Pandemie Spezial

Dritter COVID-19-Impfstoff zugelassen

EMA und EU-Kommission geben grünes Licht für Vakzine von AstraZeneca

Die Europäische Arzneimittel-Agen­tur EMA hat ihre Prüfung des COVID-19-Impfstoffs von AstraZeneca abgeschlossen und die Zulassung für Personen ab 18 Jahren in der EU empfohlen. Das gaben Vertreter der EMA am Freitagnachmittag in Amsterdam bekannt. Die EU-Kommission folgte der Empfehlung auf dem Fuße und sprach noch am selben Abend die Zulassung aus. Damit wird neben den Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna in Kürze ein dritter Impfstoff für alle EU-Mitgliedstaaten zur Ver­fügung stehen.
Foto: Peter Byrne / picture alliance / empics

Die COVID-19-Vaccine AstraZeneca wurde in den zulassungsrelevanten Studien an ca. 24.000 Teilnehmern getestet. Vorübergehende Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle, Fieber, Kopf- oder Muskelschmerzen sind häufig, aber meist leicht.

Erwartungsgemäß hat die EMA am Freitag die Genehmigung des COVID-19-Impfstoffs AstraZeneca befürwortet. Sie erstreckt sich auf den Einsatz bei Personen ab 18 Jahren ohne Altersbegrenzung. Wie bei den bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffen sind auch hier zwei Impfungen nötig, und zwar im Abstand von vier bis zwölf Wochen. Die Standard-Dosis liegt bei 0,5 ml des Impfstoffs mit jeweils 5 × 1010 Adenoviruspartikeln, die für das SARS-CoV-2-Spikeprotein kodieren. Wie von Vertretern der EMA bei einer Pressekonferenz am Freitagnachmittag zu erfahren war, hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) die Zulassung einvernehmlich, das heißt ohne Gegenstimme oder Enthaltung empfohlen. Die Vektorvakzine von AstraZeneca sei zwar die erste gewesen, für die die EU ­einen „rolling review“ gestartet habe, bemerkte EMA-Direktorin Emer ­Cooke, aber bei einem solchen fortlaufenden Überprüfungsverfahren gebe es kein „first in, first out“.

Unmittelbar nach Bekanntgabe der Empfehlung (positiv opinion) erteilte die Europäische Kommission noch am selben Tag eine bedingte Zulassung für die Vakzine mit dem Handelsnamen COVID-19 Vaccine AstraZeneca (Zul.-Nr. EMEA/H/C/005675/0000).

Vier zentrale Studien ­ausgewertet

Der COVID-19-Impfstoff AstraZeneca wurde auf der Grundlage einer Zwischenanalyse gepoolter Daten aus vier laufenden randomisierten, verblindeten, kontrollierten Studien bewertet, die seit dem 23. April 2020 durchgeführt werden:

  • Phase-I/II-Studie (COV001) an gesunden Erwachsenen im Alter von 18 bis 55 Jahren in Großbritannien (NCT04324606),
  • Phase II/III-Studie (COV002) bei Erwachsenen ab 18 Jahren in Großbritannien (NCT04400838),
  • Phase-III-Studie COV003 bei Erwachsenen ab 18 Jahren in Brasilien (ISRCTN89951424)
  • Phase I/II-Studie, COV005 in Süd­afrika (NCT04444674).

An diesen Studien nahmen insgesamt rund 24.000 Menschen teil. 90,3% der Teilnehmer, die den COVID-19-Impfstoff AstraZeneca erhielten, waren 18 bis 64 Jahre alt und 9,7% 65 Jahre oder älter. Die Hälfte erhielt den Impfstoff, die andere Hälfte eine Kontrollinjektion, entweder einen Meningokokken(MenACWY)-Impfstoff (COV001, COV002) oder Kochsalzlösung (COV005) oder beides (COV003).

Daten aus zwei Studien für die Wirksamkeitsanalyse

Während die EMA für die Sicherheitsanalyse die Interimsdaten aus allen vier Studien heranzieht, stützt sie sich bei der Wirksamkeitsanalyse wie die britische Behörde MHRA (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency) lediglich auf die Daten aus den Studien COV002 und COV003. In den beiden anderen Studien wurde die vordefinierte Anzahl an COVID-19-Fällen nicht erreicht, um die vorbeugende Wirkung des Impfstoffs zu messen.

Für die gepoolte Wirksamkeitsanalyse wurden Teilnehmer in den Studien COV002 und COV003 berücksichtigt, die jeweils zwei Standard-Dosen des COVID-19-Impfstoffs (5 × 1010 Viruspartikel pro Dosis) (n = 6106) oder der Kontrolle (Meningokokken-Impfstoff oder Kochsalzlösung (n = 6090) bekommen hatten. Aufgrund logistischer Zwänge lag das Intervall zwischen Dosis 1 und Dosis 2 zwischen drei und 23 Wochen (21 bis 159 Tage). Mehr als 86% der Teilnehmer waren jedoch im Abstand von vier bis zwölf Wochen geimpft worden, weshalb das CHMP die Berechnung der Wirksamkeit auf diese Teilpopulation eingrenzte. Der primäre Endpunkt COVID-19-Erkrankung (laborbestätigt) wurde ab dem 15. Tag nach der zweiten Dosis erhoben. Die Vakzine senkte die Inzidenz von COVID-19 im Vergleich zur Kontrolle signifikant. Die Analyse ergab (≥ 15 Tage nach Dosis 2) eine 59,5%-ige Verringerung der Anzahl symptomatischer Fälle bei Personen, die den Impfstoff bekommen hatten (64 von 5258) im Vergleich zu Personen mit Kontrollinjektionen (154 von 5210). Das CHMP geht nach den Daten davon aus, dass der Schutz etwa drei Wochen nach der ersten Impfstoffdosis beginnt und bis zu zwölf Wochen anhält. Personen können erst 15 Tage nach Verabreichung der zweiten Dosis vollständig geschützt sein.

Eine Anfang Dezember 2020 im Lancet veröffentlichte gepoolte Analyse der Ergebnisse aus allen vier Studien hatte eine Wirksamkeit bezogen auf die Verhinderung von COVID-19-Erkrankungen von 70% ermittelt [Voysey et al. 2020].

Ergebnisse bei über 65-Jährigen

Die meisten Teilnehmer der Studien COV002 und COV003, die zwei Standard-Dosen des Impfstoffs im Abstand von vier bis zwölf Wochen erhalten hatten, waren zwischen 18 und 55 Jahre alt. 13,0% waren älter als 65 Jahre und 2,8% 75 Jahre oder älter. Bei den Teilnehmern im Alter zwischen 56 und 65 Jahren wurden für die Empfänger des Impfstoffs (≥ 15 Tage nach Dosis 2) acht Fälle von COVID-19 gemeldet, verglichen mit neun in der Kontrollgruppe. Bei Teilnehmern über 65 Jahren lag das Verhältnis bei zwei (mit Impfstoff) zu sechs (Kontrolle). Damit lässt sich aus der Sicht der EMA-Experten noch keine Aussage darüber treffen, wie gut der Impfstoff in der Gruppe der über 55-Jährigen bzw. der über 65-Jährigen funktioniert. Trotzdem wird auch der Einsatz bei den 65-Jährigen in der bedingten Zulassung nicht ausgeschlossen. Angesichts der beobachteten Immunantwort und Erfahrungen mit anderen Impfstoffen in dieser Altersgruppe könne ein Schutz erwartet werden, so die Begründung. Außerdem gebe es verlässliche Informationen zur Sicherheit in dieser Population. Weitere Informationen werden aus einer großen in den USA laufenden Phase-III-Studie (D8110C00001, Studiencode NCT04516746) mit einem höheren Anteil älterer Teilnehmer erwartet. Zu der Frage, ob über 65-Jährige angesichts der Datenlage besser eine der beiden mRNA-Vakzine erhalten sollten, für die entsprechende Daten verfügbar sind, wollten die Vertreter der EMA keine Empfehlung abgeben.

Häufigste Nebenwirkungen

Die in den Studien am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Empfindlichkeit (64%) und Schmerzen (54%) an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen (53%), Müdigkeit (53%), Myalgie (44%), Unwohlsein (44%), ­Pyrexie (einschließlich Fieber [34%] und Fieber > 38°C [8%]) sowie Schüttelfrost (32%). Die meisten Nebenwirkungen waren leicht bis mittelschwer und verschwanden in der Regel innerhalb weniger Tage nach der Impfung. Im Vergleich zur ersten Dosis waren die nach der zweiten Dosis berichteten Nebenwirkungen milder und seltener. Bei Älteren (≥ 65 Jahre alt) war die ­Reaktogenität geringer und Reaktionen wurden seltener berichtet.

Welche Daten müssen nach­geliefert werden?

Gemäß der bedingten Genehmigung muss AstraZeneca ebenso wie Biontech/Pfizer und Moderna innerhalb vordefinierter Fristen weitere Daten aus laufenden Studien bereitstellen. Unter anderem sollen bis zum 31. Mai 2022 die finalen Abschlussberichte der Studien COV001, COV002, COV003 und COV005 geliefert werden. Um die Wirksamkeit und Sicherheit bei älteren Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen zu bestätigen, werden zudem die primäre Analyse (bis 30. April 2021) und der endgültige klinische Studienbericht (bis 31. März 2024) für die große Studie in den USA (D8110C00001) eingefordert.

Austauschbarkeit und Sicherheit bei besonderen Personengruppen

Zur Austauschbarkeit der COVID-19-Vakzine von AstraZeneca mit anderen Corona-Impfstoffen liegen keine Daten vor. Personen, die die erste ­Dosis des COVID-19-Impfstoffs AstraZeneca erhalten haben, sollten den Impfkurs auch damit abschließen. Ob der neue Vektorvakzine gegen die neuen Varianten von SARS-CoV-2 wirkt und ob damit die Übertragungsrate gesenkt werden kann, ist nicht bekannt.

Die Sicherheit und Wirksamkeit des COVID-19-Impfstoffs AstraZeneca bei Kindern und Jugendlichen (unter 18 Jahren) ist noch nicht erwiesen. Auch bei Schwangeren gibt es nur begrenzte Erfahrungen. Ebenso wenig ist bekannt, ob die Vakzine in die Muttermilch übergeht. Laut Produktinformation sollte die Verabreichung während der Schwangerschaft nur in Betracht gezogen werden, wenn der potenzielle Nutzen die potenziellen ­Risiken für die Mutter und den Fötus überwiegt.

STIKO-Empfehlungen weichen von der Zulassung ab

Auf dem dritten COVID-19-Impfstoff für die EU ruhen große Hoffnungen, weil dieser bei 2 bis 8 °C gelagert und transportiert werden kann und die Produktion preisgünstiger ist als bei den mRNA-Vakzinen. Ob die Impfkampagne damit in absehbarer Zeit tatsächlich an Fahrt aufnimmt, muss abgewartet werden. Die Beschaffung könnte angesichts der aktuellen Verknappung der Liefermengen ein zähes Ringen bleiben.

Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der aktuellen Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) zum Einsatz der AstraZeneca-Vakzine. Die STIKO hat ihre COVID-19-Impfempfehlung unmittelbar nach Erteilung der Zulassung am Freitag erneut angepasst und weicht in einigen Punkten von der EU-Zulassung ab. Wie bereits den Tag zuvor bekannt geworden war, empfiehlt sie den Einsatz wegen der beschränkten Datenlage für Ältere nur bei Personen, die 18 bis 64 Jahre alt sind. Außerdem gibt die STIKO abweichend von der erteilten EU-Zulassung einen Abstand zwischen den beiden Dosen von neun bis zwölf Wochen an.

Die aktuell nur in englischer Sprache verfügbaren Produktinformationen zu dem neuen AstraZeneca-COVID-19-Impfstoff sind aus dem Unionregister für zentral zugelassene Arzneimittel abrufbar unter: https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/h1529.htm. |

Literatur

EMA recommends COVID-19 Vaccine AstraZeneca for authorisation in the EU. Pressemitteilung der EMA vom 29. Januar 2021, www.ema.europa.eu/en/news/ema-recommends-covid-19-vaccine-astrazeneca-authorisation-eu

STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung. Beschluss der STIKO zur 2. Aktualisierung der COVID-19- Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung, Aktualisierung vom 29. Januar 2021. Epidemiologisches Bulletin 2021;5, online vorab am 4. Februar 2021, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/05/Art_01.html

Voysey M, Clemens SAC, Madhi SA et al. Safety and efficacy of the ChAdOx1 nCoV-19 vaccine (AZD1222) against SARS-CoV-2: an interim analysis of four randomised controlled trials in Brazil, South Africa, and the UK. Lancet 2020, doi: 10.1016/S0140-6736(20)32661-1

COVID-19 Vaccine AstraZeneca. Produktinformationen aus dem Union Register of medicinal products for human use. https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/h1529.htm

Apothekerin Dr. Helga Blasius

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