Arzneimittel und Therapie

Prävention beginnt im Mund

Zahnbürste und Antiseptika beugen einer beatmungsassoziierten Pneumonie vor

Eine präventive Mundhygiene kann bei schwerkranken Patienten das Risiko einer beatmungsassoziierten Pneumonie senken. Doch welches Vorgehen ist am wirksamsten? Ein aktueller Cochrane Review verglich mehrere Möglichkeiten der präventiven Mundhygiene. Sowohl der Einsatz von Zahnbürsten wie auch die Anwendung von Chlorhexidin konnten die Inzidenz einer beatmungsassoziierten Pneumonie senken.
Foto: PINKASEVICH – stock.adobe.com

Die beatmungsassoziierte Pneumonie (ventilator-associated pneumonia = VAP) ist die häufigste nosokomiale Infektion auf Intensivstationen. Sie ist definiert als eine Pneumonie, die 48 Stunden nach endotrachealer Intubation mit begleitender maschineller Beatmung auftritt. Eine beatmungsassoziierte Pneumonie kann weitreichende Konsequenzen haben: Sie führt häufig zu einer Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes und gehört zu den Krankenhausinfektionen, die mit der höchsten Letalität (13% aller Infektionen) assoziiert sind. Das Risiko, an einer nosokomialen Pneumonie zu erkranken, ist bei beatmeten Patienten um das Zwanzigfache erhöht.

Präventive Maßnahmen beinhalten die Basishygiene, apparative und technische Maßnahmen sowie die pflegerische und pharmakologische Unterstützung. Zu den patientenbezogenen Maßnahmen gehört die hygienische Mundpflege. Sie umfasst unter anderem die regelmäßige mechanische Zahnreinigung, antiseptische Mundspülungen mit Reinigung von Zunge und Mundschleimhaut sowie das Auftragen antiseptischer Gels. Um festzustellen, ob die Mundhygiene das Auftreten einer beatmungsassoziierten Pneumonie vermindern kann und welche Maßnahmen am besten geeignet sind, wurde 2020 ein Coch–rane Review durchgeführt.

COVID-19 und VAP

COVID-19-Erkrankungen können das Risiko für eine beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP) erhöhen. Die Veränderung des Lungenmikrobioms und die Ursachen der Sekundärinfektion ähneln denen bei kritisch kranken Patienten, die aus anderen Gründen beatmet werden müssen. Um die Inzidenz einer VAP bei beatmeten COVID-19-Patienten zu senken, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO einen Leitfaden erstellt. Dieser sieht unter anderem folgende Interventionen vor: Vorzug der oralen (orotracheale Intubation) gegenüber der nasalen Intubation, Oberkörper-Hochlagerung zwischen 30° und 45°, Einsatz geschlossener Systeme sowie ein regelmäßiger Austausch der Verdampfersysteme zur Atemgasbefeuchtung.

Gesund im Mund –und auch in der Lunge?

Der Review schloss 40 randomisierte klinische Studien mit 5675 Probanden ein, in denen folgende Interventionen verglichen wurden:

  • Chlorhexidin als Lösung oder Gel versus Placebo oder üblicher Mundreinigung
  • Reinigung mittels Zahnbürste versus keine Zahnbürste; jeweils mit oder ohne Antiseptika (Chlorhexidin oder Povidon-Iod, Lösung oder Gel).

Der Einsatz von Chlorhexidin als Mundwasser oder Gel im Rahmen der üblichen Mundpflege verhindert wahrscheinlich, dass sich bei schwerkranken Patienten eine beatmungsassoziierte Pneumonie entwickelt. So lag die Inzidenz einer Lungenentzündung unter Placebo oder bei üblicher Mundpflege bei 26% und bei Einsatz von Chlorhexidin bei 18% (relatives Risiko [RR] 0,67; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,47 bis 0,97; p = 0,03). Die NNTB (Number needed to treat for an additional beneficial outcome) betrug 12. Das bedeutet, wenn bei zwölf beatmeten Patienten auf der Intensivstation eine Chlorhexidin-haltige Lösung oder ein Gel eingesetzt werden, kann bei einem Patienten die Entwicklung einer beatmungsassoziierten Pneumonie verhindert werden. Der Einsatz von Chlorhexidin als Mundwasser oder Gel hatte jedoch vermutlich keinen Effekt auf die Mortalität und wirkte sich wahrscheinlich weder auf die Dauer der Beatmung noch auf die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation aus. Nicht bekannt ist, ob die Anwendung von Chlorhexidin mit unerwünschten Wirkungen assoziiert war. Der Einsatz von Zahnbürsten (mit oder ohne Antiseptika) konnte ebenfalls die Inzidenz einer beatmungsassoziierten Pneumonie senken. Im Vergleich zur Reinigung ohne Zahnbürste (mit oder ohne Antiseptika) betrug das relative Risiko 0,61 (95%-KI 0,41 bis 0,91; p = 0,01). Einen Einfluss auf das Mortalitätsrisiko schätzten die Experten auch hier als unwahrscheinlich ein, dasselbe gilt für die Dauer der Beatmung. Es gibt Hinweise, dass die Dauer des Aufenthaltes auf der Intensivstation durch den Einsatz von Zahnbürsten gesenkt werden kann. |
 

Literatur

Zhao T et al. Oral hygiene care for critically ill patients to prevent ventilator-associated pneumonia. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, doi: 10.1002/14651858.CD008367.pub4

Prävention beatmungsassoziierter Pneumonien (VAP), Fachrichtlinie 12, Version 2.0, Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie, Stand 2018

Maes M et al. Ventilator-associated pneumonia in critically ill patients with COVID-19. Crit Care 2021. doi: 10.1186/s13054-021-03460-5

World Health Organization. Clinical management of severe acute respiratory infection (SARI) when COVID-19 disease is suspected: interim guidance. 2020

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.