Wirtschaft

Die Versorgungswerke der Apotheker

Was Mitglieder wissen sollten / Unterschiede zur gesetzlichen Rentenversicherung

Die Versorgungswerke der Apotheker bilden als berufsständische Versorgungseinrichtungen ein öffentlich-rechtliches Alterssicherungssystem eigener Art. Sie beruhen, anders als die bundesstaatliche Sozialversicherung, auf landesgesetzlicher Grundlage und einem demokratischen Gründungsentscheid des jeweiligen Berufsstandes, der stets sein Versorgungswerk selbst verwaltet. Daraus resultieren etliche Besonderheiten, was u. a. die Leistungen und die Dynamisierung der Renten betrifft.

Die Versorgungswerke nutzen kapitalbildende Finanzierungs­verfahren, oft in Kombination mit Umlageelementen. Jeder Apotheker, der Pflichtmitglied in einer Apothekerkammer ist, ist grundsätzlich auch Pflichtmitglied eines Versorgungswerks. Dies erlaubt es, die Risiken der Berufsunfähigkeit und des Todes (gemeint ist damit die Absicherung der Hinterbliebenen) solidarisch im Berufsstand ohne vorherige Gesundheitsprüfungen und heikle Fragen­kataloge zu Vorerkrankungen abzusichern. Zudem wird unab­hängig vom individuellen Risiko einheitlich tarifiert. Pflichtmitglied werden Kammermitglieder unabhängig davon, ob sie angestellt oder selbstständig sind. Angestellt tätige Versorgungswerksmitglieder können sich auf ihren Antrag hin von der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen, sofern sie eine „berufstypische“ Beschäftigung ausüben.

Die Versorgungswerke sichern die drei Kernrisiken Alter, Berufs­unfähigkeit und Tod ab. Zudem zahlen Versorgungswerke in der Regel Zuschüsse zu selbst organisierten medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen. Die Selbstverwaltung der Berufsstände hat, verglichen mit den Sozialversicherungen, in denen fast alles vom Gesetzgeber geregelt wird, einigen Gestaltungsspielraum. Das führt naturgemäß zu Unterschieden zwischen Satzungen der verschiedenen Versorgungswerke, hat aber den Vorteil, dass jede Kammer das nach ihrem Dafürhalten besonders Wichtige so regeln kann, wie sie es für richtig hält. Im Berufsstand der Apotheker gilt das Lokalitätsprinzip, wonach die Mitgliedschaftspflicht im Versorgungswerk dem Ort der Berufsausübung folgt. Beendet man seine Berufsausübung auf Dauer oder auf Zeit, bleiben die erworbenen Anwartschaften bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze stehen und werden weiterhin dynamisiert. In einem solchen Fall kann man in der Regel auch freiwillige Beiträge weiter einzahlen und auf diese Weise seine Anwartschaft aus­bauen. Zeiten der Kindererziehung werden nicht im Versorgungswerk, sondern auch für Apotheker­innen und Apotheker in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt, welche hierfür erhebliche finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt erhält.

Keine Hinzuverdienstgrenze

Unter Inkaufnahme von versicherungsmathematisch fairen Abschlägen kann man Renten auch vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch nehmen. Interessant kann auch sein, den Rentenbezug über diesen Zeitpunkt hinauszuschieben. Dann werden versicherungsmathematisch faire Zuschläge gezahlt, die höher sind als die Abschläge. Hinzuverdienstgrenzen kennen die Versorgungswerke nicht. Auch bei vorgezogenen Altersruhegeldern kann unbegrenzt hinzuverdient werden. Ebenfalls bedeutsam: Eine Witwe oder ein Witwer bekommt eigenes Einkommen auf die Hinterbliebenenrente, anders als in der gesetzlichen Renten­versicherung, nicht angerechnet.

Über das Vorliegen oder Nicht­vorliegen von Berufsunfähigkeit entscheiden – aufgrund ärztlicher Gutachten – Ausschüsse, die mit Berufskollegen besetzt sind und die so die Anforderungen des Berufes genau kennen. Als Faustregel gilt: Berufsunfähig ist, wer im Beruf des Apothekers aufgrund geistiger oder körperlicher Schwäche keine nennenswerten – das heißt berufsangemessenen – Einkünfte mehr erzielen kann. Eine Absicherung einer Teil-Berufs­unfähigkeit von etwa 50 Prozent gibt es hingegen nicht. Wo sollte die in einem so fordernden Beruf auch liegen? Hat man während der Berufskarriere Zeiten in mehreren Versorgungswerken zurückgelegt und Anwartschaften erworben, entscheidet zwar jedes beteiligte Werk autonom über den Fall, das aktuell zuständige übernimmt aber die Federführung. So muss das Mitglied den Antrag nur einmal stellen.

Foto: guy2men/AdobeStock

Rentner werden benachteiligt

Leider müssen wir konstatieren, dass der Bundesgesetzgeber die berufsständisch versorgten Apotheker wie auch solche, die schon Rente aus dem Versorgungswerk beziehen, immer noch benach­teiligt. Immer noch, weil es dem Dachverband der Versorgungs­werke, der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV), vor einigen Jahren gelungen ist durchzusetzen, dass die Krankenkassen für Versorgungswerksmitglieder beim Bezug von Kranken- und Verletztengeld Rentenbeiträge zahlen. Allerdings gilt dies nur für angestellte Apotheker. Selbstständige erhalten die Beiträge auch dann nicht, wenn sie in ihrer Krankenkasse einen – teureren – Krankengeldtarif gewählt haben. Zudem wird Versorgungswerksrentnern, die nicht noch nebenbei eine gesetzliche Rente beziehen, der Zugang zur Pflichtkrankenver­sicherung der Rentner verwehrt. Dies hat zur Folge, dass die Krankenkasse Beiträge nicht nur von der Rente, sondern von allen Einkünften im Alter erhebt.

Frisst die Inflation die Renten?

Derzeit fragen sich viele: Warum fällt die Dynamisierung von Versorgungswerksrenten und -anwartschaften derzeit so viel geringer aus als die der gesetzlichen Rentenversicherung? Und frisst die Inflation aktuell unsere Renten?

Ja und nein. Die Versorgungswerksrendite fällt gar nicht so gering aus. Sie besteht nämlich aus zwei Komponenten: Rechnungszins und Dynamisierung. Und: Die aktuell hohen Dynamisierungen der Rentenversicherung sind, wenn man zurückschaut, die Ausnahme und beruhen im Wesent­lichen auf Einmal- und Sonder­effekten. In den vergangenen elf Jahren betrug die durchschnitt­liche Rentenanpassung der gesetzlichen Rentenversicherung 1,83 Prozent im Westen und 2,54 Prozent im Osten. Das liegt unter dem durchschnittlichen Rechnungszins der Versorgungswerke.

Dieser Rechnungszins ist ein zentraler Parameter der Versorgungswerke. Er ist in jeder Projektion einer zukünftigen und gezahlten Rente unsichtbar enthalten. Technisch gesehen, ist er derjenige Zinssatz, von dem die Versorgungswerke bei vorsichtiger interner Kalkulation annehmen, dass sie ihn langfristig erzielen können. Durch die andauernde Niedrigzinsphase ist er von dem früher geläufigen Wert von 4 Prozent zurückgenommen worden. Die vorsichtige Kalkulation führt dazu, dass regelmäßig den Rechnungszins übersteigende Renditen erzielt werden, die nach der Dotierung der Sicherheitsrücklagen für die Dynamisierung zur Verfügung stehen. Diese fällt wegen des niedrigen Zins­niveaus natürlich aktuell relativ gering aus. Es muss aber immer beides zusammen gesehen werden. Betrachtet man nur die jährliche Dynamisierung, unterschätzt man die Entwicklung der Versorgungswerksrente gravierend.

Rentenanpassungen, ob in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in den Versorgungswerken, folgen letztlich dem Wirtschaftswachstum. In der gesetzlichen Rentenversicherung schlägt es sich durch das Lohnwachstum, in den Versorgungswerken durch die Kapitalrendite nieder. Inflation bedeutet ein Ungleichgewicht zwischen dem Geldmengenwachstum und der Wirtschaftsleistung zuungunsten der Letzteren. Die Gründe können externe Schocks wie die Unterbrechung von Lieferketten in der Corona-Krise oder durch handels- und/oder geopolitische Konflikte sein, eine endogene Verknappung des Arbeitsangebots durch die demografische Krise und/oder eine laxe Geldpolitik wie das Anleihenkaufprogramm der EZB in der Schuldenkrise oder staatliche Ausgabenprogramme in den Corona- und Ukraine-Krisen. Gegenwärtig wirken alle diese Faktoren zusammen. Das Dynamisierungspotenzial wird, wegen der jetzt steil anziehenden demografischen Alterung auch in der gesetzlichen Rentenversicherung, künftig begrenzt bleiben, während die Entwicklung der Inflation kaum zu prognostizieren ist. Für die gegenwärtig zu beobachtende Aufwärtsentwicklung der Zentralbankzinsen gilt dasselbe, sodass auch die Versorgungswerke zumindest kurz- und mittelfristig nicht von erweiterten Dynamisierungsspielräumen ausgehen.

Das bedeutet: Die Inflation mindert den realen Wert aller Renten, wie den aller anderen Einkunftsarten. Dies ist es, was Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit seiner Aussage meinte, wir alle würden ärmer. Ein regelmäßiger Inflationsausgleich, der manchmal gefordert wird, kann unter den gegebenen Bedingungen letztlich nur durch Schulden finanziert werden, sei es durch schulden­finanzierte Zuschüsse des Bundes, sei es durch die Auflösung immanenter Reserven. Beides ginge letztlich zulasten der nachfolgenden Generationen, denn damit würde deren spätere Handlungsfreiheit beschränkt. Ein Handlungsmuster, welches das Bundesverfassungsgericht in seiner aufsehenerregenden „Klimaschutz-Entscheidung“ dieses Jahr als eingriffsgleiche Vorwirkung für verfassungswidrig erklärt hat. |

Peter Hartmann, Hauptgeschäfts­führer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungs­einrichtungen e. V. (ABV)

1 Kommentar

Apotheker

von Günter Bartz am 02.08.2022 um 9:14 Uhr

Würde man anstelle der Versorgungswerke Pflichtversicherungen bei großen privaten Unternehmen durchsetzen, hätte man nicht nur ein selbst bestimmtes Renteneintrittsalter, das Risiko wäre ungleich geringer. In guten Jahren durften nicht mehr als 4% Rendite gut geschrieben werden, feste Werte wie Gold sind auch verboten. Das rächt sich nun.

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