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Keine Strafe für Fälscher?
Nach Gerichtsbeschluss: ABDA-Präsidentin und Juristen fordern Schließung von Strafbarkeitslücken
Als der Gesetzgeber Ende Mai die rechtliche Grundlage für die digitalen COVID-19-Zertifikate schuf, ging es einmal wieder sehr schnell. Kurz vor der Verabschiedung im Bundestag waren Änderungsanträge beschlossen worden, die u. a. neue Strafvorschriften im Infektionsschutzgesetz vorsahen. Seit 1. Juni 2021 gilt im Groben: Wer die Durchführung einer COVID-19-Schutzimpfung oder eine Testung wissentlich nicht richtig dokumentiert und so eine Täuschung ermöglicht, dem drohen Geld- oder Haftstrafe. Ebenso wird bestraft, wer falsche digitale Zertifikate ausstellt. Und auch der Gebrauch solcher falschen Zertifikate zur Täuschung im Rechtsverkehr wird sanktioniert.
Der Gesetzgeber scheint in der Eile aber einige Fälle nicht bedacht zu haben. So führt die Verweisungstechnik im neuen § 75 Abs. 2 IfSG dazu, dass die unrichtige Dokumentation durch eine impfberechtigte Person erstellt sein muss. Wer seinen Impfpass selbst manipuliert oder von einem Laien fälschen lässt, ist dagegen nicht erfasst.
Wollen sich Personen mit einem derart gefälschten Dokument ein digitales Zertifikat ausstellen lassen oder sich Zutritt zu Orten verschaffen, die nur Geimpfte, Genesene und Getestete einlassen, droht ihnen durch die neuen Normen also keine Strafe. Und die bereits zuvor bestehenden Straftatbestände zur Fälschung von Gesundheitszeugnissen und dem Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse greifen nur dann, wenn es um die Täuschung von Behörden oder Versicherungen geht – darunter fallen weder Apotheken noch Kneipen oder Theater. Die allgemeinen Straftatbestände zur Urkundenfälschung könnten zwar erfüllt sein – doch sie treten hinter den spezielleren Regelungen zu Gesundheitszeugnissen zurück. Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es zu dieser Materie nicht.
Dass hier eine Strafbarkeitslücke vorliegen dürfte, befand vergangene Woche das Landgericht Osnabrück – und entfachte damit eine breite öffentliche Diskussion. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums erklärte daraufhin am vergangenen Freitag, dass es zu diesen komplexen Fragen unterschiedliche Auffassungen gebe. Diese nehme das Ministerium zur Kenntnis – und prüfe sie „eingehend“. Wenn die Prüfung der Osnabrücker Entscheidung zu dem Ergebnis komme, „dass Anpassungen strafrechtsnotwendig sind, dann wird das Justizministerium auch zügig entsprechende Vorschläge vorlegen“, so der Sprecher.
Auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening äußerte sich gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: „Wenn Polizei und Richter selbst eine Rechtsunklarheit sehen, dann ist natürlich der Gesetzgeber gefragt“. Eine Sprecherin des Deutschen Anwaltvereins betonte: „Wenn der Gesetzgeber die Strafbarkeitslücke sicher schließen will, ist dringendes Handeln geboten.“
Wenn nun möglicherweise gar keine Straftat vorliegt – soll ein Apotheker dann dennoch Anzeige erstatten? Und sei es, damit das gefälschte Dokument sichergestellt wird, ehe damit wirklich Straftaten begangen werden? Eine Sicherstellung könnte unabhängig von strafrechtlichen Aspekten auch zur öffentlichen Gefahrenabwehr geboten sein. Darauf weist auch das Landgericht Osnabrück hin. Oder macht sich ein Apotheker dann wegen Verletzung seiner Schweigepflicht strafbar (§ 203 StGB)? Eine klare Antwort gibt es nicht (siehe auch AZ 2021, Nr. 44, S. 1). In Niedersachsen hat sich die Generalstaatsanwaltschaft laut Apothekerkammerpräsidentin Cathrin Burs abgestimmt: Demnach fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse der Kunden an einer Geheimhaltung der Tatsache, dass sie einen gefälschten Impfnachweis in der Apotheke vorgelegt haben. Die Schweigepflicht ist demnach nicht verletzt, wenn die Apotheke die Polizei einschaltet – dazu verpflichtet ist sie allerdings auch nicht. |
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