Wirtschaft

Verblisterung für Selbstzahler – welches Honorar ist möglich?

Höhere Preise als bei Pflegeheimen können realisiert werden

Apotheken, die für Pflegeheime verblistern, beklagen häufig die zu niedrige Vergütung des Verblisterns durch ihre Auftraggeber. Die Preise, die Apotheken für die Verblisterung für Selbstzahler erzielen, wurden bisher nicht systematisch untersucht. Eine Untersuchung dieser Preise für mehr als 60 Apotheken zeigt neben einer bemerkenswerten Spannbreite insbesondere auch, dass bei Selbstzahlern höhere Vergütungen als bei Pflegeheimen realisiert werden können.

Für die stationären Pflegeeinrichtungen, in welchen die Verblisterung längst etabliert ist, klagen die Apotheken seit Jahren über die unzureichende Vergütung ihrer pharmazeutischen Dienstleistung. Die kostenlose Verblisterung für Pflegeheime scheint zwar im Zuge der Antikorruptionsgesetz­gebung deutlich zurückgegangen zu sein, dennoch werden auch die inzwischen von Pflegeheimen gezahlten Vergütungen oft als bei Weitem nicht kostendeckend eingeschätzt. Noch in 2019 wurde in der Fachliteratur von einer Vergütung durch die Heime von zweifelsohne nicht kostendeckenden 1,50 Euro pro Wochenblister gesprochen. Auch aufgrund der zunehmend kritischeren Prüfung der Heimversorgungsverträge durch die Aufsichtsbehörden dürfte sich die Vergütung der Heime nun sukzessive einer gerade so kostendeckenden Größenordnung von drei bis vier Euro annähern, wobei die Autoren davon ausgehen, dass dieses Niveau aktuell noch nicht erreicht ist. Sehr wenige belastbare Erkenntnisse gibt es bisher zu den Preisen, die Apotheken in der Verblisterung für ambulante Pflegedienste erzielen können, obwohl davon auszugehen ist, dass diese Kundengruppe insbesondere mit der Einführung des E-Rezepts wichtiger wird. Erst recht keine planvoll erhobenen Daten sind für die Preise vorhanden, die Apotheken Selbstzahlern berechnen. Mit Selbstzahlern sind hier Kunden gemeint, bei denen bei der Beauftragung und Bezahlung der Verblisterung keine Pflegeeinrichtung involviert ist, sondern ein individueller Kunde die Apotheke direkt bezahlt. Auch die Ausgabe der Blister erfolgt für Selbstzahler nicht über eine Pflegeeinrichtung, sondern unmittelbar über die Apotheke. Im Folgenden setzen wir uns mit dieser Kundengruppe, zu welcher z. B. pflegende Angehörige oder nicht pflegebedürftige, polypharmazeutisch behandelte Patienten gehören, und den Preisen der Verblisterung für diese Kunden aus­einander.

Foto: TETIANA – stock.adobe.com

Um Apotheken zu identifizieren, die die Verblisterung auch für Selbstzahler anbieten, wurden mithilfe einer Internetsuchmaschine und Suchbegriffen wie „verblisternde Apotheken“ zunächst die Websites von Apotheken erfasst, die die Verblisterung in ihrem Online-Auftritt als Dienstleistung aufführen. War auf der Website nicht unmittelbar ersichtlich, ob auch für Selbstzahler und zu welchem Preis und mit welchem Blistertyp für diese Kundengruppe verblistert wird, wurde ein Telefoninterview mit der Apotheke geführt. Auf diese Art und Weise wurden 78 Apotheken identifiziert, die die Verblisterung für Selbstzahler anbieten. Von diesen konnte für 61 der Preis für Selbstzahler ermittelt werden. Konnten keine Preise erhoben werden, lag dies meist an der Verweigerung einer telefonischen Auskunft durch die Apotheke. In einigen Fällen lag der Grund darin, dass die Apotheken mit jedem Kunden eine individuelle Preisverein­barung – z. B. in Abhängigkeit vom Umfang der Medikation – treffen.

Deutliche Spannbreite der Preise

In der Regel gaben die auskunftsbereiten Apotheken an, die Preise für Selbstzahler pro Wochenblister aus­zuweisen, daneben sind aber in untergeordnetem Maße auch Preismodelle gängig, bei denen den Selbstzahlern ein Preis pro Monat oder für einen Zeitraum von zwei Wochen genannt wird. Alle Preise der Untersuchung wurden zum Zwecke der Vergleichbarkeit auf den Preis pro Wochenblister normiert. Bei einer Preisangabe pro Monat wurde der Preis durch die durchschnittliche Anzahl der Wochen pro Monat (4,35) geteilt. Die Apotheken wurden einzeln erfasst, eine Zugehörigkeit zu Verbünden (Filialverbund/gemeinsames Blisterzentrum) mit vermutlich ähnlichen oder gleichen Preisen wurde nicht berücksichtigt. Aussagen zur Repräsentativität der erhobenen Daten lassen sich nicht treffen, da die Grundgesamtheit der für Selbstzahler verblisternden Apotheken bislang nicht ausreichend charakterisiert wurde.

Kategorisiert man die so erhobenen Preise pro Wochenblister für Selbst­zahler in Preisstufen von jeweils einem Euro, erhält man eine Verteilung wie in der Abbildung dargestellt.

Bei dieser Verteilung fällt insbesondere die enorme Spannbreite der Preise pro Wochenblister auf. Der niedrigste erfasste Preis von 1,15 Euro pro Wochenblister liegt bei weniger als einem Sechstel des höchsten erhobenen Preises von 7,50 Euro pro Wochenblister. Dabei ist die Verteilung linkssteil, d. h. asymmetrisch und nach links geneigt. Die Gründe für die jeweilige Preissetzung wurden nicht erhoben, so dass hierüber nur Vermutungen aufgestellt werden können. Denkbar ist z. B., dass die Apotheken am rechten Ende der Verteilung eine Preisstrategie des „value-based pricing“ verfolgen, sich der Preis also v. a. am durch den Kunden wahrgenommenen Wert bzw. Nutzen der Verblisterung orientiert, während sich die Apotheken am linken Ende der Verteilung an den Preisen der Verblisterung für die Pflegeheime orientieren. Mögliche Ursachen der breiten Streuung könnten aber natürlich auch in unterschiedlichen Kostenstrukturen der Apotheken – z. B. aufgrund der Lage – oder im Grad der Automatisierung der Verblisterung liegen. Im Durchschnitt dürften die gegenüber Selbstzahlern realisierbaren Preise über denen der Pflegeheime liegen. Als arithmetisches Mittel der Preise pro Wochenblister für Selbstzahler ergab sich ein Wert von 3,52 Euro. Der Medianwert der Preise pro Wochenblister für Selbstzahler lag bei genau 3,00 Euro, der häufigste erhobene Wert (Modalwert) der Untersuchung bei 2,50 Euro pro Wochenblister. Die im Mittel wahrscheinlich höheren Preise für Selbstzahler im Vergleich zu Pflegeheimen sind umso bemerkenswerter, als der Aufwand für die Ver­blisterung für Selbstzahler tendenziell geringer als der für Heimbewohner sein sollte. Schließlich handelt es sich bei Letzteren häufig um hochbetagte, hochgradig polypharmazeutisch behandelte Patienten, während die Anzahl der zu verblisternden Medikamente bei selbstzahlenden Kunden geringer ausfallen ­sollte.

Bei 58 Apotheken konnte im Rahmen der Internetrecherche und der geführten Telefoninterviews neben dem Preis für Selbstzahler auch der verwendete Blistertyp erfasst werden. 5 der 58 Apotheken arbeiteten mit Becherblistern, 8 mit Kartenblistern und 45 mit Schlauchblistern. Das arithmetische Mittel der Preise für Selbstzahler lag bei den Becherblistern bei 4,53 Euro, bei den Kartenblistern bei 4,04 Euro und bei den Schlauchblistern bei 3,28 Euro. Hieraus lässt sich jedoch kein direkter Rückschluss auf die betriebswirtschaftliche Attraktivität der verschiedenen Blistertypen für die Apotheken ziehen. Zum einen bestehen zwischen den verschiedenen Blister­typen Unterschiede in den Material­kosten, zum anderen beeinflusst der unterschiedliche Grad der Automatisierung die jeweiligen Kosten und damit vermutlich indirekt auch die Preis­gestaltung der Apotheken.

Verteilung der Preise pro Wochenblister unter den befragten Apotheken

Bedarf an Marketingkonzepten für Selbstzahler

Aus der Analyse der Internetauftritte der verblisternden Apotheken lässt sich zudem feststellen, dass sich die Apotheken mit der aktiven Vermarktung der Verblisterung an Selbstzahler mitunter schwertun oder diese gänzlich unterlassen. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als diese Zielgruppe weder über demografische Merkmale noch über die Medikation problemlos fassbar ist. Als Selbstzahler kommt beispielsweise die rüstige Rentnerin infrage, die sich ihre Eigenständigkeit so lange als möglich bewahren will, aber auch der aktive Mittvierziger, der sich seine Nahrungsergänzungsmittel verblistern lässt, und nicht zuletzt auch die pflegende Angehörige, die die Verantwortung für das ordnungsgemäße Zusammenstellen der Medikation des Angehörigen gerne an die Experten in der Apotheke abgibt. Bei der Forcierung der Verblisterung für Selbstzahler würden den Apotheken kopierbare, skalierbare Marketingkonzepte helfen. Diese könnten z. B. von den Anbietern der Blister-Hard- und -Software, Interessensvereinigungen oder Apothekenkooperationen kommen. |

Autoren

Prof. Dr. Thomas Schmid ist Apotheker und hält einen Master of Business Adminis­tration von der Stanford University. Er lehrt Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Kempten und forscht zu betriebswirtschaftlichen Fragen in Apotheken.

Laura Hörbe studiert Gesundheitswirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Kempten

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