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Pandemie Spezial
Boostern: Ja oder nein?
Was für eine Auffrischimpfung spricht
Die Effektivität einer Grundimmunisierung durch zwei Impfdosen einer SARS-CoV-2-Vakzine nimmt im Lauf der Monate ab, der Impfschutz lässt mit der Zeit nach. Diese Erkenntnis wird auch durch die Ergebnisse mehrerer großer Studien untermauert. So wurde etwa in einer Kohorte von annähernd 34.000 mit der Pfizer/Biontech-Vakzine Geimpften in Israel festgestellt, dass Durchbruchinfektionen häufiger eintraten, wenn die letzte Impfung mindestens 4,8 Monate zurücklag. Zu einem ähnlichen Schluss kam eine Auswertung von rund 3,5 Millionen elektronischen Krankenakten (davon rund eine Million von vollständig Geimpften) in den USA. Sie zeigte, dass der Schutz der Pfizer/Biontech-Impfung gegen COVID-19-Infektionen innerhalb von fünf Monaten von 93% auf 53% zurückging. In einer weiteren Studie aus Israel wurden im Juli 2021 höhere Infektionsraten bei denjenigen festgestellt, die zuerst geimpft worden waren. Hinzu kommt, dass das Risiko einer Durchbruchinfektion bei älteren Menschen höher ist als bei jüngeren. Hierzu zwei Zahlen: Das über die adjustierte Odds Ratio ermittelte Risiko einer Durchbruchinfektion lag einer in Israel durchgeführten Studie zufolge bei 18- bis 39-Jährigen bei 1,67, bei 40- bis 59-Jährigen bei 2,22 und bei den über 60-Jährigen bereits bei 2,76.
Was bewirkt eine Booster-Impfung?
Eine Booster-Impfung erhöht den Antikörpertiter und verstärkt die T-Zell-Antworten. Mögliche Nebenwirkungen unterscheiden sich nicht von denjenigen der Grundimmunisierung. Zur wichtigsten Frage – „Welche Wirksamkeit weist eine Drittimpfung auf?“ – liefern wiederum die bereits durchgeführten Studien Aussagen, vor allem die in Israel gewonnenen Daten (s. auch Kasten „Erfolgreiche Strategie n Israel“). Diesen zufolge war mindestens zwölf Tage nach der Auffrischungsdosis die Rate bestätigter Infektionen in der Gruppe mit Booster-Impfung um den Faktor 11,3 niedriger als in der Gruppe ohne Auffrischimpfung; die Rate der Schwererkrankten war um den Faktor 19,5 geringer. Auch konnte gezeigt werden, dass kurz nach Beginn der Kampagne für die Booster-Impfung die SARS-CoV-2-Inzidenz in allen Altersgruppen im Vergleich zu den noch nicht geimpften Altersgruppen zu sinken begann. Mit Blick auf die Viruslast konnte gezeigt werden, dass eine doppelte Impfung mit der Pfizer/Biontech-Vakzine die Infektiosität von Durchbruchinfektionen wirksam reduziert – auch bei der Delta-Variante. Dieser Schutzeffekt nahm mit der Zeit zwar ab, konnte aber durch die Booster-Impfung zumindest vorübergehend wiederhergestellt werden.
Erfolgreiche Strategie in Israel
In Israel wurde frühzeitig auf das Wiederansteigen von SARS-CoV-2-Infektionen reagiert. Bereits im Juli erhielten immunsupprimierte Patienten eine dritte Dosis der Pfizer/Biontech-Vakzine, kurz darauf alle über Sechzigjährigen und seit Ende August können alle Einwohner über zwölf Jahren ihren Impfschutz auffrischen lassen. Dieses Vorgehen hatte Erfolg, wie Ergebnisse des Clalit Health Research Instituts in Tel Aviv zeigten. Sie basieren auf der Datenauswertung von 728.321 Dreifach-Geimpften, die derselben Anzahl von Individuen gegenübergestellt wurden, die die dritte Impfung noch nicht erhalten hatten. Ausgewertet wurden alle Fälle, die später als sieben Tage nach der Impfung auftraten. Bei den Dreifach-Geimpften ging die Zahl COVID-19-bedingter Hospitalisierungen um 93% zurück. Der stärkste positive Effekt konnte hier in der Altersgruppe ab 70 Jahren beobachtet werden, in der die Prävalenz für einen schweren Krankheitsverlauf am höchsten ist. Die Zahl schwerer Krankheitsverläufe sank um 92% und die Zahl COVID-19-bedinger Todesfälle um 81%.
Es können also folgende Schlüsse gezogen werden:
- Eine dritte Impfung erhöht die Immunantwort gegen SARS-CoV-2, verringert die Infektionsraten und die Viruslast bei Durchbruchinfektion in den ersten Wochen nach der dritten Impfung sowie das Risiko für eine Krankenhauseinweisung. Damit senken Booster-Impfungen auch die Weitergabe des Virus.
- Eine Booster-Impfung ist für ältere Personen sinnvoll, weil das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs und einer damit verbundenen Krankenhauseinweisung verringert werden kann.
- Aber auch für alle anderen Altersgruppen kann eine Booster-Impfung sinnvoll sein, weil damit die Infektionsgefahr verringert oder die Viruslast gesenkt und somit die Weitergabe der Infektion verhindert werden kann.
- Die Booster-Impfkampagne in Israel scheint dazu geführt zu haben, dass die vierte Infektionswelle gebrochen werden konnte.
Situation in Deutschland
Die obigen Daten wurden vornehmlich aus in Israel durchgeführten Studien gewonnen und können aufgrund unterschiedlicher Altersstrukturen in Israel und Deutschland nicht eins zu eins auf deutsche Verhältnisse übertragen werden. In Israel erreichte die vierte Infektionswelle Mitte September 2021 ihren Höhepunkt und fiel danach ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte dort rund die Hälfte der bereits doppelt geimpften Menschen eine dritte Dosis erhalten. Diese Hälfte umfasst in Israel den älteren Teil der Bevölkerung, zu dem Personen ab 29 (!) Jahren zählen. Überträgt man nun diese Daten in einem Gedankenexperiment auf deutsche Verhältnisse, zeigt sich folgende Situation: Würde man in Deutschland mit der Drittimpfung bei der älteren Hälfte der Bevölkerung beginnen, so würde man damit bei Individuen ab 45 Jahren anfangen. Um alle Altersjahrgänge ab 29 Jahren zu impfen, müssten in Deutschland 70% der Bevölkerung geimpft werden. Das heißt, dass man in Deutschland einen höheren Anteil der Bevölkerung boostern muss, um – zumindest theoretisch – die gleichen Erfolge wie in Israel zu erzielen.
Wer sollte bevorzugt eine Auffrischimpfung erhalten?
Die STIKO empfiehlt in ihre Stellungnahme vom 8. November 2021 folgenden Personengruppen eine möglichst rasche Auffrischimpfung:
- Personen im Alter von ≥ 70 Jahren
- Bewohner und Betreute in Pflegeeinrichtungen für alte Menschen. Aufgrund des erhöhten Ausbruchspotenzials sind hier Menschen im Alter von < 70 Jahren eingeschlossen.
- Personen mit einer Immundefizienz
- Pflegepersonal und andere Tätige, die direkten Kontakt mit mehreren zu pflegenden Personen haben, in Einrichtungen der Pflege für (i) alte Menschen oder (ii) für andere Menschen mit einem erhöhten Risiko für schwere COVID-19-Verläufe
- Personal in medizinischen Einrichtungen mit direktem Patientenkontakt
Eine weitere Anpassung der COVID-19-Impfempfehlung wird zeitnah erfolgen. Aus immunologischen und infektionsepidemiologischen Gründen ist es sinnvoll, über die genannten Risikogruppen hinaus mittelfristig auch allen anderen Grundimmunisierten eine Auffrischimpfung anzubieten. Bei einer Auffrischimpfkampagne sollte soweit wie möglich nach absteigendem Lebensalter vorgegangen werden. Eine Auffrischimpfung soll bei immunkompetenten Personen frühestens sechs Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung erfolgen.
Obwohl die Daten aus Israel nicht direkt auf deutsche Verhältnisse übertragbar sind und weitere Faktoren wie etwa individuelles Verhalten, Mobilität und Hygiene das Infektionsgeschehen beeinflussen, zeigen sie einen eindeutigen Benefit durch das Boostern und die Notwendigkeit einer Drittimpfung. |
Literatur
Booster-Impfungen gegen COVID-19 – Wie stark können sie das Infektionsgeschehen eindämmen und schwere Fälle verhindern? Informationen des ScienceMedia Center Germany, www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/fact-sheet/details/news/booster-impfungen-gegen-covid-19-wie-stark-koennen-sie-das-infektionsgeschehen-eindaemmen-und-schwere-faelle-verhindern/, Abruf am 14. November 2021
Barda N et al. Effectiveness of a third dose of the BNT162b2 mRNA COVID-19 vaccine for preventing severe outcomes in Israel: an observational study. The Lancet 2021. doi.org/10.1016/S0140-6736(21)02249-2.
Stellungnahme der Ständigen Impfkommission zur Priorisierung bei der Auffrischimpfung nach COVID-19-Grundimmunisierung. Informationen des Robert Koch-Institus, Stand: 8. November 2021
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