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Management
Die Selbstwirksamkeit erhöhen
Wie Sie in Krisenzeiten Ihre Resilienz steigern können
Das Leben im Krisenmodus reißt nicht ab. Während die Auswirkungen der Corona-Pandemie mittlerweile im Bereich des Beherrschbaren zu liegen scheinen, ist mit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Osten Europas ein Krieg ausgebrochen. Die wirtschaftlichen Verwerfungen erreichen immer größere Ausmaße.
Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Mainz und wissenschaftlicher Leiter am Leibniz-Institut für Resilienzforschung, erläutert Weihnachten 2021 in einem „Spiegel“-Interview (Heft 52/2021, S. 52 – 53), dass Menschen „nicht für Dauerkrisen gemacht“ sind. Er schlägt vor, für einen Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung zu sorgen und den krisenbedingten Erschütterungen und Einschränkungen positive Erlebnisse entgegenzustellen: „Jenen, die schon immer eher positiv aufs Leben blicken, wird es leichter fallen. Diese Eigenschaft lässt sich nur begrenzt erlernen. (…) Aber es hilft jedem, sich darüber bewusst zu werden, was einem wichtig ist.“
Einem Menschen, der verzweifelt ist und unter der gegenwärtigen Situation leidet, ein „Du schaffst es, wenn du nur willst“ entgegenzurufen, ist kontraproduktiv, grenzt fast schon an Zynismus und hilft nur denen, die sowieso über eine positiv-optimistische Lebenseinstellung verfügen. Zielführender ist es, die Widerstandskräfte zu trainieren, die Resilienz zu erhöhen und sich bewusst zu machen, dass man Dinge und Entwicklungen gezielt beeinflussen kann.
Die sieben Säulen der Resilienz
Der Apothekenleiter stärkt seine persönlich-individuelle Resilienz, indem er sich Klarheit über seine Vision, seine berufliche Lebensaufgabe und die Werte verschafft, die für ihn von besonderer Bedeutung sind. Zudem hilft der achtsame Umgang mit sich selbst und den eigenen Ressourcen dabei, Resilienz aufzubauen. Indem er seine Belastungsstressoren identifiziert und stressmindernde Strategien für sich erarbeitet, geht er ressourcenschonender mit sich selbst um und stärkt seine Leistungsfähigkeit. Davon profitiert letztendlich nicht nur er selbst, sondern die Mitarbeiter und die Apotheke insgesamt (siehe hierzu auch den Artikel „Die resiliente Apotheke“ in AZ 2018, Nr. 7, S. 6).
Die Resilienzforschung unterscheidet sieben Resilienzfaktoren, die sich wie folgt beschreiben lassen:
- Säule 1: Akzeptanz – auch schwierige Situationen annehmen und mithilfe der Stärken bewältigen wollen; das, was ist, als gegeben, aber doch beeinflussbar ansehen
- Säule 2: Optimismus – der Glaube daran, eigene Ressourcen nutzen zu können, um krisenhafte Situationen zu meistern
- Säule 3: Lösungsorientierung – der Wille und die Bereitschaft, nicht bei der Problembeschreibung stehenzubleiben, sondern pragmatische Lösungsalternativen zu entwickeln
- Säule 4: Opferrolle verlassen – mit Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen darauf setzen, an der Situation selbst etwas ändern zu können
- Säule 5: Verantwortungsübernahme – die Konsequenzen für das eigene Tun akzeptieren und Ziele konsequent umsetzen
- Säule 6: Netzwerkorientierung – die Situation nicht allein überstehen wollen, sondern soziale Beziehungen wie Freundschaften und Partnerschaften nutzen, um Unterstützer zu haben
- Säule 7: Zukunftsplanung – das Bewusstsein, die Wahl zu haben, die (eigene) Zukunft gestalten zu können
Um die Widerstandskräfte zu verbessern, sollte der Apothekenleiter den Ist-Zustand aller sieben Säulen überprüfen und entscheiden, bei welchem Resilienzfaktor er zuallererst ansetzen sollte, um zu Verbesserungen zu gelangen.
Wie sind die eigenen Erwartungen?
Ein besonders wichtiger Punkt ist die Optimierung der Selbstwirksamkeit (Säule 4): Der Apothekenleiter verdeutlicht sich, dass er durchaus in der Lage ist, Entwicklungen in seinem Sinn zu beeinflussen. Ein Mensch mit niedriger Selbstwirksamkeitserwartung macht alles Mögliche für die Erfolge und die Erreichung gewünschter Ergebnisse verantwortlich – nur sich selbst nicht. Wenn es allerdings darum geht, einen Verantwortlichen oder gar Schuldigen für Fehlentwicklungen und Fehler ausfindig zu machen, hebt er rasch die Hand.
Umgekehrt gilt: Einem Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung fällt es leicht, sich selbst als den Verursacher von Erfolgen und erreichten Zielen zu sehen. Dementsprechend verfügt er über eine hohe Frustrationstoleranz. Er gibt bei Rückschlägen nicht so rasch auf und glaubt auch am Abgrund stehend daran, mithilfe seiner Potenziale, Stärken und Energien eine Problemlösung herbeiführen zu können. Er fordert Widerstand geradezu heraus, weil er der festen Überzeugung ist, ihn überwinden und sogar für die Zielerreichung nutzen zu können.
Wie es mit der Selbstwirksamkeitserwartung eines Menschen bestellt ist, hängt vor allem auch mit seiner Sozialisation zusammen. Positive Selbstwirksamkeitsfolgen hatte es, wenn er in seinen früheren Lebenssituationen privat und beruflich – Kindheit, Schule, Ausbildung, Freundes- und Bekanntenkreis – immer wieder erfahren durfte, dass vor allem er selbst es gewesen ist, der sein Leben kontrolliert und gesteuert hat. Wenn er hingegen ständig erfahren musste, dass andere Menschen für ihn Entscheidungen getroffen haben, und es ihm selten gelungen ist, problematische Situationen zu meistern, konnte er wohl kein Zutrauen zu sich selbst aufbauen.
Glauben an eigene Kompetenzen antrainieren
Darum ist es wichtig, dass sich ein Apothekenleiter mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung die Situationen vor Augen führt, in denen es ihm gelungen ist, Einfluss auf äußere negative Umstände zu nehmen. Zudem sollten ihm allein schon die Tatsache der Apothekengründung und die Bewältigung des Sprungs in die Selbstständigkeit klarmachen, dass es mit seinen Kompetenzen und Fähigkeiten besser bestellt ist, als er vermutet. Des Weiteren kann er die Vergangenheit durchforsten und im Rückblick analysieren, ob er Zielerreichungen, die er bisher glücklichen Umständen, zufälligen Rahmenbedingungen oder anderen Personen zugeordnet hat, in Wahrheit seinen eigenen Aktivitäten verdanken darf.
Aber Achtung: Solche Tipps klingen stets etwas wohlfeil, eben weil es einem Menschen mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung schwerfällt, Erfolge – wie die Apothekengründung – auf der Habenseite zu notieren. Trotzdem kann er sich für die Zukunft darauf fokussieren, sich motivierende Selbstwirksamkeitserfahrungen ganz bewusst zu vergegenwärtigen, indem er sie zum Beispiel schriftlich aufzeichnet, mithin eine Art Erfolgstagebuch führt. Zu empfehlen ist, eine Liste mit der Überschrift „Belege für meine Selbstwirksamkeit“ anzufertigen und dort jene Erfolge möglichst konkret und im Detail zu beschreiben. Dabei sollte man auch über den beruflichen Tellerrand hinausschauen und prüfen, welche Herausforderungen außerhalb des beruflichen Umfeldes durch eigenes Handeln gestemmt wurden, um dann diese positive Energie auf das Apothekenumfeld zu übertragen. |
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