillen. Chemisch sind Schleimstoffe Gemische von verzweigtkettigen anionischen Heteropolysacchariden. Sie sind stark hydrophil und bilden in Wasser viskose Lösungen oder Gele, die als Schutzfilm Defekte auf der entzündeten Mund- und Rachenschleimhaut abdecken. Deshalb sollte nach der Einnahme für mindestens eine halbe Stunde nichts gegessen oder getrunken werden. Zusätzlich verringert der Schutzfilm die Wirkung von Reizen auf Hustenrezeptoren der Rachenschleimhaut.

Als Hausmittel gegen Husten gilt Honig, der auch in einigen rezeptfreien Präparaten und Medizinprodukten enthalten ist (z. B. Silomat® gegen Reizhusten Eibisch-Honig-Sirup). Kindern unter einem Jahr darf er wegen des Risikos eines Säuglings­botulismus nicht verabreicht werden. Wegen der noch geringen Immun­abwehr in diesem Alter können sich im Honig enthaltene Sporen von Clostridium botulinum im Darm zu Bakterien entwickeln und Botulinumtoxin bilden. Saccharose und andere Zuckerarten im Honig und in Hustensäften steigern durch Reizung der Magenschleimhaut reflektorisch die Bronchosekretion.

Wirkstoffe / Drogen
Präparate (Beispiele)
Abgabehinweise
pflanzlich
Eibischwurzel-Extrakt
Phytohustil® Hustenstiller Sirup, Pastillen
Sirup: für Kinder ab einem Jahr;
Pastillen: nicht für Kinder unter sechs Jahren empfohlen;
nach der Einnahme von Sirup/Pastillen möglichst 30 Minuten nichts essen oder trinken
Eukalyptusöl, Honig, Ringelblumen-Extrakt u. a.
Emser® Hustenspray
Lösung (MP)
für Kinder ab acht Jahren: drei bis vier Sprühstöße auf die Rachenschleimhaut, ohne dabei einzuatmen;Anwendung in den ersten zwei Stunden alle 30 Minuten, danach drei- bis viermal pro Tag bis zur vollständigen Genesung empfohlen
Isländisches Moos (Flüssigextrakt)
Isla® junior Pastillen (neutral, mit Mint-, Cassis- oder Ingwer-Extrakt bzw. -Aroma)
für Kinder ab vier Jahren
Aspecton® junior Hustenstiller Flüssigkeit zum Einnehmen
für Kinder ab einem Jahr; unmittelbar nach der Einnahme nicht essen oder trinken
Spitzwegerichblätter (Fluidextrakt)
Broncho-Sern® Sirup
für Kinder ab zwei Jahren; zwischen den Mahlzeiten einnehmen
synthetisch
Benproperin
Tussafug® Tabletten
für Kinder ab sieben Jahren
Dextromethorphan
Hustenstiller-ratiopharm®Dextromethorphan Hartkapseln
für Jugendliche ab zwölf Jahren; Einnahme möglichst auf drei bis fünf Tage begrenzen
Silomat® DMP
Silomat® DMP gegen Reizhusten Lutschpastillen
für Kinder ab sechs Jahren;
Einnahme möglichst auf drei bis fünf Tage begrenzen;
Silomat® DMP gegen Reizhusten enthält Honig
Silomat® DMP Intensiv gegen Reizhusten
Hartkapseln
für Jugendliche ab zwölf Jahren;
Einnahme möglichst auf drei bis fünf Tage begrenzen
Wick® Husten Pastillen bzw. Sirup gegen Reizhusten mit Honig
für Jugendliche ab zwölf Jahren (Pastillen) bzw. ab 14 Jahren (Sirup)
Pentoxyverin
Sedotussin® Hustenstiller Saft bzw. Tropfen
für Kinder ab zwei Jahren;
CAVE: zwischen 2 und 13 Jahren Dosierung nach Körpergewicht
Silomat® gegen Reizhusten Pentoxyverin Saft bzw. Tropfen
für Kinder ab zwei Jahren;
CAVE: zwischen 2 und 13 Jahren Dosierung nach Körpergewicht
Dropropizin
Larylin® Hustenstiller Pastillen bzw. Saft
Jugendliche ab zwölf Jahren; nicht mehr als 1 bis 2 mg pro Kilogramm Körpergewicht

Rezeptfreie synthetische Hustenstiller

Antitussiva unterdrücken den Hustenreiz in der Regel durch eine Hemmwirkung auf das Hustenzentrum in der Medulla oblongata im Stammhirn. Rezeptfreie synthetische Hustenstiller enthalten Dextromethorphan, Pentoxyverin, Benproperin oder Dropropizin (s. Tab.). Voraussichtlich ab Januar kommenden Jahres wird auch Levodropropizin (Quimbo® Saft, Tropfen), das S-Enantiomer von Dropropizin, aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. Levodropropizin blockiert Hustenrezeptoren im Tracheobronchialbaum.

Pentoxyverin und Benproperin wirken dämpfend auf den Hustenreflex, jedoch nicht auf das Atemzentrum. Benproperin wirkt sogar atemanregend und darf deshalb auch bei eingeschränkter Atmung verwendet werden. Dennoch ist bei gleichzeitiger Behandlung mit einem Schleimlöser Vorsicht geboten, da auch dieser Wirkstoff das Abhusten des Sekrets behindern kann. Pentoxyverin besitzt zusätzlich leicht bronchodilatatorische und spasmolytische Eigenschaften. Dropropizin wirkt teilweise zentral, eine Atemlähmung ist jedoch nicht zu befürchten. In der Lunge unterbricht Dropropizin wahrscheinlich den Hustenreflex über eine Hemmung vagaler afferenter Neuronen. Dextromethorphan besitzt neben seiner sehr guten antitussiven Wirkung auch ein Abhängigkeitspotenzial; in höheren als den therapeutischen Dosierungen können Rauschzustände mit Halluzinationen, Verwirrtheit und Herzrasen auftreten. Grund dafür ist der Antagonismus von Dextromethorphan an NMDA-Rezeptoren. Besonders bei der Abgabe eines entsprechenden Hustenmittels an Jugendliche sollte das bedacht werden. Dextromethorphan wird auch in Kombination mit zentral wirksamen H1-Antihistaminika wie Diphenhydramin missbräuchlich verwendet.

Alte Marke, neuer Inhalt

Das Antitussivum Clobutinol, vertrieben unter dem Handelsnamen Silomat®, galt über Jahrzehnte als ein bewährtes rezeptfreies Mittel gegen trockenen Reizhusten. Es wurde 2007 vom Markt genommen, 2008 erfolgte der Widerruf der Zulassung. Grund waren neue Studien, die gezeigt hatten, dass der Wirkstoff zu einer QT-Strecken-Verlängerung mit der Folge lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen führen kann. Die Marke Silomat® blieb erhalten, jetzt mit Dextromethorphan oder Pentoxyverin als Wirkstoffen (s. Tab.).

Rezeptpflichtige Antitussiva

Neben dem bereits erwähnten Levodropropizin können bei Kindern bei Reizhusten Codein, Dihydrocodein und Noscapin angewendet werden. Die antitussive Wirkung wird teilweise durch Angriff an supraspinalen Opiatrezeptoren (μ-Rezeptoren) vermittelt. Bei Kindern unter zwölf Jahren ist Codein (z. B. BronchiCodein® Tropfen) kontraindiziert, bei Kindern im Alter von 12 bis 18 Jahren mit eingeschränkter Atemfunktion wird der Wirkstoff nicht empfohlen. Dihydrocodein (z. B. Paracodin® Saft) ist dreimal so wirksam wie Codein und kann bereits bei Kindern ab vier Jahren zum Einsatz kommen. Noscapin kann bei unproduktivem Reizhusten in den flüssigen Darreichungsformen Capval® Saft und Tropfen Kindern bereits ab sechs Monaten verordnet werden, die entsprechenden Dragees erst ab sechs Jahren.

Was bietet die Komplementärmedizin?

Anthroposophische oder homöopathische Mittel werden bei Husten ebenfalls häufig nachgefragt. Je nach Zusammensetzung wirken sie oft gegen einen Symptomkomplex. Beispielsweise kann Weleda® Hustenelixier Sirup bei akuten katarrhalischen Entzündungen der Luftwege bei Kindern ab einem Jahr sowohl zur Linderung des Hustenreizes als auch zur Förderung des Abhustens von zähem Schleim empfohlen werden. Bereits ab einem Alter von sieben Monaten wird das homöopathische Komplexmittel Monapax®-Saft unter anderem bei nächtlichem Krampfhusten angewendet. Auch bei Mitteln der Komplementärmedizin sind Anwendungsbeschränkungen zu beachten. So enthält beispielsweise Wala Plantago Bronchialbalsam® neben homöopathischen Dilutionen (z. B. aus Spitzwegerich-Blättern) auch D-Campher, der einen Kehlkopfkrampf mit Atemstillstand hervorrufen kann und deshalb bei Kindern unter zwei Jahren nicht angewendet werden darf. Auch Einreibungen mit Menthol, Eukalyptus- oder Kiefernnadelöl sind aus diesem Grund kontraindiziert. Bei Mitteln, die Thymian enthalten, sind außerdem Allergien gegen diese Pflanze oder andere Lippenblütler sowie Birke, Beifuß und Sellerie zu beachten. |

Literatur

Akuter und chronischer Husten. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM), AWMF-Register-Nr. 053-013, Stand Februar 2021, gültig bis Dezember 2025

Fachinformationen der genannten Präparate

Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11., völlig neu bearbeitete Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2020

Interdisziplinäre Versorgung von Kindern nach Fremdkörperaspiration und Fremdkörperingestion. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI), AWMF-Leitlinien Register Nr. 001/031, Stand Dezember 2015, zurzeit in Überarbeitung

Lennecke K, Hagel K. Selbstmedikation für die Kitteltasche, 7. Aktualisierte Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2020

Management der ambulant erworbenen Pneumonie bei Kindern und Jugendlichen (pädiatrische ambulant erworbene Pneumonie, pCAP). S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP), AWMF-Register Nr. 048/013, Stand März 2017

Missbrauch von Dextromethorphan – auch Risiko für Serotonin-Toxizität beachten. Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker, DAZ 2019;46:105-106

Neubeck M. Evidenzbasierte Selbstmedikation. 5. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2021

Teuscher E, Melzig M, Lindequist U. Biogene Arzneimittel, 8. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2020

Wichtige Information zur Arzneimittelsicherheit: Marktrücknahme von Clobutinol. Pressemitteilung der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH, Ingelheim, 30. August 2007

84. Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht des BfArM vom 13. Juli 2021

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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