Sondenernährung

Welche Sonde – und wohin damit?

Sondenarten in der enteralen Ernährung

Von Markus Zieglmeier | Im Beitrag „Gut versorgt“ auf S. 54 in dieser DAZ konnten Sie erfahren, welche Arten der enteralen Ernährung es gibt. Ist die Indikation bestätigt, stellt sich die nächste Frage: Wie lange wird der Patient voraussichtlich enteral ernährt werden müssen? Danach entscheidet sich, welche Sondenart angewendet wird. Den Ernährungsmedizinern steht heute eine Vielzahl von Sonden aus verschiedenen Materialien zur Verfügung. Jede hat ihre speziellen Eigenschaften, die sowohl in der täglichen Praxis der Ernährung als auch bei der Applikation von Arzneimitteln berücksichtigt werden müssen.

Hört der Laie das Wort Magensonde, denkt er meist an einen langen Gummischlauch, der über den Mund bis in den Magen eingeführt wird. Die heutige Realität in der Ernährungsmedizin sieht völlig anders aus – nicht nur was das Material betrifft. Moderne Ernährungssonden werden entweder durch die Nase oder die Haut in den Körper eingeführt und enden auch nicht zwangsläufig im Magen. Abhängig von der Indikation sind auch duodenale oder jejunale Sondenlagen möglich.

Nasale Sonden

Die nasale (meist nasogastrale, das heißt mit Endlage im Magen) Sonde besteht aus Polyurethan (PU) oder Silikonkautschuk. PVC-Sonden gelten als billig, aber obsolet. Sie verlieren mit der Zeit den Weichmacher und führen dann zu Missempfindungen und Druckstellen im Nasen-Rachen-Raum. Ebenso ungebräuchlich sind latexhaltige Produkte wegen des Allergierisikos.

Nasogastrale Sonden sind relativ einfach zu legen, auch erfahrenes Pflegepersonal kann das: Sie werden in die Nase eingeführt, bis sie im hinteren Rachen erscheinen. Während der Patient schluckt und sich der Kehldeckel dabei schließt, werden sie in die Speiseröhre und weiter in den Magen vorgeschoben. Ein eingearbeiteter Metallstreifen ermöglicht bei vielen Sonden die Lagekontrolle bei jeder (in Kliniken oft routinemäßigen) Röntgenaufnahme des Thorax. Dies ist gelegentlich notwendig, weil nasale Sonden nicht unbedingt lagestabil sind: Werden sie über eine zu kurze Strecke vorgeschoben, enden sie bereits im Ösophagus und führen bei Beginn der Ernährung zu Reflux und Aspiration – eine gefürchtete lagebedingte Komplikation. Zu weit vorgeschoben können sie sich durch den Pylorus bis ins Duodenum bohren. Eine Applikation größerer Volumina (ab ca. 30 ml) in kurzer Zeit, wie sie etwa bei Bolusapplikation von Sondennahrung oder beim Freispülen der Sonde mit Wasser vor einer Arzneimittelapplikation vorkommt, löst dann ein sogenanntes Dumping-Syndrom aus (s. u.). Insbesondere dann, wenn eine nasoduodenale Sondenlage gewünscht ist, kommt auch eine endoskopische Technik der Sondenanlage durch den Gastroenterologen zum Einsatz.

Die Sonden haben meist distal seitenständige Öffnungen und sind an der Spitze abgerundet, was ein leichteres Legen erlaubt, andererseits aber ein Totvolumen von der Spitze bis zur Öffnung mit sich bringt, was beispielsweise bei der Applikation von Pellets beachtet werden muss. Für die Intensivmedizin gibt es auch zweilumige Sonden, wobei das zweite Lumen zum Absaugen von Reflux vorgesehen ist.

Nasale Sonden sind nur für die relativ kurzfristige enterale Ernährung (wenige Wochen) geeignet, da die meisten Patienten, sofern sie bei Bewusstsein und nicht sediert sind, das Fremdkörpergefühl im Rachen nicht lange tolerieren. Die Sonden stören außerdem den Schluckvorgang und erhöhen so das Risiko von Aspirationspneumonien bei Patienten, die trotz Sonde versuchen, etwas oral zu sich zu nehmen.

Abb. 1: Legen einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie Am Endoskop befinden sich eine starke Lampe und eine Zange, die unter anderem zur Entnahme von Gewebeproben, hier jedoch zum Greifen des Führungsdrahtes benutzt wird. Der Einstich der Punktionsnadel erfolgt neben dem Lichtpunkt aus dem Körperinneren. Der durch die Kanüle eingeführte Draht wird mit dem Endoskop aus dem Mund gezogen. Daran wird die innere Halteplatte befestigt und mit dem Draht durch die Magenwand gezogen. Mit der Befestigung der äußeren Halteplatte ist die PEG verankert.

PEG-Sonden

Die perkutane, endoskopisch gelegte Gastrostomie (PEG) ist für die längerfristige enterale Ernährung konzipiert und wird durch den Gastroenterologen gelegt. Der Vorgang ist in Abbildung 1 wiedergegeben. In den meisten Fällen endet die PU-Sonde gastral in einer sogenannten Olive (Abb. 2), was ein relativ hohes Sondenlumen erlaubt und die Arzneimittelapplikation meist problemlos ermöglicht. Eine Variante der PEG ist die perkutane endoskopische Jejunostomie (PEJ), die nur in Ausnahmefällen eingesetzt wird, z. B. bei Pylorus­stenosen. Solche distalen Sondenlagen können das Risiko von Reflux reduzieren, erfordern aber oft spezielle Sondennahrungen mit vorverdauten Proteinen (Oligopeptid-Diät) und MCT-Fetten. Diese Präparate sind immer ballaststofffrei. Erfahrene Gastroenterologen legen in kurzer Zeit eine PEG, ohne größere Komplikationen zu verursachen. Mögliche Komplikationen sind das Einwachsen der inneren Halteplatte, Nekrosen und lokale Infektionen an der Einstichstelle. Gerade für Patienten, die noch mobil sind, ist eine PEG recht komfortabel. Während ein Schlauch, der aus der Nase kommt, neugierige bis aufdringliche Blicke auf sich zieht, verschwindet die perkutane, endoskopisch gelegte Gastro­stomie diskret unter dem Hemd. Sogar der Beutel mit der Nahrung und die dazugehörige Peristaltikpumpe können in einer Umhängetasche oder einem Rucksack am Körper getragen werden.

Foto: Science Photo Library/DNA Illustrations

Abb. 2: PEG-Sonde Diese perkutane, endoskopisch gelegte Gastrostomie wurde in die obere Kardia des Magens gelegt – hier von der Innenseite des Magens aus gesehen.

Sonden für die Feinnadelkatheterjejunostomie

Ein Sonderfall aus der Bauchchirurgie ist die Feinnadel­ka­theterjejunostomie (FKJ). Sie wird intraoperativ, bei offenen oder laparoskopischen Bauchoperationen gelegt. Die FKJ-Sonde ist sehr filigran und hat ein extrem kleines Lumen. Deshalb ist die Sonde anfällig für Verstopfungen. Sie muss regelmäßig gespült werden, um Verschlüsse zu vermeiden. Die Gabe von festen Arzneiformen, insbesondere gemörserten Tabletten, über solche Sonden sollte unterbleiben. Über Sonden für die Feinnadelkatheterjejunostomie läuft in der postoperativen Phase oft nicht die vollständige Ernährung des Patienten, sondern eine „minimalenterale“ Ernährung der Darmzotten. Der überwiegende Anteil der Nährstoffe wird dann parenteral zugeführt. Der Zotten­ernährung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Darmzotten innerhalb weniger Tage bis Wochen atrophieren, wenn die Ernährung ausbleibt bzw. ausschließlich parenteral erfolgt. Der Darm verliert damit einen großen Teil seiner Resorptionsoberfläche, was bei Wiederaufnahme der oralen oder enteralen Ernährung zu Komplikationen wie Durchfall und Meteorismus führt. Es gibt auch Hinweise darauf, dass eine fortgeschrittene Darmzottenatrophie zum Verlust der Barrierefunktion der Darmschleimhaut führt, was Endotoxinen (Zellwandbestandteilen gramnegativer Darmkeime) den Übertritt ins Pfortaderblut erlaubt und zu einem Systemic Inflammatory Response Syndrome mit der Symptomatik einer Sepsis führen kann – gewissermaßen die intensivmedizinische Variante des umstrittenen Leaky Gut Syndroms. Vergleichsweise wenige Patienten werden mit liegender FKJ-Sonde in die ambulante Pflege entlassen. Meist handelt es sich dabei um Tumorpatienten, weil beispielsweise ein fortgeschrittenes Ösophaguskarzinom eine endoskopische Anlage einer perkutanen, endoskopisch gelegten Gastrostomie oder Jejunostomie nicht mehr erlaubt. Für die ambulante Pflege ist die Versorgung einer FKJ eine größere Herausforderung als die einer PEG. Als Anleitung liegen wie für alle Sondenarten ausführliche Broschüren der Hersteller vor, die auch im Internet abrufbar sind [1, 2].

Das Lumen der Sonden

Lumina von Kathetern werden in Charriere angegeben. Ein Charriere ist ein Drittel Millimeter. Zu beachten ist allerdings, dass diese Angabe das Außenmaß betrifft, was natürlich die Frage nach dem Innenlumen aufwirft. Dieses ist vom Sondenmaterial abhängig. Polyurethan (PU) erlaubt eine relativ geringe Wandstärke, während Silikonkautschuk-Sonden deutlich dickwandiger sind. Für die Sondennahrung selbst ist das ohne Bedeutung. Ein Problem kann bei der Applikation von Arzneimitteln über die Ernährungssonde entstehen, insbesondere dann, wenn Pellets appliziert werden sollen. Marktüblich sind 5 Charriere für Kinder bis 16 Charriere für Erwachsene, wobei auch größere Lumina verfügbar sind. Sie werden insbesondere dann gewählt, wenn bereits beim Legen der Sonde klar ist, dass Arzneimittel appliziert werden müssen, die nicht in flüssiger Form zur Verfügung stehen.

Foto: Nutricia Milupa GmbH

Abb. 3: Flocare® Pack-Set Schwerkraft-Überleitgerät mit Präzisionsrollenklemme (A) zur individuellen Regulierung der Fließgeschwindigkeit, durchsichtiger Tropfkammer (C) und Zuspritzmöglichkeit (D) für Arzneimittel. Es gibt den Anschluss für handelsübliche Ernährungssonden (B) sowie einen Anstechdorn für vorgefüllte Sonden­nahrungspacks (E).

Überleitsystem und Pumpen

Ähnlich wie ein Infusionssystem stellt das Überleitsystem die Verbindung zwischen dem Beutel oder der Flasche mit der Nahrung und der im Gastrointestinaltrakt platzierten Sonde dar (Abb. 3). Auch hier gibt es (jedoch nicht bei allen Modellen) eine Tropfkammer, einen Schlauch (zum Teil mit einem weicheren Anteil, der in die programmierbare Peristaltikpumpe eingelegt wird) und Konnektoren. Es gibt aber auch Unterscheidungsmerkmale: Das Überleitsystem wird nicht wie ein Infusionssystem durch einen Gummistopfen in eine Flasche oder einen Beutel gestochen, sondern mit dem Behälter der Sondennahrung verbunden. Die Systeme der unterschiedlichen Hersteller sind dabei nicht kompatibel. Wird das Überleitsystem eines Herstellers mit dem Beutel eines anderen Herstellers kombiniert, muss ein Adapter zwischengeschaltet werden. So manche Krankenhausverwaltung hat dadurch schon nach vermeintlich günstigen Ausschreibungsvergaben teures Lehrgeld gezahlt. Eine weitere – wichtigere – Inkompatibilität gibt es: Überleitsysteme dürfen nicht mit den Luer-Lock-Konnektoren von parenteralen Venenkathetern kompatibel sein. Deshalb wurde mit Enfit ein weltweit einheitlicher Standard für enterale Ernährungssysteme entwickelt. So wird verhindert, dass überfordertes Pflegepersonal eine Sondennahrung versehentlich intravenös infundiert, was eine tödliche Lungenembolie zur Folge hätte. Zwar gibt es Fettemulsionen auch in der parenteralen Ernährung, deren Mizellen sind jedoch mit unter 10 µm deutlich kleiner als die Mizellen einer Sondennahrung. Diese gewollte Inkompatibilität gibt es auch für enterale Spritzen, die z. B. zur Arzneimittelapplikation bestimmt sind und sich auch durch ihre auffällige Farbe von normalen Spritzen unterscheiden – namhafte Hersteller haben sich für ein leuchtendes Violett entschieden (Abb. 4).

Ernährungspumpen sind Peristaltikpumpen, die im Laufe der Jahrzehnte zunehmend vielseitig und bedienerfreundlich geworden sind. Je nach Einsatzgebiet im stationären oder ambulanten (mobilen) Bereich sind sie für kontinuierliche oder intermittierende Applikation programmierbar, mit Alarmfunktionen ausgestattet oder ans Personalruf­system anschließbar. Sie unterscheiden sich damit in ihren technischen Eigenschaften kaum mehr von modernen Infusionspumpen, sind jedoch teilweise deutlich kleiner als diese, damit mobile Patienten sie im Rucksack tragen können.

Foto: Nutricia Milupa GmbH

Abb. 4: Transnasale, transparente Sonde aus Polyurethan mit dem violetten Enfit-Konnektor, der nicht kompatibel mit Luer- und Lock-Anschlüssen ist.

Breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten

Arvid Wretlind, der als „Vater der parenteralen Ernährung“ gilt (er entwickelte in jungen Jahren die Aminosäurenlösungen, später die parenteralen Fettemulsionen), hat einen wichtigen Satz geprägt: „Es gehört nicht nur zum Recht eines jeden Menschen, sondern speziell zum Recht eines jeden Patienten, jeden Tag gut ernährt zu sein.” Auch wenn wir diesem Ziel, gerade was geriatrische Patienten betrifft, noch nicht sehr nahegekommen sind, lässt sich feststellen, dass die technischen Voraussetzungen dafür in den westlichen Industrieländern perfektioniert wurden. Von der Neonatologie über Gastroenterologie und Bauchchirurgie bis zur onkologischen oder geriatrischen Palliativmedizin steht heute ein breites Spektrum an Sondennahrungen und Anwendungstechnik für jeden individuellen Fall zur Verfügung. Die verbleibenden Probleme sind finanzieller und ethischer Natur. Nicht für jeden Patienten sind die Krankenkassen bereit, die Kosten der enteralen Ernährung zu übernehmen, und nicht jeder Patient profitiert davon – man denke an die Alzheimer-Patienten, die an den Komplikationen einer PEG-Anlage versterben. Viele Menschen lehnen auch die Vorstellung, dass ein Schlauch zur Ernährung in ihren Körper eingeführt wird, so vehement ab, dass sie jegliche klinische Ernährung in ihren Patientenverfügungen kategorisch ausschließen. Auch deshalb sterben viele Tumorpatienten nicht an ihrem Krebs, sondern – deutlich früher – an den Folgen der Mangelernährung. Das Wissen um die Möglichkeiten und Grenzen der enteralen Ernährung kann uns dabei helfen, individuell die richtige Entscheidung zu treffen. |

Literatur

[1] Applikationstechniken für die enterale Ernährung. Informationen der Fresenius Kabi AG, www.fresenius-kabi.com/de-ch/documents/Produktkatalog_Applikationstechnik_d.pdf

[2] Applikationstechnik für Kinder und Erwachsene. Informationen der Nutricia GmbH, www.nutricia.de/fileadmin/user_upload_de/Services/Downloads/de/Katalog_Applikationstechnik_DE_01.pdf

Autor

Dr. Markus Zieglmeier, Apotheker, studierte Pharmazie an der LMU in München, war von 1989 bis 2020 in der Apotheke des Klinikums Bogenhausen und ist heute in den Dr. Grünberg Apotheken Erding/Ebersberg/München tätig; Promotion zum Dr. rer. biol. hum.; Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Zusatzbezeichnungen: Medikationsmanager BA KlinPharm, Ernährungsberatung und Geriatrische Pharmazie. Seit 2002 ist er verstärkt als Referent und Autor tätig.

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