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Pandemie Spezial
Spucken, lutschen, gurgeln, abstreichen
Wie sich Laien auf Corona testen sollen
Der politische Wille steht – das Angebot anscheinend noch nicht: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) beabsichtigt, Laien zu befähigen, künftig Corona-Schnelltests erwerben und selbst anwenden zu können (DAZ 2021, Nr. 4, S. 9). Dazu sind entsprechende Änderungen in der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) geplant. Konkret sollen sich die Corona-Selbsttests dann neben den HIV-Selbsttests in Anlage 3 der MPAV einreihen. Damit ständen die In-vitro-Diagnostika von heute auf morgen für die Abgabe bzw. den Verkauf an die Bevölkerung bereit. Wie bei den HIV-Selbsttests will das BMG auch bei den Corona-Tests auf die Apothekenpflicht verzichten.
Doch diese Regelung ist perspektivisch angelegt, denn das Ministerium weist zugleich darauf hin, dass die aktuell auf dem Markt befindlichen Point-of-Care-Tests für die Laienanwendung ungeeignet seien und man auf leichter anwendbare Produkte noch warten müsse. In der Tat gleicht es einer Herausforderung, den für die meisten Antigentests erforderlichen Nasopharyngealabstrich korrekt und valide durchzuführen – sowohl bei einer anderen Person als auch vor allem bei sich selbst. Während die PCR-Methode mit angeschlossener Laborauswertung nach wie vor in die Hände von Fachpersonal gehört und das positive Ergebnis eines (Antigen-)Schnelltests nachgeprüft werden soll, müssen bei den geplanten Selbsttests Verfahren zum Einsatz kommen, die einfacher und angenehmer als ein Nasen-Rachen-Abstrich sind und hinsichtlich ihrer Spezifität/Sensitivität dennoch zuverlässig arbeiten. Nach Ansicht des BMG gibt es derzeit keine Produkte für Laien, die „so ausgereift und verfügbar“ seien, „dass eine Zulassung unmittelbar bevorstehen würde“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums in der vergangenen Woche auf Anfrage. Die konkrete Ausgestaltung der MPAV hinsichtlich der Corona-Selbsttests sei ohnehin „noch Gegenstand regierungsinterner Beratungen“.
Doch auf dem Markt der Corona-Antigentests hat sich inzwischen eine Vielzahl und Vielfalt von Anbietern etabliert. Außerdem sind die Selbsttests bereits in einigen Ländern eingeführt und fester Bestandteil der nationalen Strategie – so beispielsweise im österreichischen Schulwesen. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die verschiedenen Verfahren. Die Anbieter haben zum größten Teil die Aufnahme in die BfArM-Liste über die Antigentests sowie eine Pharmazentralnummer (PZN) für den Verkauf über Apotheken bereits beantragt.
Die Sensitivität beschreibt den Anteil der positiv getesteten Personen innerhalb einer Gruppe von tatsächlich Infizierten. 96 Prozent Sensitivität bedeutet demnach, dass 96 von 100 Corona-Infizierten mithilfe des jeweiligen Testverfahrens ein positives und vier Personen ein falsch-negatives Ergebnis erhalten.
Bei der Spezifität wiederum geht es um den Anteil falsch-positiver Ergebnisse. Eine Spezifität von 97 Prozent beschreibt die Anzahl der negativen Ergebnisse unter den gesunden Personen. Bei 97 Prozent erhalten somit 97 getestete Personen ein negatives Ergebnis. Bei drei Personen wird dagegen statistisch gesehen ein falsch-positives Ergebnis auftreten.
Spucktests
Die Firma Unizell Medicare GmbH (Care Integral) aus Bad Schwartau bietet beispielsweise den Antigen-Spucktest Hotgen Novel Coronavirus 2019-nCoV an. Im Lieferumfang enthalten sind eine Coronavirus-Antigen-Testkassette, ein Speichelsammler, ein Probenahmerohr mit Extraktionslösung, ein Müllbeutel für kontaminierten Abfall sowie eine Packungsbeilage. In Deutschland wird der „Hotgen Novel“ aktuell noch für den professionellen Gebrauch in einer 20er-Packung vertrieben. Gebrauchsinformation, Kennzeichnung und Packungsgröße müssen also noch entsprechend auf Laien ausgerichtet werden. Gelagert werden muss der Test in einem Temperaturbereich zwischen vier und 30 °C. Die Durchführung muss bei Raumtemperatur stattfinden. Die Auslesezeit beträgt 15 Minuten, und Spezifität bzw. Sensitivität werden mit 99,78 bzw. 96% angegeben.
Der Deckel des Probenröhrchens wird abgeschraubt und der Speichelsammler montiert. Im Röhrchen befindet sich die Extraktionslösung. Bis zur Position der Teilstrichmarke muss entweder mit einer Speichelprobe des hinteren Mundteiles des Rachens oder mit einer Sputumprobe als Sekret der tiefen Atemwege, das beim Husten in den Rachen gelangt, aufgefüllt werden.
Danach wird der Speichelsammler entfernt und der Deckel auf das Probenröhrchen geschraubt. Probe und Extraktionslösung sollen gründlich vermischt werden. Anschließend gibt man vier bis fünf Tropfen der behandelten Probe in die Probenvertiefung der Testkassette ein. Nach 15 Minuten lässt sich das Ergebnis dann im Beobachtungsfenster der Kassette ablesen, nach 30 Minuten gilt das Ergebnis als ungültig. Die Anzeige des Testergebnisses erfolgt über zwei Linien. Die Qualitätskontrolllinie (C-Linie) muss in jedem Fall eine rote oder magentafarbene Bande anzeigen. Bei einer Corona-Infektion erkennt man dann noch zusätzlich eine Bande bei der Erkennungslinie (T-Linie) – ebenfalls je nach Viruslast in rot bzw. magentafarben. Sollte die Antigen-Konzentration unter der Nachweisgrenze des Kits liegen oder überhaupt kein Coronavirus vorliegen, bleibt die T-Linie farblos. Erkennt man nur an der T-Linie eine Bande, gilt der Test als ungültig und die Probe sollte erneut entnommen und getestet werden.
Nach den Vorstellungen der Anbieter sollen Spucktests vor allem immer dann eingesetzt werden, wenn Abstriche als schwierig bis unmöglich gelten – also besonders in Schulen und Kindergärten oder auch Pflegeeinrichtungen.
Auch die Firma Biozol aus Eching bietet einen Spucktest an – Spezifität bzw. Sensitivität werden mit 100 bzw. 95% angegeben. Die Durchführung ist ähnlich. Als störend konnten einige Substanzen ausgeschlossen werden, dazu gehören unter anderem Nasalia, wie Sprays und Tropfen mit Kochsalz, Mometasonfuroat, Beclomethasondipropionat, Triamcinolon Acetonid, Fluticasonpropionat, Azelastinhydrochlorid, Oxymetazolin oder Salben mit Mupirocin. Ophthalmika mit Tobramycin sollen ebenfalls mit dem Test nicht interagieren. Außerdem sollen sich die Einnahme von Ambroxol und Dextromethorphanhydrobromid sowie die Anwendung von Listerine Mundspülung nicht störend auf das Ergebnis auswirken.
Lutschtests
Einen anderen Ansatz verfolgt Weko Pharma. Statt des unangenehmen Nasen-Rachen-Abstrichs soll ein Mundlutscher („Lolli“) innerhalb von zehn Sekunden die Probe und zehn Minuten später nachfolgend das Testergebnis zutage fördern. Spezifität bzw. Sensitivität werden mit über 99 bzw. 93,94% angegeben. Die Lolli-Variante sei vor allem für Kinder und Menschen mit Handicap geeignet, sagt das Unternehmen. Die Durchführung für Laien sei sehr sicher, und es bestehe keine Verletzungsgefahr. Dabei muss keine Speichelprobe des hinteren Rachens oder eine Sputumprobe als Sekret der tiefen Atemwege eingesetzt werden, sondern lediglich auf dem „Abstrich-Lolli“ gelutscht werden. Nach zehn Sekunden wird dieser mit einer Pufferlösung gemischt und gespült. Die weitere Probenaufbereitung ähnelt den Spucktests.
Gurgeltests
Das Mannheimer Unternehmen Pharmact hat mit BELMONITOR LAB COV-2 einen Gurgel-Antigentest entwickelt. Spezifität und Sensitivität werden mit über 99 Prozent angegeben. Bei dem Test handelt es sich konkret um eine „Mundspül-Gurgel-Abstrich-Technik“: Die Mundspüllösung wird von der Testperson für etwa 30 Sekunden im Mundraum umhergespült und gegurgelt, anschließend spuckt die Testperson die Flüssigkeit in das mitgelieferte Behältnis. Zusätzlich wird ein Abstrich im vorderen Nasenbereich genommen. Mit dem Abstrichstäbchen wird die Mundspülung anschließend verquirlt. Die Analyse erfolgt innerhalb von 10 Minuten – die Auswertung geschieht mittels Fluorometer. Das ganze Verfahren ist aktuell noch auf die Mitwirkung von (medizinischem) Fachpersonal angewiesen. Doch geplant ist, dass im März mit BELMONITOR PRO COV-2 ein Antigen-Schnelltest zum ausschließlichen Gurgeln als Selbsttest für zu Hause erscheinen soll. Ob die Testperson infiziert ist, wird dann eine einfache Farbreaktion der Testlösung anzeigen.
Abstrichtests
Seitdem der wissenschaftliche Nachweis erbracht wurde, dass Laien in der Lage sind, Antigen-Schnelltests auf Basis eines nasalen Abstriches durchzuführen und damit nicht schlechter abschneiden als geschultes Personal (DAZ 2021, Nr. 3, S. 24), bleibt auch diese Methode im Fokus der Anbieter. Statt eines Nasopharyngealabstriches kann nämlich wahlweise auch der vordere Nasenraum für den Abstrich genutzt werden. In Österreich setzt man beispielsweise bei Schülern den LEPU Medical SARS-CoV-2 Antigen Rapid Test ein, der auch schon vom BfArM gelistet wird. Das Testergebnis steht in 15 Minuten bereit, und Spezifität bzw. Sensitivität werden mit 99,26 bzw. 92% angegeben. Volksschüler und Sonderschüler bekommen die Tests mit nach Hause, die anderen führen sie unter Aufsicht in der Schule selbst durch. Der Tupfer wird in die Nasenhöhle gesteckt und fünfmal im Kreis gedreht. Das Stäbchen mit der Probe wird anschließend in die Öffnung von Vertiefung B in Vertiefung A der beiliegenden Testkarte geschoben. Zuvor muss diese geöffnet werden und die Schutzabdeckung eines Klebestreifens entfernt werden. Nachdem sechs Tropfen Verdünnungsmittel in Vertiefung A gegeben wurden, wird das Stäbchen zweimal in jede Richtung gedreht. Danach wird die Testkarte gefaltet und somit verklebt. Das Ergebnis lässt sich nach 15 Minuten ablesen. Die Ergebnisinterpretation verläuft ähnlich wie bei den Spucktests. |
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