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Gesundheitspolitik
Kein Schlupfloch für Impfpassfälscher
BGH hebt Freispruch auf / Fälschung war schon vor Gesetzesänderung strafbar
Im vergangenen Jahr spielten die digitalen Impfzertifikate, die eine COVID-19-Impfung bescheinigten, noch eine weitaus größere Rolle als derzeit. Ob Kino, Hotel, Restaurant – fast überall gab es Zugangsregeln, die Impfungen, einen frischen Test oder eine Genesung vorschrieben. Auch ohne Impfpflicht bedeutete dies für Ungeimpfte den Ausschluss von zahlreichen Aktivitäten. Manch einer, der die Impfung ablehnte und dennoch am öffentlichen Leben teilnehmen wollte, versuchte es also mit Schummelei. Es entwickelte sich ein Markt für gefälschte Impfpässe – und mit diesen hatten auch Apotheken zu tun.
Beflügelt wurde das zwielichtige Geschäft möglicherweise dadurch, dass zunächst unklar war, ob das Fälschen eines Impfbuchs zur Vorlage in der Apotheke – oder auch an einem sonstigen Ort, der einen Impfnachweis verlangte – überhaupt strafbar ist. Es gab Vorschriften zur Fälschung von Gesundheitszeugnissen und dem Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse – diese erforderten jedoch, dass dieses Zeugnis bei einer Behörde oder einer Versicherung vorgelegt wird. Der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz lässt nicht zu, darunter auch Apotheken zu verstehen. Annehmen konnte man noch eine „normale“ Urkundenfälschung. Allerdings schien die vorherrschende Meinung unter Juristen, dass die Straftatbestände zu gefälschten Gesundheitszeugnissen lex specialis gegenüber der allgemeinen Vorschrift sind. Ein Rückgriff sei daher nicht möglich.
Der Gesetzgeber handelte vergleichsweise schnell und passte die Strafvorschriften an – sie gelten seit Ende November 2021. Doch was war nun mit den Taten, die vor dieser Gesetzesänderung verübt wurden? Die Strafgerichte entschieden nicht einheitlich, manche verurteilten wegen Urkundenfälschung, andere nicht. Letztlich wurde der Strafsenat des Bundesgerichtshofs angerufen, um die Angelegenheit höchstrichterlich zu klären.
Und das haben die Richter des Leipziger Strafsenats am vergangenen Donnerstag getan: Sie hoben einen Freispruch des Landgerichts Hamburg auf. In dem Fall ging es um einen Mann, der insgesamt 19 unrichtige Impfbescheinigungen ausgestellt hatte. Er bekam Geld dafür, dass er Impfungen mit einem eigenen Stempel und Fantasie-Unterschrift in die Impfbücher eintrug. Das Landgericht ging von einer Strafbarkeitslücke aus.
Der BGH sieht das anders. Er ist zwar mit dem Landgericht der Auffassung, dass keine Strafbarkeit wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung (a. F.) vorlag. Denn die Vorlage in einer Apotheke oder der Gastronomie sei eben keine Verwendung bei einer Behörde oder einer Versicherung. Wohl aber nahm der BGH eine Urkundenfälschung (§ 267 StGB) an. Es handele sich bei § 277 StGB nicht, wie vom Landgericht angenommen, um eine abschließende Sonderregelung, sodass sich ein Rückgriff auf das allgemeine Urkundenstrafrecht verboten habe. Es sei keine spezielle Vorschrift, die Fälscher von Gesundheitszeugnissen gegenüber Fälschern von Urkunden privilegieren soll. Dies sei aus keiner der gängigen Rechtsauslegungsregelungen abzuleiten. Schon gar nicht habe die mittlerweile geänderte Norm eine Sperrwirkung gegenüber der Urkundenfälschung entfaltet, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – gar nicht vollständig erfüllt war.
Nun muss eine andere Strafkammer in Hamburg nochmals verhandeln und entscheiden. Denn der BGH hat den Fall zurück verwiesen – mit klarer Segelanweisung. |
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