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Management

Medikationsanalysen – so klappt die Umsetzung

Wie Sie die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen in den Apothekenalltag integrieren können

Der Berufsstand der Apotheker hat sehr lange für die Einführung honorierter pharmazeu­tischer Dienstleistungen gekämpft. Besonders die „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ bietet nun eine großartige Chance, die Versorgung der Patienten zu verbessern und zugleich die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen. Doch wie organisiert man diese wertvolle pharma­zeutische Aufgabe am besten im turbulenten Apothekenalltag?

Ja, es ist schon verflixt: Die Apotheker haben lange auf die Entscheidung zu den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen gewartet und auf eine faire Vergütung dieser Zusatzaufgaben gehofft. Seit Juni 2022 dürfen Apotheken nun u. a. „Erweiterte Medikations­beratungen bei Polymedikation“ direkt abrechnen; aber trotzdem bieten längst nicht alle Apotheken die neuen Leistungen an. Hauptproblem ist: Es fehlen vielerorts die qualifizierten Mitarbeiter und die notwendige Zeit für zusätz­liche Aufgaben im ohnehin schon stressigen Apothekenalltag.

Dabei sollten die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen unbedingt von möglichst vielen Apotheken zum Ausbau der Kundenbindung und zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken genutzt werden. Denn diese Kompetenzerweiterung der Pharmazeuten hat das Potenzial, die Arzneimitteltherapiesicherheit der Patienten langfristig zu optimieren und das Gesundheitssystem nachhaltiger zu machen. Ärzte und Apotheker sollten dabei an einem Strang ziehen und sich gegenseitig mit ihrer jeweiligen Expertise zum Wohle der Patienten unterstützen.

Pharmazeutisches Profil schärfen

Wir müssen uns ständig weiterentwickeln und Neues dazulernen. Klingt anstrengend – birgt aber viele Chancen. Der Apothekenalltag wird sich auch zukünftig mit einer Vielzahl neuer und wechselnder Herausforderungen aus­einandersetzen müssen. Darüber hinaus wird die Arbeit in der Apotheke durch die häufig angespannte Personalsituation verschärft. Ein anhaltender Personalengpass kann dazu führen, dass einige Apothekenmitarbeiter kaum noch Gelegenheit haben durchzuatmen, sondern einem permanenten Leistungs- und Zeitdruck ausgesetzt sind. Trotzdem sollten sich Apotheken wieder mehr auf die eigentlich wichtigen Aufgaben und Kompetenzen konzentrieren: Eine gute pharmazeutische Beratung im Sinne der Patienten, Unterstützung bei der richtigen Anwendung der verordneten Medikamente sowie die Überwachung möglicher Interaktionen sollte immer Hauptaugenmerk der täglichen Arbeit sein – deshalb hat man sich ja für diesen Beruf entschieden. Für viele Apotheker wird die Arbeit in der öffentlichen Apotheke durch die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen sicherlich wieder attraktiver, bieten sie doch die Möglichkeit, pharmazeutische Kompetenzen vertieft anzuwenden und die wichtige Position als Heilberufler nachhaltig zu festigen.

Warum sind Medikationsanalysen besonders wichtig?

Die „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ ist besonders wichtig, da im Alter häufig Interaktionen auftreten und die komplexeren Medikationspläne einer intensivierten Beratung bedürfen. Ein Viertel der Patienten über 70 Jahre nimmt fünf oder mehr Medikamente ein. Hinzu kommt, dass über die Hälfte der arzneimittelbezogenen Krankenhauseinweisungen als vermeidbar eingestuft werden. Apotheker können nun einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass Arzneimittelrisiken minimiert werden und die Effektivität der Arzneimitteltherapie verbessert wird.

Speziell fortgebildete Teammitglieder untersuchen bei einem möglichst gut strukturierten Erstgespräch nach Terminvergabe die Gesamtmedikation eines Patienten auf mögliche Interaktionen, überprüfen die Einhaltung des aktuellen Medikationsplanes und erfragen eventuell bestehende Vorerkrankungen sowie mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten. Nach einer genauen Medikationsanalyse wird bei einem Zweitgespräch nicht nur ausführlich zur aktuellen Medikation beraten, sondern auch die Gesamtsituation des Patienten analysiert. Möglicherweise auftretende arzneimittel­bezogene Probleme werden so schneller erkannt und – eventuell nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt – Dosierungs- und Anwendungsfehler vermieden. Das Ziel ist eine höchstmögliche Patientensicherheit. Idealerweise profitieren die Apothekenkunden auch in Form einer höheren Lebensqualität, was zur Stärkung der Kundenbindung beiträgt.

Tipps für die Patientengespräche zur Medikationsanalyse

  • Nehmen Sie sich anfangs genügend Zeit und Ruhe für das Gespräch mit Ihrem Patienten – wenn möglich in einem Beratungsraum.
  • Halten Sie alle benötigten Materialien (z. B. Arbeitshilfen zur Datenerfassung und Medikationsplan der ABDA) bereits ausgedruckt bereit und füllen Sie mit dem Patienten gemeinsam zunächst den „Vertrag über die Durchführung der erweiterten Medikationsberatung“ aus.
  • Lassen Sie den Patienten zum Einstieg erzählen, wie er mit der Medikation zurechtkommt und welche Medikamente er wann und wie einnimmt und vergleichen Sie dazu den Medikationsplan.
  • Notieren Sie sich Abweichungen sowie mögliche Doppelverordnungen.
  • Fragen Sie gezielt nach aktuellen Diagnosen, behandelnden Ärzten, vorherrschenden Beschwerden sowie bestehenden Vor­erkrankungen.
  • Füllen sie das Formular zur „Entbindung der Schweigepflicht“ gemeinsam aus.
  • Machen Sie mit dem Patienten einen Termin innerhalb der nächsten 14 Tage für das Zweitgespräch mit dem Ergebnis­bericht der Medikationsanalyse aus.
  • Lassen Sie sich abschließend die durchgeführte Dienstleistung quittieren.

Anspruchsberechtigte Kunden ansprechen

Um die neuen und pharmazeutisch anspruchsvollen Aufgaben möglichst strukturiert anzugehen, ist anfangs sicherlich mehr Zeit für die Organisation im Apothekenalltag notwendig. Ein guter Austausch innerhalb des Teams ist für den erfolgreichen Ablauf unerlässlich. Das gesamte pharmazeutische Personal kann dabei helfen, anspruchsberechtigte Patienten – beispielsweise aus der Kundendatei – auszuwählen und nach und nach die neue Möglichkeit zur kostenlosen erweiterten Medikationsberatung anzubieten. Zum Einstieg sollten Patienten aus­gewählt werden, die man bereits kennt, die Interesse signalisieren und einen großen Nutzen von dem Angebot hätten. Ansprechen könnte man auch Patienten bei einer Neuverordnung oder wenn der Kunde von sich aus häufiger Fragen zu seiner Medikation hat.

Von Mal zu Mal wird eine umfassende Medikationsanalyse immer schneller und strukturierter ablaufen. Damit sich diese neue pharmazeutische Dienstleistung auch rechnet, ist die digitale Unterstützung durch entsprechende Programme in der Praxis empfehlenswert. Es gibt mittlerweile einige Datenbanken, wie beispielsweise Scholz online (Scholz-Datenbank) oder MediCheck+ von Pharma4you, mit denen zertifizierte Apotheker Medikationsanalysen gut angeleitet und effizient durchführen können. Unterstützt durch diese Programme, werden arzneimittelbezogene Probleme schnell und gezielt aufgedeckt. Hier ist jedoch jeweils der patientenindividuelle Fall zu betrachten, weshalb eine Datenbank allein nicht ausreicht – es ist immer auch das Know-how der Apotheker gefragt.

Um sich mit der Software vertraut zu machen, lohnt es sich auf jeden Fall, eine häufig angebotene Testphase zu nutzen. Der Zugriff ist jeweils mit einem pro Apotheke angemeldeten Kennwort für mehrere Mitarbeiter von verschiedenen Computern aus möglich, sodass die Auswertungen der Medika­tionsanalysen beispielsweise auch im Homeoffice erfolgen können. Zusätzlich bieten Fachinforma­tionen und die ABDA-Datenbank mit der Cave-Funktion die Möglichkeit, Medikationsanalysen durchzuführen.

Mindestens ein qualifizierter Mitarbeiter aus dem Apothekenteam muss die Fortbildung „Medikationsanalyse, Medikationsmanagement als Prozess“ nach dem Curriculum der Bundesapothekerkammer oder eine entsprechende Fortbildung erfolgreich abgeschlossen haben. Anerkannt werden auch Fort- oder Weiterbildungen wie ATHINA, ARMIN, Apo-AMTS, Medikationsmanager BA KlinPharm, die Weiterbildung Geriatrische Pharmazie sowie die Weiterbildung Allgemeinpharmazie. Viele Apothekerkammern bieten derzeit kostenlose Webseminare mit dem Fokus auf die Umsetzung komplexer pharmazeutischer Dienstleistungen an, die möglichst vielen Apothekern den Einstieg in die neuen Auf­gaben erleichtern sollen. Idealerweise können sich nach und nach weitere Teammitglieder für die Durchführung pharmazeutischer Dienst­leistungen qualifizieren.

Wenn das Apothekenteam eher knapp besetzt ist, bietet es sich an, zunächst an einem Nachmittag – beispielsweise Mittwoch- oder Freitagnachmittag – Termine für das Erstgespräch zur Medikationsanalyse für ausgewählte Stammkunden zu vereinbaren. Anspruchsberechtigt sind laut ABDA „versicherte Personen in der ambulanten, häuslichen Versorgung, die aktuell und voraussichtlich auch über die nächsten 28 Tage mindestens fünf Arzneimittel (verschiedene, ärztlich verordnete, systemisch wirkende Arzneimittel/Inhalativa) in der Dauermedikation einnehmen bzw. anwenden“. Eine abrechenbare Medikationsanalyse ist alle zwölf Monate möglich; bei erheblichen Umstellungen der Medikation (d. h. mindestens drei neue/andere systemisch wirkende Arzneimittel oder Inhalativa innerhalb von vier Wochen als Dauermedikation) beginnt die Zwölfmonatsfrist dann neu. Vorteilhaft ist, dass die Terminvergabe für die Patientengespräche individuell und persönlich je nach Kapazität des Apothekenteams stattfinden kann. So ist es anfangs sicherlich vernünftig, z. B. nur eine Medikationsanalyse pro Woche oder Monat anzubieten und sich genügend Zeit für die genaue Auswertung bis zum Zweitgespräch zu nehmen – die Routine kommt dann nach und nach.

DAZ-Seminar am 23.11.

Medikation unter der Lupe: Tipps und Tricks für die Analyse – Fall 3

Wie genau lässt sich eine Medikationsanalyse in die Praxis umsetzen? Anhand von ausgewählten Patientenfällen stellt Ihnen die Deutsche Apotheker Zeitung zusammen mit Experten vor, wie Sie und Ihr Team Schritt für Schritt vorgehen, um arzneimittelbezogene Probleme zu erkennen und zu lösen. Der nächste Fall wird in der DAZ Nr. 46 am 17.11. erscheinen. Das dazugehörige Seminar findet am Mittwoch, den 23.11., um 20 Uhr statt. Zur Anmeldung einfach den folgenden Code scannen:

Wo gibt es die notwendigen Formulare?

Die Standesvertretung stellt ein großes Informationspaket zu den pharmazeutischen Dienstleistungen auf ihrer Homepage zur Ver­fügung (www.abda.de/pharma­zeutische-dienstleistungen). Die zu erbringenden Leistungen, die Voraussetzungen zur Erbringung, die anspruchsberechtigten Personen und die Rahmenbedingungen bis zur Abrechnung sind für jede pharmazeutische Dienstleistung genau beschrieben. Darüber hinaus bietet die ABDA übersichtliche und verständliche Flyer zum Ausdruck als Patienteninformation an, um die Dienstleistungen zu bewerben und möglicherweise auftre­tende Fragen zu beantworten. Diese Informationen können individuell mit dem eigenen Apothekenstempel versehen und für die Kunden zur Mitnahme ausgelegt werden. Auch für eine direkte Kundenansprache und das persönliche Angebot einer Medikationsberatung sind diese Flyer eine gute Basis, denn dann haben die Kunden gleich alles, was für das Erstgespräch wichtig ist und mitgebracht werden sollte, in schriftlicher Form für zu Hause zur Hand.

Ebenfalls auf der ABDA-Seite finden sich alle für die Medikationsanalyse notwendigen Vertrags­elemente, Arbeitshilfen sowie die fertigen Formulare zum individuellen Ausdruck. Wichtig ist vor allem die rechtzeitige Vorbereitung eines schriftlichen Vertrages zwischen dem Patienten und der jeweiligen Apotheke, wobei hierfür die Kurzfassung ausreicht. Zudem sollte man sich das Formular zur „Quittierung der Dienstleistung“ bereitlegen. Für den Fall, dass eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erforderlich ist, sollte das Formular zur „Schweigepflichtentbindung“ während des Erstgesprächs gemeinsam mit dem Patienten ausgefüllt werden.

Die Abrechnung der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen erfolgt anonymisiert durch den Nacht- und Notdienstfonds über ein gesondertes Rezeptformular unter Verwendung der entsprechenden Sonderkennzeichen. Abgerechnet wird mit dem Apothekenbeleg für die Abrechnung pharmazeutischer Dienstleistungen (SB-pDL), einem nicht personalisierten Vordruck. Ein Muster findet sich ebenfalls auf der ABDA-Seite. Auf diesen Beleg werden die erforderlichen Daten mit Unterstützung der Warenwirtschaft gedruckt. Die manuelle Eintragung der Patientendaten ist ebenfalls möglich. Eine aktuelle Arbeitshilfe zur korrekten Rezeptbedruckung und Abrechnung der pharmazeutischen Dienstleistungen findet man beispielsweise auf dem Deutschen Apotheken Portal (DAP). Weiteres Informations- und Werbematerial gibt es zudem unter www.apothekenkampagne.de.

Fazit

Apotheken, die individuelle Medikationsanalysen anbieten, arbeiten nicht nur zukunftsorientiert, sondern erhöhen darüber hinaus die Kundenbindung, die Motivation der Mitarbeiter sowie die Attraktivität für Bewerber. Die Apotheker werden durch die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen auch zukünftig ein unverzichtbarer Teil des Gesundheitssystems bleiben und durch ihren persönlichen Einsatz eine erhöhte Anerkennung und Wertschätzung erfahren. Nutzen Sie daher im nächsten Patientengespräch die Gelegenheit und stellen Sie die neuen Leistungen vor. Sie werden sehen – es lohnt sich! |

Apothekerin Dr. Irina Treede, Heidelberg

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