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Arzneimittel und Therapie
Hilfe bei Alkoholabhängigkeit – eine Frage des Status
Vor allem junge Frauen haben gute Chancen auf medikamentöse Behandlung
Studien aus England, Australien und den USA zeigen, dass Arzneimittel zur Therapie einer Alkoholsucht eher wenig genutzt werden. In diesen Ländern werden in nur etwa 3 bis 8% der Fälle Pharmakotherapien verschrieben [2, 3, 4]. Auch in Deutschland und den restlichen Ländern Europa sieht es laut WHO ähnlich aus [5]. Etwas 10% der Betroffenen begeben sich in Behandlung. Dabei gibt es mehrere, klinisch erprobte Substanzen, die dafür infrage kommen. Auch die Risiken und Schäden durch übermäßigen Alkoholkonsum sind bekannt. Warum sind die Verschreibungsraten so gering?
In einer aktuellen schwedischen Studie wurden diese Umstände anhand von soziodemografischen Daten näher beleuchtet [1]. Dazu wurden die Verschreibungsmuster von vier in der EU zugelassenen Arzneistoffen – Acamprosat, Disulfiram, Naltrexon und Nalmefen – untersucht. Die Wirkmechanismen dieser Substanzen unterscheiden sich zum Teil stark: Acamprosat soll die Lust auf Alkohol reduzieren und wird auch zur Unterstützung der Abstinenz eingesetzt. Disulfiram inhibiert die Alkoholdehydrogenase und erschwert somit den Abbau des Alkohols. Dadurch erleidet die betroffene Person besonders unangenehme „Kater“-Symptome. Naltrexon und Nalmefen wirken hemmend auf das Belohnungssystem des Gehirns an den Opioid-Rezeptoren und vermindern so die angenehme Wirkung, die mit dem Alkoholkonsum in Verbindung gebracht wird.
Für die Studie wurden Daten von 132.733 Erwachsenen ausgewertet, die zwischen 2007 und 2015 unter einer diagnostizierten Alkoholsucht litten. Dabei wurden Alter, Geschlecht, Bildungsstatus, familiäre Situation sowie Wohnsitz, Herkunft und weitere Erkrankungen analysiert. Patienten, die innerhalb der ersten zwölf Monate nach Diagnose einen der vier Arzneistoffe verschrieben bekamen, wurden in die Studie mit einbezogen.
Es zeigte sich, dass im Untersuchungszeitraum das Verhältnis zwischen diagnostizierten Alkoholsuchterkrankungen und verschriebenen Pharmakotherapien gleich blieb. Rund 23% der Patienten erhielten eine Arzneimitteltherapie. Disulfiram, Naltrexon und Acamprosat wurden nahezu gleich häufig verschrieben, bei einem leichten Überwiegen von Disulfiram. Mit der Markteinführung von Nalmefen im Jahr 2012 änderte sich der Verschreibungstrend nur geringfügig. Die meisten Pharmakotherapien starteten einen Monat nach Diagnosestellung.
Ältere sozial schwache Männer selten behandelt
Die Ergebnisse zeichnen ein deutliches Bild: Gut ausgebildete Frauen im Alter zwischen 31 und 45 Jahren, die in einem skandinavischen Land geboren wurden und dort in einer Großstadt ansässig sind, hatten eine höhere Chance auf eine Pharmakotherapie-Verordnung gegen ihre Alkoholsucht. Ältere Männer, die nicht der Bildungsschicht zugehörig sind und ein niedriges Einkommen hatten, erhielten weitaus seltener eine entsprechende medikamentöse Behandlung. Interessanterweise wurde auch Patienten mit körperlichen Begleiterscheinungen eher selten ein Arzneimittel zur Behandlung der Alkoholerkrankung verschrieben.
Der Zugang zur pharmakotherapeutischen Suchtbehandlung hängt von vielen Faktoren ab. Die genauen Gründe, warum Arzneimittel bei einer Alkoholerkrankung noch so selten eingesetzt werden, müssten laut Autoren noch weiter untersucht werden. Ein Grund dafür könne sein, dass Großstädte oft besser organisierte Therapiezentren haben und mehr Spezialisten für eine Beratung zur Verfügung stehen. Aufklärung ist in jedem Fall ein wichtiger Faktor. |
Literatur
[1] Wallhed Finn S, Lundin A, Sjöqvist H, Danielsson AK. Pharmacotherapy for alcohol use disorders - Unequal provision across sociodemographic factors and co-morbid conditions. A cohort study of the total population in Sweden. Drug Alcohol Depend 2021;227:108964
[2] Donoghue K. The correlates and extent of prescribing of medications for alcohol relapse prevention in England. Addiction 2021;116(11):3019-3026
[3] Rittenberg A, Hines AL, Alvanzo AAH, Chander G. Correlates of alcohol use disorder pharmacotherapy receipt in medically insured patients. Drug Alcohol Depend 2020;214:108174.
[4] Morley KC, Logge W, Pearson SA, Baillie A, Haber PS. National trends in alcohol pharmacotherapy: findings from an Australian claims database. Drug Alcohol Depend 2016;166:254–257
[5] Kohn R, Saxena S, Levav I, Saraceno B. The treatment gap in mental health care. Bull World Health Organ 2004;82:858–866
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